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einander, als die Theilnahme derselben an einem beweg-
ten Momente dar; die deutsche Geschichtsmalerei behan-
delt somit wesentlich Situationen. Die oft bis zur Grü-
belei neigende Innerlichkeit des deutschen Geistes hat in
dieser Hinsicht Werke geschaffen, die zu den höchsten
Knnstproduktioncn gehören und deren Einseitigkeit uns
den Genuß keineswcges verderben darf. Ihr verdanken
wir auch den Aufschwung der Porträtmalerei, der sich
uns hier mit fröhlicher Gewißheit aufdrängt, und den
wir als eine der schätzbarsten Errungenschaften deutscher
Kunst betrachten dürfen. Ja selbst in unserer Land-
schaftsmalerei bethätigt sich derselbe Geist; ihr Ziel ist
nicht so sehr der brillante Gesammteffekt, als das treue,
liebende Eingehen auf das charakteristisch Schöne der
Landschaft. Wie sehr.endlich das Genrebild durch die
Meisterschaft unserer (besseren) Künstler im Individua-
lisiren gehoben wird, bedarf keiner Erwähnung. Mil
einem Worte, in allen besseren Bildern tritt uns die
deutsche Kunst auf cigenthümlichen, durch das innerste
Wesen der Nation bedingten, Pfaden entgegen, und wir
dürfen von der künftigen Entwickelung unserer Verhält-
nisse noch schönere Früchte hoffen.

Freilich, wenn wir die historische Malerei be-
trachten, so müssen wir eingestehen, daß die Franzosen
^ und Belgier uns bedeutend vorangecilt sind. Einen
wahrhaften historischen Styl athmet kein einziges deut-
sches Bild dieser Ausstellung. Aber wir bauen mit Si-
cherheit auf das in unseren Tagen so kräftig erwachende
öffentliche Leben, auf den eine neue Geschichtsperiode
verheißenden nationalen Aufschwung, und glauben, daß
ein historischer Styl sich in kurzer Zeit kund geben müsse.
Einstweilen trösten wir uns damit, daß noch keine Aus-
stellung verhältnißmäßig so viele Historienbilder ent-
hielt; ihre Anzahl ist der der Genrebilder schon fast
gleich, und auch die Landschaften überwiegen diesmal
nicht mehr so wie früher." Mögen auch unter den vie-
len viele schlechte seyn, wir halten das Zeichen dennoch
für ein günstiges.

Aber wir können auch auf dieser Ausstellung recht
klar inne werden, wie viel der Mangel einer ächten Hi-
storienmalerei geschadet hat. Ueber dem fortwährenden
Darstellen ruhiger Situationen, über dem psychologischen
Studium haben unsere Maler, auch einige der größten,
die Darstellung bewegter Figuren versäumt und vergessen.
Sobald es sich um Bewegung handelt, werden sie ängst-
lich und unbeholfen; vergebens sehen wir uns nach dem
Ansdruck einer genialen Keckheit um, der wir so gern
einige Zeichnungsfchler und schlechte Verkürzungen vcr-

* Auf der Ausstellung des Jahres J854 wäre» fünfmal
so viele Landschaften und dreimal so viele Genrestückc vor-
handen, als Historienbilder.

zeihen wurden! —Und nicht blos hieran fehlt es; selbst
die Perspektive ist auf Bildern namhafter Künstler be-
fremdlich mangelhaft geworden. Auch das Studium des
Helldunkels hat dabei gelitten; die Figuren der Mittel-
gründe erscheinen oft ohne die rechte Ferne auf einander
geschichtet, als säßen sie flach auf einem ausgeschnittenen
Brette. Ueberhaupr scheint jene leichte Virtuosität der
Darstellung, welche keine Schwierigkeiten mehr kannte,
aus der deutschen Malerei verschwunden zu seyn; auch
aus den besten Bildern sieht uns große Mühseligkeit in
Zeichnung, Composition und Colorit entgegen. Das
wird und muß anders werden, wenn ein historischer Styl
erwacht. Uebrigcns ist anzuerkennen, daß bei alle dem
das Colorit in der erfreulichsten Vervollkommnung be-
griffen ist. —

(Fortsetzung folgt.)

Lithographie.

Berlin.

Unter der großen Masse lithographirter Bildnisse,
die für den Bedarf des Lebens, für die Interessen der
Freunde und Verehrer ausgezeichneter Persönlichkeiten
gefertigt werden, und die besonders ans den hiesigen
Kunstwerkstätten in überaus reicher Anzahl hervorgehen,
taucht ab und zu auch ein Blatt hervor, das auf höhere
künstlerische Würdigung Anspruch hat. Dahin ist vor
vielen andern ein Blatt zu rechnen, das kürzlich in der
hiesigen Gropins'schen Buch- und Kunsthandlung (C. Rei-
marus) erschienen ist und das Bildniß der Kronprin-
zessin von Bayern enthält. Cs ist nach dem meisterlichen
Oelbilde von Vegas, das unmittelbar vor dem Ab-
schiede der lieblichen jungen Fürstin von ihrer Heimath
gemalt wurde, und das zu den besten Porträtbildern
unserer diesjährigen großen Ausstellung gehörte, von
V. Schertle lithographirr worden. Ganz abgesehen
von der sprechenden Aehnlichkcit, übt das Bild, welches
nur den Kopf bis zu den Schultern im kreisrunden Ein-
schlüsse enthält, durch den Ausdruck von Leben, Anmuth
und Charakter, so wie durch ächt künstlerische Anord-
nung, eine ungemein anziehende Wirkung ans. Der Li-
thograph hat die Eigenthümlichkeiten des Originals, und
namentlich den Schmelz des Vortrags, in dem Begas
fast einzig in seiner Art ist, vortrefflich wiedergcgeben.

Außer diesem liegen uns so eben noch ein Paar an-
dere lithographirte Bildnisse, beide von Mittag ge-
zeichnet und in der hiesigen Schlesinger'schcn Buch- und
Musikalienhandlung erschienen, vor. Es sind die Por-
träts der beiden Clavierheroen Liszt und Hensclt,
beide ebenfalls tüchtig gearbeitet. Besonders das Bild
Liszt's, nach eigner Originalzeichnung gefertigt, zeichnet
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