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Kunstblatt.

Donnerstag, den 19. Angnst 1811.

Aus -cm Münchner Kunst- und Künstlcrlcbcn.

(Fortsetzung.)

VI.

Wenn irgend etwaS vom Geiste unserer Zeit und
seinem Verhältniß zur Kunst ein erfreuliches Zeugniß
gibt, so ist cs der Enthusiasmus, mit welchem Thor-
waldsen in letzter Zeit überall empfangen worden und der
seine Reife durch Deutschland zu einem Triumphzug
macht, der einer längst vergangene», ja einer mytho-
logischen Welt anzugehören scheint. Wo er cintritt, schallt
ihm Jubel entgegen, seine bloße Erscheinung ist ein
Aufruf zu allgemeiner Festlichkeit. Alle Behörden und
Corporationen, alle Stände und Geschlechter wetteifern
im Ausdruck der Verehrung, und Greise und Kinder
drängen sich heran, und schätzen sich glücklich, seinem
Blick begegnet, seine Hand gefaßt zu haben. Der alte
deutsche Rhein verjüngt sich für den thcuren Gast, und
so lange er an seinen Ufern weilt, bleibt kein Schiff
«»geschmückt, keines zieht vorüber, ohne zu salutiren und
alle Flaggen wehen; ja als er selbst ein Schiff besteigt
und den Strom hinabfährt, werden alle Ufer lebendig,
von Schlossern und Burgen wehen die Fahnen und Ka-
nonen grüßen von allen Seiten den Geistesfürsten. Jni
licderreichen Schwaben vereinigen sich Männer und Frauen
und bringen in rührenden und erhebenden Gesanges-
weisen die Huldigungen einer Stadt, eines ganzen Landes.
Ucbcrall aber erklingen die Becher und die Musen geben
den von Bacchus gelösten Zungen unerschöpfliche Ve-
redtsamkeit.

Das alles geschieht einem Manne, dem keine Macht
gegeben ist, als über den rohen Marmorblock, von dem
keine Gnadenbezcugungen ausflicßen, dessen Name keine
Furcht einflößt und dessen Acußercs nicht eine Spur der
Ehren zeigt, die fast ein halbes Jahrhundert ihm an-
gethan. Es geschieht ihm, weil er ein Künstler ist, weil
er vor Andern der Künstler ist, der der Kunst ihr altes
Recht und uns der Kunst wicdergcgcben hat.

Wenn ganz Deutschland, durchdrungen von dem
Werthe dieser Eroberung, den Sieger feiert — um wie
viel mehr war eine große und volle Theilnahmc von der
Stadt zu erwarten, der vor allen deutschen Städten der
Ruhm gebührt, Heimath der Kunst zu seyn, von
München. Und München hat sie gegeben, unsere Ge-
lehrte, unsere Künstler, unsere Behörden und Corpv-
rationen haben sich beeifert, dem vielgeehrten und viel-
geliebten Fremdling Ehre und Liebe darzubringen; unsere
gekrönten Häupter haben sich freundlich zu ihm, ja vor
ihm geneigt und der Fürst, dessen Name mit dem der
deutschen Kunst auf ewig verknüpft ist, der König hat,
obwohl abwesend, dem „alten, guten Bekannten, dem
größten Bildhauer seit Hella's blühendster Zeit" eine
herzliche Begrüßung und ein schönes Merkmal seiner
Würdigung (das Großkreuz des S. Michaelsordens)
zugcsandt.

Ehe ich jedoch meine Leser in die festlichen Versamm-
lungen führe, lade ich sie zu dem Meister selber ein;
denn wie erfreulich cs auch ist, in das bekränzte Greisen-
antlitz zu sehen, aus dem Dank und Freundschaft aus-
strömenden Auge zu trinken, so dürstet uns dennoch nach
der verborgenen Quelle von Allem, nach seinem Geiste,
nach einem Blick in seine Werke. Freilich Statuen und
Basreliefs führt er nicht mit sich; allein cs dürfen uns
die Zeichnungen genügen, die er darnach hat fertigen
lassen und die uns die beglückende Gewißheit geben, daß
die Jugend auf seinen Wangen und in seinen Augen
nur der Ausdruck der ungeschwächten Kraft seiner Seele ist.

Thorwaldsen schlägt freundlich seine Mappe vor uns
auf, neben uns sitzt die edle Frau (v. Stampe), auf
deren Landgut bei Kopenhagen er glückliche Tage und
ein wohleingerichtetes Atelier hatte, und die uns so
manche biographische Nachricht über die Werke, die wir
sehen, mittheilt. Unser erster Blick fällt auf eine Lcd a.
Allein die Leda hat ihre Geschichte und Thorwaldsen hat
sie auf zwei andern Blättern geschrieben. Die schönen
Schwäne mit ihren anmuthigen und stolzen Bewegungen
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