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303

Der Cyklus, den uns der Künstler hier darbietct,
enthält die schönsten und ergreifendsten Darstellungen
aus dem Leben und Leiden Christi, jede mit einer lateini-
schen Inschrift umgeben, die wie eine Stimme der An-
dacht , wie ein Hymnus des gläubigen Herzens den
Inhalt des Bildes ansspricht. Wir stellen den segnenden
Heiland voran, der, ans Wolken sitzend, das Kreuz über
die Schulter gelehnt, als der höchste und einzige Tröster
die Worte spricht: „Kommt her zu mir alle, die ihr
mühselig und beladen seyd." Eine schöne und majestä-
tische Figur! Wir bemerken, daß die verzückten Äugen
des Heilands auf allen andern Blättern dieselben sind,
obgleich sic uns nicht ganz in Overbeck's Art scheinen
und meist etwas Mattes haben. Auch ist die Figur des
Heilands nicht immer gleich gut gelungen. Die geschicht-
lichen Vorstellungen beginnen nun mir der Geburt, Jo-
seph und Maria betend über dem Neugcbornen; die
Krippe in einem verfallenen Vogen; in der Entfernung
die Hirten ans der Bergwiese und die Glorie der Engel
in den Lüften. — Das Abendmahl, Christus steht, in
der Rechten die strahlende, mit dem Kreuze bezeichnete
Hostie cmpvrhaltend, mit der linken ans den Kelch deu-
tend; die Jünger knieen um ihn. — Christus am Oel-
berg, im Lichteffect, die Gruppe der schlafenden Jünger
vortrefflich, der Heiland etwas klein und dürftig. —
Christus vor Kaiphas, eine Scene voll Ausdruck und
Leidenschaft, doch auch hier die Figur des Erlösers nicht
ausgezeichnet. Vortrefflich dagegen ist sie in der folgenden
Scene, wie die Kriegsknechte den auf dem Kreuze ste-
henden Heiland entkleiden, und vom Glanze seiner
Schönheit geblendet vor ihm zusammcnsinken. — Christus
am Kreuz mit Maria, Johannes und Magdalena; alle
Figuren etwas klein in den Verhältnissen. — Auch in
der Grablegung ist Christus von vollendeter Schönheit,
weniger dürfte er in der Auferstehung genügen. Eine
hohe und glanzvolle Erscheinung aber ist er in der Him-
melfahrt , auf Wolken stehend, mit langem Mantel
umhüllt, breitet er liebevoll die Arme über den nach-
schauenden Jüngern aus. Das Pfingstfest ist eine schöne
Gruppe, nur sind die Köpfe der Marien und ciiziger
Jünger zu unbedeutend. Von großer Schönheit endlich
ist das letzte: Maria mit Christus im Himmel thronend.
Voll Liebe und Demuth legt sie ihre Rechte in seine
Linke und ihr Haupt auf seine Schulter. Diese Gruppe
ist fast in byzantinischer Weise gehalten.

Bei weitem die meisten dieser Blätter hat Herr
Keller gestochen; Christus vor Kaiphas und die Himmel-
fahrt sind von Butavand, die Krönung Maria von
Steifeusand. Doch haben alle drei in ziemlicher gleicher
Art, mit engen Linien und zartem, sorgfältigem Grab-
stichel so gearbeitet, daß überall eine Andeutung von
Farbe ist, manche Blätter sogar sehr kräftig gehalten

sind. Den Liebhabern schöner Werke werden sich daher
diese Vorstellungen auch als Beigaben zu einem An-
dachtsbuch empfehlen.

Nachrichten vom Juli.

Akademie» und Vereine.

Nerlin, 18. Juli. In der am 15. d. stattgefundenen
Versammlung des wissenschaftlichen Kunstvereins berichtete
Hofrath Förster über die Wiederherstellung der St. Ma-
rienkirche zu Neubrandenburg durch den Architekten Buttel,
einem Schüler Schinkcl's. Die fünf Thürme des Giebels,
die Galerie des groben Thurmes und vier Eckthür»,c wurden
von dem Baumeister in dem Style des ursprünglichen Bau-
werks entworfen und in gebrannten Steine» ausgeführt.
Auch alle Verzierungen in, Innern und Aeußern sind aus
gebranntem Thon und wurden in einer eigenbs zu diesem
Zwecke eingerichtete» Brennerei bereitet. — E. Stürmer,
Schüler von Cornelius, tlieiltc seine Erfahrungen über die
Anwendung der Metallographie mit, ein Verfahren, wodurch
Künstler in den Stand gesetzt werden, ihre mit chemische
Tusche auf Papier gemachten Originalzeichnungen durch Um-
druck auf Zinnplattcn schnell, sicher und ungemein wohlfeil
zu vervielfältigen. — Prof. Z a h n legte die Zeichnungen
zu dem nächsten (sechsten) Hefte seiner Ornamente aller
klassischen Kunstepochen vor, das bald bei Reiner erscheinen wird.

2i. Juli. In der Versammlung des Vereins für Ge-
schichte der Mark Brandenburg v, g. Juni las u. A. Di-
rector v. Ledebur Bcinerkungc» über bas ncumärkische
Münzwcsen vor. I» der Sitzung am D. Juli hielt derselbe
einen Vortrag über einen auf dem Schlachtfelde von Dcnnc-
witz gefundenen alten Bronze-Siegel-Stempel aus dem
i5kcn Jahrhundert, welcher dem ältesten Kapitel der früher»
Schlosikirchc zu Köln an der Spree anzugchörcn scheint.
— Prof. Riedel berichtete über die bedenkliche Lage der
Grabdenkmäler in der Kirche zu Fürstcnwalde bei der beab-
sichtigten Reparatur der Kirche. — Dircctor v. Ledebur
sprach über die Altcrthümcr des Teltowischcn Kreises, — und
Director Odcbrccht über eine Büste, den sogenannten
Neidkopf, die sich vormals an dem Hause Nr. 58 in der
Heiligengeiststraße in Berlin befand.

Düsseldorf, Juli. (Eingesandt.) Die Nachricht aus Düssel-
dorf in dem Kunstblatt vom 2b. Juni d. I., welche meldet,
daß „der große Saal deS Akademicgebäudes jetzt zur Freude
aller Künstler und Kunstfreunde der Ausstellung von Ge-
mälde» aller in- und ausländischen Künstler für immer
geöffnet sey, und'somit ein Hauptgrund der Unzufriedenheit,
welche gegen die hiesige Akademie herrschte, vollständig be-
seitigt sey" — bedarf insofern einer Berichtigung, als auf
deßsallsiges Ersuchen der Galericsaal solchen Ausstellungen
stets willig eingeräumt worden ist, und den Vorstand der
Akademie kein Vorwurf treffen kann, daß die Erlaubniß
nicht häufiger nachgcsücht wurde. Wen» daher die Ncben-
gründe der Unzufriedenheit gegen die Akademie nicht triftiger
sind, als der eine dort ausgesprochene „Hauptgrund," so ist
besagte Unzufriedenheit überhaupt schlewt begründet. Was
als eine erneute Bestimmung hinsichtlich des Galcricsaals
den lautgewordcncn Wünschen des Publicums gemäß angc-
ordnet worden, besteht lediglich darin, daß derselbe mit den
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