Kunst
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Donnerstag, -en 12. Januar 1843.
Uericht über V\c Kunstansstebung zu Derlin
im Herbste 1812.
(Fortsetzung.)
Doch wir kehren zur glomantik zurück. Von Rn hl
in Kassel finden wir hier den Tod der Bianca Capello,
ein Bild, dessen Intentionen nichts weniger als unbe-
deutend erscheinen, das aber, bei unverkennbarer Kraft
deS Ausdrucks, in Anordnung und Kolorit die ängst-
lichste Nachahmung des Paul Veronese erkennen läßt.
Ein sonderbares Zwielicht blitzt auf allen Gewandstoffen,
während der Grundton doch ei» todtcs Graubraun bleibt.
— Desselben Venezia ist eine kleine Wiederholung nach
Tizian; seine Fortuna mit ihren Günstlingen in einem
Garten dagegen erinnert an die Schule des Martin
de Noß, ist aber lauge nicht mit dem leichtfertigen Hu-
mor behandelt, den der Gegenstand erfordert. — Das
Kolorit der Bilder von AdolfTeichs in München leidet
an einem andern Fehler; es ist zu hell und fällt in's
Grünliche. Der Abschied eines Fürsten von seiner Ge-
mahlin, der im Catalvg als „der Abschied Heinrichs des
Löwen von Mathilde bei seinem Aufbruch zum Feldzuge
gegen die Mailänder" bezeichnet wird, ist auch in Zeich-
nung und Anordnung etwas schwach und theatermäßig.
Daß es Heinrich der Löwe sei)) mag man aus dem
Braunschweiger Löwen im Hintergrund am Ende noch er-
rathen können; daß aber der Feldzug gegen die Mailän-
der gehe, hat der Maler nicht mehr auszudrücken ver-
mocht. — Ein kleines skizziertes Genrebild, die Fahrt
zum Tournier, ist weit besser gelungen; Sänger, Ritter
und Mädchen lassen sich in einem Kahn über den Rhein
fahren. — Dante und Bcatrice, von Henry Delaborde
in Paris, erinnert in Kolorit und Zeichnung sehr an den
Abschied Heinrichs des Löwen; nur erscheint die Präten-
sion noch viel hohler. Wir möchten die französischen
Maler auf den Knieen bitten, wenigstens nicht mehr im
frommfiesolanischen Styl malen zu wollen; sie passen
einmal nicht dafür. (Ucbrigens muß Bcatrice im Ver-
hältnis; zu den vorderen Figuren, sobald sie von ihrem
Throne aufsteht, ein Geschöpf von neun bis zehn Fuß
Höhe seyn).
Ucberhaupt ist es fast traurig und jedenfalls bedenk-
lich zu sehen, von wie vielen Seiten her und wie er-
folglos die Anläufe auf einen historischen Styl gemacht
werden. Wir trösten uns mit der Hoffnung, daß
endlich die Sehnsucht ihr Ziel finden müsse; denn gar
zu betrübt wäre cs, wenn nun in alle Ewigkeit in der
Manier dieses oder jenes alten Malers fortgefahren
würde.
So sind hier auch einige Bilder, in welchen ein
heroischer Styl nach Art Michel Angelo's erstrebt zu
seyn scheint. So in einem Carton von Dähling dem
Acltern, der Anbruch des jüngsten Tages betitelt. Be-
deutende, ja großartige Intentionen fehlen darin keines-
weges, nur genügt leider die Form nicht, auf deren
freiem, spielendem Gebrauch doch allein eine heroische
Malerei basieren kann. Die Zeichnung ist in diesem
Carton und in drei anderen Zeichnungen befremdlich
mangelhaft, obschon auch die letzter» (besonders die „Ju-
belfeier") reich an poetischem Gehalte sind. — Fay in
Düsseldorf scheint sich vollständig auf die römische Schule
und ihre Tendenzen geworfen zu haben. Seine „Cleo-
patra," die wir voriges Jahr in Köln sahen, war in
den meisten Beziehungen so gelungen, daß wir unfern
Augen nicht trauten, als uns der Caralog das große
Bild, Simsvn und Delila nebst den Philistern darstel-
lend, als seine Arbeit bezeichnetc. Durch die wahrhaft
unerhörte Lage von Simson's Körper bildet sich ein sehr
unangenehmes Verhältniß der Massen, welches durch
bedeutende Mängel in Zeichnung und Modellirung erst
recht augenfällig wird. " Auch erinnern die von hinten
hereingreifenden Philister jeden Beschauer unwillkürlich
an die Mörder in den Söhnen Eduards. Wir hoffen,
das Bild, welches daneben auch manches Gute, im Ko-
lorit sogar sehr erhebliche Vorzüge enthält, bezeichne
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Donnerstag, -en 12. Januar 1843.
Uericht über V\c Kunstansstebung zu Derlin
im Herbste 1812.
(Fortsetzung.)
Doch wir kehren zur glomantik zurück. Von Rn hl
in Kassel finden wir hier den Tod der Bianca Capello,
ein Bild, dessen Intentionen nichts weniger als unbe-
deutend erscheinen, das aber, bei unverkennbarer Kraft
deS Ausdrucks, in Anordnung und Kolorit die ängst-
lichste Nachahmung des Paul Veronese erkennen läßt.
Ein sonderbares Zwielicht blitzt auf allen Gewandstoffen,
während der Grundton doch ei» todtcs Graubraun bleibt.
— Desselben Venezia ist eine kleine Wiederholung nach
Tizian; seine Fortuna mit ihren Günstlingen in einem
Garten dagegen erinnert an die Schule des Martin
de Noß, ist aber lauge nicht mit dem leichtfertigen Hu-
mor behandelt, den der Gegenstand erfordert. — Das
Kolorit der Bilder von AdolfTeichs in München leidet
an einem andern Fehler; es ist zu hell und fällt in's
Grünliche. Der Abschied eines Fürsten von seiner Ge-
mahlin, der im Catalvg als „der Abschied Heinrichs des
Löwen von Mathilde bei seinem Aufbruch zum Feldzuge
gegen die Mailänder" bezeichnet wird, ist auch in Zeich-
nung und Anordnung etwas schwach und theatermäßig.
Daß es Heinrich der Löwe sei)) mag man aus dem
Braunschweiger Löwen im Hintergrund am Ende noch er-
rathen können; daß aber der Feldzug gegen die Mailän-
der gehe, hat der Maler nicht mehr auszudrücken ver-
mocht. — Ein kleines skizziertes Genrebild, die Fahrt
zum Tournier, ist weit besser gelungen; Sänger, Ritter
und Mädchen lassen sich in einem Kahn über den Rhein
fahren. — Dante und Bcatrice, von Henry Delaborde
in Paris, erinnert in Kolorit und Zeichnung sehr an den
Abschied Heinrichs des Löwen; nur erscheint die Präten-
sion noch viel hohler. Wir möchten die französischen
Maler auf den Knieen bitten, wenigstens nicht mehr im
frommfiesolanischen Styl malen zu wollen; sie passen
einmal nicht dafür. (Ucbrigens muß Bcatrice im Ver-
hältnis; zu den vorderen Figuren, sobald sie von ihrem
Throne aufsteht, ein Geschöpf von neun bis zehn Fuß
Höhe seyn).
Ucberhaupt ist es fast traurig und jedenfalls bedenk-
lich zu sehen, von wie vielen Seiten her und wie er-
folglos die Anläufe auf einen historischen Styl gemacht
werden. Wir trösten uns mit der Hoffnung, daß
endlich die Sehnsucht ihr Ziel finden müsse; denn gar
zu betrübt wäre cs, wenn nun in alle Ewigkeit in der
Manier dieses oder jenes alten Malers fortgefahren
würde.
So sind hier auch einige Bilder, in welchen ein
heroischer Styl nach Art Michel Angelo's erstrebt zu
seyn scheint. So in einem Carton von Dähling dem
Acltern, der Anbruch des jüngsten Tages betitelt. Be-
deutende, ja großartige Intentionen fehlen darin keines-
weges, nur genügt leider die Form nicht, auf deren
freiem, spielendem Gebrauch doch allein eine heroische
Malerei basieren kann. Die Zeichnung ist in diesem
Carton und in drei anderen Zeichnungen befremdlich
mangelhaft, obschon auch die letzter» (besonders die „Ju-
belfeier") reich an poetischem Gehalte sind. — Fay in
Düsseldorf scheint sich vollständig auf die römische Schule
und ihre Tendenzen geworfen zu haben. Seine „Cleo-
patra," die wir voriges Jahr in Köln sahen, war in
den meisten Beziehungen so gelungen, daß wir unfern
Augen nicht trauten, als uns der Caralog das große
Bild, Simsvn und Delila nebst den Philistern darstel-
lend, als seine Arbeit bezeichnetc. Durch die wahrhaft
unerhörte Lage von Simson's Körper bildet sich ein sehr
unangenehmes Verhältniß der Massen, welches durch
bedeutende Mängel in Zeichnung und Modellirung erst
recht augenfällig wird. " Auch erinnern die von hinten
hereingreifenden Philister jeden Beschauer unwillkürlich
an die Mörder in den Söhnen Eduards. Wir hoffen,
das Bild, welches daneben auch manches Gute, im Ko-
lorit sogar sehr erhebliche Vorzüge enthält, bezeichne