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schienen mir aber nicht so fein in der Ausführung und
lebendig in der Zeichnung, als jene kleinern Eremplare
im Städelschen Kunstinstitut, dürften jedoch auf die
Spur führen, von welchem Maler sie gefertigt sind;
denn die schon erwähnten Mittheklungen vom Jahr 1822
enthalten eine Notiz aus de» Archiven der Karthause
von Miraflorcs bei Burgos, welche berichtet, daß ein
Johann aus Flandern (Juan Flamenco) in den
Jahren 1486 bis 1499 daselbst die Gemälde für beide Al-
täre der Laien malte, wofür ihm nächst dreijährigem
Unterhalt 53,545 Maravides bezahlt wurden. Die Ta-
feln auf der Seite des Evangelii hätten verschiedene
Momente aus dem Leben Johannes des Täufers vorge-
stellt und seyen vortrefflich im Kolorit, im Ausdruck
und der Vollendung gewesen. Die Gemälde auf der
Seite der Epistel seyen aber so verdorben worden, daß
man kaum auf dem einen den Gegenstand als eine An-
betung der Hirten erkannte. Diese Werke habe gleiches
Schicksal wie die übrigen in der Karthause befindlichen
Kunstwerke getroffen. — Sollten jene Bilder im Haag
aus demselben Orte stammen, wie der ans demselben
Wege und zu gleicher Zeit dahingekommene Reisealtar
von Roger, so unterläge es keinem Zweifel, daß fragliche
Bilder von jenem Johann aus Flandern gemalt sind,
der aber in keiner Weise mit Johann Memling identisch
wäre, wie man früherhin anzunehmen geneigt war.
Weitere Gemälde dieses Meisters sind mir keine zu Ge-
sicht gekommen und eben so wenig ist ermittelt, ob ein
Juan de Flandcö, von welchem die oben angezogenen
Mittheilungen vom Jahr 1822 berichten, daß er eilf
Tafeln für den Hauptaltar der Doinkirche zu Palcncia
im Jahr 1509 zu malen angefangen und sich verpflichtet,
um 500 Golddukaten die Arbeit in drei Jahren zu voll-
enden, derselbe Maler ist wie obiger Juan Flamenco,
obgleich die größte Wahrscheinlichkeit hiefür spricht.

Daß zu den deutschen Malern, welche Schüler des
Roger von Brügge gewesen, Friedrich Herlin ge-
höre, ist durch seine Benutzung von dessen Compositionen
hinlänglich begründet; nun erfahren wir ferner, daß
auch Martin Scböngauer bei dem Niederländer stn-
dirt hat. Dieses ließ die Verwandtschaft mit dessen Dar-
stellungsweise schon früher vermuthen, obgleich Meister
Martin, ein schöpferischer Künstler, sich in eigenthüm-
licher Weise entwickelte und weit bedeutender und origi-
neller als Friedrich Herlin unter den deutschen Malern
dasteht. Die oben erwähnte Nachricht enthält ein Brief
des Lambert Lombardus ans Lüttich, vom 27. April 1565,'
an Giorgio Vasari, worin er unter anderm schreibt:
„Wie in Italien von Giotto bis Donatello die Werke
der Meister noch unbeholfen waren, so auch in unser»

' Siche Gaye, Cartcggiv III. S. 177.

Ländern und überall in Deutschland bis zu den Zeiten
des Meisters Rogier und Johann von Brügge, welche
den Koloristen die Augen öffneten; diese haben nun, ihre
Manier nachahmend, aber nicht weiter vorwärts denkend,
unsere Kirchen voll von Werken gelassen, die nicht den
guten und naturgemäßen ähnlich sind, sondern nur eine
schöne Färbung haben. In Deutschland erhob sich da-
mals ein Martin Schon (Bel Martino), Kupferstecher,
der die Manier des Rogier, seines Meisters, nicht
verließ, jedoch die Güte in dem Kolorit nicht erreichte,
welche Rogier eigen war, indem er mehr dem Stechen
seiner Kupferdrucke oblag, die zu jener Zeit wunderwür-
dig erschienen und jetzt noch in gutem Rufe bei unfern
braven Meistern stehen; denn seine Werke sind, wenn
gleich trocken, dennoch von einer gewissen Vortrefflich-
keit." — Diese Angaben finden ihre vollkommene Bestä-
tigung vor den authentischen Gemälden von Martin
Schönganer in Colmar, namentlich bei der Maria im
Rosenhag, im Seitenschiff rechts der S. Martinskirche,
und dem tobten Christus auf dem Schooß der Maria,
in der dortigen Stadtbibliothek. Etwas freier und brei-
ter, aber sehr geistreich sind die zwei schmalen Tafeln
mit fast lebensgroßen Figuren behandelt, welche auf der
Außenseite den verkündenden Engel und die Maria dar-
stellen, während die innere die Geburt Jesu und die
einzelne Figur des heil. Anton zeigt. Diese Tafeln
stammen aus dem Antoniterklvster zu Jsenhcim.

Auch die Basler Bibliothekssammlnng besitzt vier
schmale Tafeln mit einzelnen weiblichen Heiligen, in dun-
kelgrauen Nischen stehend, von nnsers Meisters Hand;
es sind die heil. Barbara, Katharina, Margaretha und
Elisabeth von Thüringen (von beiden crstern sind nur
die ober» halben Figuren erhalten). Diese einzigen mir
bekannten Bilder von Martin Schönganer (aus seiner
Schule kenne ich noch viele) sind, wie auch seine Kupfer-
stiche, etwas mager in den Formen, aber von geistreicher
und wohlverstandener Zeichnung, wenn gleich in der
Feinheit den Werken des Rogier von Brügge nicht glcich-
zustellcn. Eben so verhält es jich mit seiner Färbung,
die zwar harmonisch und milde, jedoch nicht jenes Tiefe
erreicht; dagegen übertrifft er ihn in der Lieblichkeit der
Frauen- und Kinderköpfe, und erhebt sich noch höher in
dem Ausdruck der Milde und des Adels in dem Antlitze
Christi. Seine Bösewichter sind dagegen bis zur Carri-
katur verzerrt. — Da hier nur von dem Verhältniß
Martin Schöngauers zu seinem Meister Roger von
Brügge die Rede seyn soll, behalte ich mir vor, später-
hin über seine und seiner Schüler Werke und über dessen
Verwandte: Kaspar, Ludwig und Paulus in Colmar, von
dem Jahr 1445 bis 1493 weitere Nachrichten mitzntheilen.

(Fortseyling folgt.)
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