Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
34.

Kunstblatt.

Donnerstag, den 27. April 1843.

Pariser Kunstbericht.

Ausstellung im Jahre fl§48.

In dem Kupferstichkabinet der königlichen Bibliothek
befindet sich eine Reihe von Katalogen aller Kunstaus-
stellungen, die seit Ludwig XIV. dis jetzt in Paris statt-
gefunden haben. Der erste dieser Kataloge ist vom
I. 1699 und begreift 290 Nummern. Die zweite Aus-
stellung fand im I. 1704 statt, und war die letzte unter
Ludwig XIV. Unter der Regentschaft wurde keine Aus-
stellung gehalten. Unter Ludwig xv. gab es deren vier
und zwanzig von 1737 bis 1773, unter Ludwig xvi.
neun, unter der Republik eben so viele, unter der Kai-
serherrschaft nur fünf, unter Ludwig xvnr. vier, unter
Karl X. nur eine im I. 1827. Seit der Julirevolutivn
haben deren zwölf stattgefundc». Die gegenwärtige Aus-
stellung ist seit der Entstehung unter Ludwig xiv. die
66ste, und die französischen Künstler haben innerhalb
eines Zeitraums von 144 Jahren 55,062 Kunstarbeiten
zur Anschauung des Publikums gebracht, die Hälfte da-
von (27,883) in den letzten zwölf Jahren. Diese unge-
mein gesteigerte Produktivität der neuesten Zeit erklärt
sich allerdings zum Theil aus der Vermehrung der Künst-
ler, hauptsächlich aber aus der Abnahme der großen hi-
storischen Stücke, welche die beständig im Wachsen be-
griffene Fluth der kleineren Staffcleigemälde bald gänzlich
aus den Ausstellungen zu verdrängen droht.

Es fehlt indessen der neuesten Ausstellung nicht an
großen historischen Bildern; die Regierung läßt
beständig sehr viele dergleichen ausführe»; aber es scheint,
als ob einzig und allein die Schncllmalerei für sie einen
Werth hat; die Kunst wird auf diese Weise zum schlech-
testen Handwerk herabgewürdigt. Nur ein einziges Werk
der höheren Historienmalerei macht eine rühmliche Aus-
nahme. Dieses ist der Prophet Jeremias, der in der
Gefangenschaft seine Weissagungen aufschreibe» läßt, von
Heinrich Lehmann. Zwar ist auch diese neueste
Arbeit unseres talentvollen, in Paris gebildeten und

ansäßigen Landsmannes noch mit einzelnen Stpllosig-
keitcn behaftet, indeß bei weitem gelungener und völlig
frei von jenen Uebertreibungen und Unschönheiten, die
wir voriges Jahr an seiner Geißelung rügen mußten.
Der Styl des Bildes hat im Ganze» etwas Ernstes und
Großartiges, das auf das Studium der Sirtina hin-
weiset. Den Mittelpunkt der Composition bildet die
Gestalt deS Propheten. Auf einer Anhöhe bei Jerusa-
lem liegt der gewaltige Greis halb aufgerichtct, die ner-
vigen, gefesselten Arme wider den Boden gestemmt, den
zornigen Seherblick auf die bedrohete Stadt zu seinen
Füßen geheftet, und dem jungen Baruch zu seiner Lin-
ken die prophetischen Worte verkündend, die ihm der
Geist des Herrn in der Gestalt eines hinterrücks sich
heranbeugenden Engels eingiebt. Der Kopf des Jere-
mias ist von würdigem Charakter und kräftigem Aus-
druck; doch verstößt das darum geschlagene gestreifte Tuch
zu sehr gegen die Gesetze der strengen stylistischcn Ma-
lerei, um nicht die Wirkung in etwas zu beeinträchti-
gen; das Gewand, das sich in ausgiebiger Masse von
den Hüften über die Beine herabzieht, ist dagegen von
schönem Falten, die ungesucht in ihrem Hauptzuge der
gespannten Lage des Leibes folgen und die Gestalt des-
selben erkennen lassen, ohne sie absichtlich zu sehr zu
zeigen. Der junge Baruch, obwohl in Form und Be-
wegung nicht ohne Verdienst, hat jedoch den Fehler,'
daß er eigentlich nur körperlich zugegen zu seyn scheint,
und die heftige Geberde des stürmisch herabschwebenden
Engels, der mit der einen Hand ge» Himmel, mit der
andern nach Jerusalem deutet, dünkt Eine» anfangs zu
leidenschaftlich für einen himmlischen Genius, bei nä-
herer Erwägung jedoch ganz angemessen für einen Boten
des alttestamcntlichen Gottes, der in Sturm und Don-
ner daherfährt, und mit Härte und Strenge über die
j Angelegenheiten der Menschen wacht; nur entsteht durch
die Art, wie der Engel die beiden Arme ausstrcckt und
sich auf's Knie niederläßt, nicht das glücklichste Linien-
verhältniß, und seht die rechte Hand am Knochelgelenk
Index
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen