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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 25.1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.3206#0083
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82

England, um ihm einen weitern Bereich für seine Thä-
tigkeit und sein Talent zu ermitteln; doch die Anhäng-
lichkeit an die Heimath, ein sich so oft wiederholender
Zug in dem hessischen Volkscharakter, sowie die Hoffnung
auf eine günstigere Zukunft hielten ihn ab, daS wohl-
wollende Anerbieten zu ergreifen.

Und diese Hoffnung schien nicht ganz ohne Grund;
denn nachdem er das den tapfern bei der Eroberung
von Frankfurt am 2. December 1792 gefallenen Hessen
vom Könige von Preußen gewidmete Monument ansge-
führt, eröffnete sich die Aussicht auf eine größere, seinen
Talenten entsprechendere Arbeit. Auf die Postamente
des Perrons des damals im Baue begriffenen Corps de
Logis des Schlosses zu Wilhelmshöhe waren zwei kolos-
sale Statuen intendirt — wie dieses noch der architekto-
nische Entwurf Jnssow's zeigt — Mars und Minerva;
denn Mnth und Weisheit sollten die Pforten bewachen.
Aber man entschloß sich nachher eines andern, und die
beiden kleinen Modelle blieben Eigenthum des Archi-
tekten, während ein größeres Modell, bestimmt um dar-
nach den Marmor in Punkte zu setzen, vielleicht eine
der besten Arbeiten Rnhls, die, in Rom aufgestellt,
möglicherweise einen ähnlichen Wendepunkt für seine
Laufbahn gegeben haben könnte, als der Jason in der
ThorwaldsenS, später zerstört wurde.

Nicht besser erging cs — wenn auch ans andern
Ursachen — einer unvergleichlichen Charge, welche den
Kastellan der Löwenbnrg als Sancho Pansa mit der
frappantesten Achnlichkcit darstellte. Ueberhaupt hatte
Muhl die Gabe — und cs war dieses ein besonderes
Zeichen seines Talentes — sich mit Leichtigkeit der ver-
schiedensten Formen gleich glücklich zur Darstellung der
Ideen zu bemächtigen und jene mit diesen in Ueberein-
stimmnng zn bringen. Deshalb war ein Zug zur Kar-
rikatur auch nur eine nothwendige Folge das Prägnante
jeder Bildung zn erkennen und abgesondert, als eine
einzelne Erscheinung, hervorzuheben; wobei Auge und
Hand, beide gleich trefflich organisirt und bis in's späte
Alter sich beinahe gleichbleibend, ihn glücklich unterstützten.

Rnhl entschloß sich zu einem nochmaligen Besuche
von Paris, aber erst nach mehrfach abschlägiger Antwort
erhielt er den Urlaub dazu. Seit seinem ersten Ver-
weilen daselbst war Vieles anders geworden. Er hatte
Paris damals in dem bedeutungsvollen Augenblicke ver-
lassen, wo die Znsammenbernfnng der Notabeln Statt
fand; jetzt war Bonaparte Consnl, und Italiens Kunst-
schätze prangten als Trophäen in den dortigen Museen.
Aber dem Künstler konnte die Anschauung keine voll-
kommene Befriedigung gewähren, da er jene Schätze
früher unter einem lichtern Himmel unb im Zusammen-
hänge mit Umgebungen gesehen, aus denen die Geister
von Noms Vorzeit noch nicht ganz verbannt waren.

Mit der Beendung der Löwenbnrg zn Wilhelmshöhe
traf eine Marmorarbeit zusammen, welche Ruhl im
Aufträge des Kurfürsten verfertigte. Dieser ließ für sich
eine besondere Gruft unter der Kapelle der Löwenbnrg
erbauen, und beauftragte unfern Künstler dieselbe mit
einem Basrelief zn schmücken, welches den Eintritt des
Kurfürsten im Elysium zeige, wo derselbe von seiner
Mutter, der Landgräfin Maria, empfangen und seinen
Vorvätern zngestihrt werde. Er sollte sich streng an
diese Idee halten, und nur die Anordnung blieb ihm
überlassen. Der Marmor dazu kam, gleich dem für das
Grabmal des kurländischen Barons von Hahn (welches
Ruhl 1802 verfertigte), ans Carrara.

Doch bald brach jene schmachvolle Zeit heran, wo
Frankreichs Heere ihre siegreichen Waffen bis in das
Innerste von Deutschland trugen. Auch Hessen ging
unter, und Kassel wurde die Residenz des neuen König-
reichs Westphalen. Zwar auch mit dem Glanze der
Künste sollte der Thron Jerome's umgeben werden.
Während indeß Maler und Baumeister aus Paris be-
rufen wurden, schien doch kein Franzose den hessischen
Bildhauer ersetzen zn wollen, und durch ein Brevet
wurde Rnhl 1808 für die Dienste des Königs gewonnen.

Von mehrfachen bedenkenden Aufträgen, die in
Aussicht gestellt wurden, gingen in Folge der Geldbe-
dürfnisse für andere Zwecke und der vftcrn Personalver-
änderungen nur wenige in Erfüllung. Die Büste Je-
rome's wurde jedoch mehrmals in carrarischem Marmor
ansgeführt, so wie auch eine Statue eines Sohnes ans
der Ehe mit Miß Patterson. Auch sollte Ruhl eine
Statue des Königs verfertigen, und schon stand er im
Begriffe, zum Ankauf des Marmors nach Carrara zu
reisen, als die Leipziger Schlacht dem westphälischen
Königsthnm ein schnelles Ende brachte.

Schien es nun auch Bestimmung zn seyn, daß die
Gelegenheit zur Ausführung von Arbeiten umfassenderer
Art sich stets dann entzog, wann die Hoffnung der Ge-
währung schon nahe stand, so möchte eö doch als dop-
peltes Verdienst angerechnet werden können, daß weder
durch diese Ungunst des Geschickes, noch durch die oft
gänzlich verschlossene Aussicht, jener innere wahre Trieb
zum Bilden vermindert wurde, der vielmehr stets thätig,
immer eine ergiebige Quelle von Ideen und Kunstan-
schauungen blieb. Für sich auf ein solches Wirken be-
schränkt, nach außen hin aber hülfrcich eingreifend, zog
für unfern Künstler eine Reihe von Jahren in immer
gleichen ungestörten Verhältnissen vorüber, beglückt durch
dauernde Gesundheit und eine geistige Kraft, die noch
immer die Frische der Jugend trug.

Im Jahre 1815 war Rnhl zum Mitglieds der Zcich-
nnngsakademie zn Hanau ernannt worden, gleichwie ihm
1829 die philosophische Fakultät zu Göttingen und zwar.
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