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von 16 oder 14 Fußen. Cr mußte daher alle Personen
in den Vordergrund zusammendrängcn und auf dem
kleinsten Raum handelnd aufführen; ein Wunder, daß
ihm dabei die gute Laune und das originelle naturgemäße
Aufgrcifen der Scene, im Ganzen und Einzelnen nicht
versagte. Allein das war bei Paul wenigstens nie zu
befürchten, wenn es etwas Fröhliches zu malen gab; und
so sitzen denn auch hier auf feiner Hochzeit zu Cana
(16 Fuß breit, 7 Fuß 5 Zoll hoch) links im Vordergründe
in der kräftigsten Haltung die Gäste am runden Hoch-
zcittische, den er mit Mühe durch das Rcpoussoir einer
Gruppe Kinder mit einem Hunde in der Ecke, welche
die Rundung des Tisches frei läßt, etwas gegen den
Mittelpunkt zu schieben sucht. Cs sind durchaus herr-
liche ganz individuelle Gestalten, alle mit der still-heitern,
halb - festlich - ernsten, halb - frohen Miene solcher Gelegen-
heiten. Unvergleichlich köstlich sind die beiden Frauen-
zimmer, man möchte sagen Schwestern, deren eine, ob-
gleich mit dem Rücken gegen die Scene, dennoch ihr
Profil auf die ungezwungenste Weise sehen läßt. Der
Heiland ist für seine Amtsmiene zu jung und wieder
für die Zeit seines Auftretens zu alt dargestellt; seine
Mutter zu jung und etwas pretiös. Selten genügen
bei den venetianischen Meistern diese bloß aus der Idee
geschaffenen Gestalten; sie gaben sich keine rechte Mühe,
dieselben auf hohe würdige Weise zn construiren; eö
schlug bei ihnen immer das üppig-sinnliche Leben vor.
Ein dicker alter Herr im gemächlichen langen Hausrocke,
vermuthlich der Brautvater, dreht sich, Wein verlangend,
mit wichtiger Besehlsmiene und wie unwillig, seinen
behaglichen Genuß unterbrechen zu müssen, nach dem
Kellermeister um. Dieser, von dem Gefühle durchdrun-
gen, die wichtigste Person im Hause zu scpn, sitzt rück-
wärts der Tafel vom Zipperlein gebannt in einem Lehn-
sessel, und reicht mit vornehm-nachlässiger Grandezza
einem Aufwärter die Schale zum Eiuschcnken hin, um
das neu herbeigeschafftc Getränke zu kosten. Vor ihm
sicht ein Prakticus von Gchülfen in diesem Fache, der
mit Kennermiene dasselbe thut. Aus dem Hintergründe
her bringen zwei Diener auf einer Tragbahre eine neue
Tracht Speisen, ihre Gestalten heben sich hier nicht un-
günstig von der weißen Architektur ab, deren sich Paul
öfters, aber nicht immer vortheilhaft bedient. Um nur
etwas Raum für die Darstellung zn gewinnen, hat er
die Scene in eine Art Hof oder freien Raum zwischen
den Gebäuden verlegen müssen. Alles auf dem Bilde ist
heiter beschäftigt, alles im sachgemäßen Einklang mit der
dargestellten Handlung; die obgleich bürgerlichen Fest-
kleider der Gäste dennoch festlich genug und angemessen
dem Hausstande eines Bürgers von Cana, während er
auf seiner berühmten großen Hochzeit den Pomp einer
königlichen Hofhaltung entfaltete.

Nicht minder sinnig, und jeder Figur eine passende
individuelle Thätigkeit in Bezug auf das Ganze anwei-
send, ist das Gegenstück zu der Hochzeit, die drei Weisen
aus Morgenland, 16 F. breit, 5 F. 3Z. hoch, trotz des
ungünstigen Raumes componirt und ausgeführt. Ma-
donna schaut mit milder Hoheit auf den zu ihren Füßen
knieenden Melchior herab, ihm tragen zwei etwa zehn-
jährige Pagen die Schleppe des prächtigen Mantels und
die Krone nach; gefällig ist der Contrast ihrer kindlichen
Unbefangenheit mit der ernsten Haltung und Miene der
Männer umher. Melchior und Balthasar sind höchst
würdevolle Köpfe und Gestalten, besonders letzterer mit
dem gedrungenen Körper, der breiten Brust und ernsten
verständigen Miene ist eine echte orientalische Königs-
figur. Wie sollte aber der Meister dem Mohrenkönige
Kaspar zu einigermaßen ähnlichem würdevollen Aeußern
verhelfen? Man sieht, daß ihm das Problem zu schaffen
machte; er besserte an dem Profil, so viel thunlich war,
ohne den ursprünglichen Nationaltypus ganz zu verwischen;
am meisten aber half sich der Schalk durch einen Con-
trast, er läßt dicht bei Kaspar zwischen zwei Pferdehälsen
den Kopf eines Stallknechts auftauchen, von weißer Race
zwar, aber so niederträchtig gemein, daß im Vergleiche
mit ihm der Gesichtsausdruck des Mohren hoch auf der
Stufe des Edlen zu stehen kommt. So erreichte er zwei
Zwecke zugleich, einen in Hinsicht auf daö Aesihetische
der Darstellung, und einen zu dem technischen Behufe,
die zwei sehr nahe aneinander gedrängten Rosse von
einander abzuheben. Der König ist in ein buntes, doch
nicht grelles Gewand gekleidet, mit Streifen Helllila,
dunkelgrün und dunkcllila abwechselnd; es erbte fort in
der venetianischen Schule, denn auch Tiepolo bekleidete
später damit mehrere seiner imposanten Gestalten. Um
Abwechslung in das bei dieser Darstellung statarische
Schlepptragen zu bringen, gab der Meister dem Diener
Kasparö das Futteral zu dem prächtigen Goldgcfäße,
worin derselbe seine Gaben darbriugt, in die Hand. Der
übrige Raum ist mit paffend angebrachten Dienern, Ge-
räthschaften und Gepäcke ausgefüllt; als letzte Figur des
Hintergrundes zur Rechten bezeichnet noch ein Kamccl
den Orient. Der Stall am linken Ende, unter dessen
Dache Maria thront, ist, wie häufig die Wohnungen
der Armen in Italien, mit Latten und Brettern an
und in die Ruinen eines antiken Prachtbaues geflickt;
der Eigenthümer, ein Hirte, dessen zwei armselige
Schäfchen das darunter aufgesproßte dürftige Gras ab-
fressen, glaubt sich beeinträchtigt, daß er als Hausherr
nicht den ersten Zuschauerplatz bei dem vornehmen Spcc-
takel einnimmt, und bedrängt ziemlich impertinent den
vor ihm auf einem Ruinenblock sitzenden Joseph. So
läßt der Meister das Ende der Staatsaction durch einen
naiven Zug sich in das gemeine Leben verlaufen.
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