2V 75.
Kunstblatt.
Dienstag, den 17. September 184L.
Das Museum des Lateran in Nom.
Wenn bei den unermeßlichen Schätzen antiker Kunst,
die in den letzten Decennien sich uns in den Grabkam-
mern Etruriens und Großgriechenlands erschlossen, fast
alle bedeutenden Museen sich der reichsten Erwerbungen
zu erfreuen hatten, so war vorauszusehen, daß auch die
Sammlungen Roms, als des Mittelpunkts aller Kunst-
studien, hinter den übrigen nicht zurückbleiben würden.
Das etruskische Museum des Vatikan legt davon Zeug-
nis, ab und bewahrt uns in seinen Vasen und Bronzen
Schätze, wie sie uns die Zukunft vielleicht nicht mehr
zu geben im Stande ist, wenn auch leider eingestanden
werden muß, daß wir durch die Sorglosigkeit und Bar-
barei vieler Ausgrabungen manchen unersetzlichen Ver-
lust zu beklagen haben. Mehr dem regen Studium,
als ähnlichen Entdeckungen im Bereiche der ägyptischen
Kunst ist es zu danken, wenn das Pontifikat Gre-
gors XVI. zugleich mit jener ersten Schöpfung eine
zweite, die des ägyptischen Museums, erstehen ließ.
Weniger schien gegenwärtig zn hoffen für die Bereiche-
rung der Sammlungen griechischer und römischer Mar-
morwerke. Die Forschung, durch die neuen Entdeckun-
gen getrieben, mußte sich von diesem Felde wenigstens
für den Augenblick etwas abwenden, und wie der Eifer
abnahm, schien sich auch die Ergiebigkeit des sonst so
fruchtbaren Bodens zu mindern. Dennoch sehen wir
jetzt plötzlich, ohne daß der Ruf großer Entdeckungen,
großer Anstrengungen vvrangcgangcn wäre, in den un-
tern Zimmern des Lateran ein Museum gegründet, das,
bereits das dritte unter der jetzigen Regierung, schon
jetzt an Reichthum viele der älter» Sammlungen römi-
scher Großen in Villen und Palästen übertrifft und sich
gewiß einst würdig den Hauptmuseen des Vatikan und
Kapitol anschließen wird. Fragen wir nach der Entste-
hung, so läßt sich nur sagen, daß zuerst das große
Athletenmosaik aus den Thermen Caracallas wohl aus
Mangel an Raum im Vatikan hier aufgestellt ward.
Dem ägyptischen Museum mußten bald darauf die Gyps-
abgüsse der äginetischen Statuen und eines Theils der
Sculpturen des Parthenon Platz machen. Einzelne Er-
werbungen, vor allem der Statue des Sophokles, der
Kaiserstatuen aus Cervetri, des Antinous aus Palä-
strina, der Lozanvschen Sarkophage schienen zunächst eine
vorläufige Aufstellung im Lateran erhalten zu haben,
bis endlich die nicht erschöpften Schätze der vatikanischen
Magazine sich öffneten und so in kaum einem Monat,
unter der Leitung des Direktors der vatikanischen Mu-
seen, de FabriS, ein neues Museum gebildet war.
Wie das etruskische ist es von seinem Gründer Gregv-
rianum genannt.
Es verdient eine besondere Anerkennung, daß man
in der neuesten Zeit kleine unscheinbare Reste alter Kunst
nicht mehr geringschätzig übersieht. Der Künstler weiß
auch aus dem Bruchstück die Hand des Meisters zu er-
kennen, und der Kunsterklärer oft aus Unbedeutendem
Folgerungen für wichtigere Werke zu ziehen. Solche
und darunter kostbare Fragmente besitzt das Museum
»eben seinen Hauptwerken in großer Zahl, und eS mochte
deshalb schwierig scheinen, in diesem Berichte dies ge-
nügend anzuerkeunen. Doch da er überhaupt auf Voll-
ständigkeit keinen Anspruch hat, sondern nur die erste
zusammenhängende Nachricht geben soll, so muß es hin-
reichen, im Allgemeinen auf die Freude und den Nutzen
aufmerksam zu machen, den ein genaues Studium des
Einzelnen erheischt. Deshalb scyen hier nur mit einem
Worte erwähnt die herrlichen architektonischen Fragmente
der verschiedensten Art, die fast einen ganzen Saal
füllen, besonders zwei Säulen und mehrere Stücke eines
Frieses, in deren arabeskenartigem Blättcrschmuck Ein-
fachheit und Eleganz der Anordnung sowohl als der
Ausführung gleich gerühmt zu werden verdienen.
Doch ich wende mich zu den größern Werken und
beginne mit den bedeutendsten, den Pvrträtfigure»,
unter denen die vor mehreren Jahren bei Terracina ge-
fundene Statue des Sophokles nicht nur dem Museum
Kunstblatt.
Dienstag, den 17. September 184L.
Das Museum des Lateran in Nom.
Wenn bei den unermeßlichen Schätzen antiker Kunst,
die in den letzten Decennien sich uns in den Grabkam-
mern Etruriens und Großgriechenlands erschlossen, fast
alle bedeutenden Museen sich der reichsten Erwerbungen
zu erfreuen hatten, so war vorauszusehen, daß auch die
Sammlungen Roms, als des Mittelpunkts aller Kunst-
studien, hinter den übrigen nicht zurückbleiben würden.
Das etruskische Museum des Vatikan legt davon Zeug-
nis, ab und bewahrt uns in seinen Vasen und Bronzen
Schätze, wie sie uns die Zukunft vielleicht nicht mehr
zu geben im Stande ist, wenn auch leider eingestanden
werden muß, daß wir durch die Sorglosigkeit und Bar-
barei vieler Ausgrabungen manchen unersetzlichen Ver-
lust zu beklagen haben. Mehr dem regen Studium,
als ähnlichen Entdeckungen im Bereiche der ägyptischen
Kunst ist es zu danken, wenn das Pontifikat Gre-
gors XVI. zugleich mit jener ersten Schöpfung eine
zweite, die des ägyptischen Museums, erstehen ließ.
Weniger schien gegenwärtig zn hoffen für die Bereiche-
rung der Sammlungen griechischer und römischer Mar-
morwerke. Die Forschung, durch die neuen Entdeckun-
gen getrieben, mußte sich von diesem Felde wenigstens
für den Augenblick etwas abwenden, und wie der Eifer
abnahm, schien sich auch die Ergiebigkeit des sonst so
fruchtbaren Bodens zu mindern. Dennoch sehen wir
jetzt plötzlich, ohne daß der Ruf großer Entdeckungen,
großer Anstrengungen vvrangcgangcn wäre, in den un-
tern Zimmern des Lateran ein Museum gegründet, das,
bereits das dritte unter der jetzigen Regierung, schon
jetzt an Reichthum viele der älter» Sammlungen römi-
scher Großen in Villen und Palästen übertrifft und sich
gewiß einst würdig den Hauptmuseen des Vatikan und
Kapitol anschließen wird. Fragen wir nach der Entste-
hung, so läßt sich nur sagen, daß zuerst das große
Athletenmosaik aus den Thermen Caracallas wohl aus
Mangel an Raum im Vatikan hier aufgestellt ward.
Dem ägyptischen Museum mußten bald darauf die Gyps-
abgüsse der äginetischen Statuen und eines Theils der
Sculpturen des Parthenon Platz machen. Einzelne Er-
werbungen, vor allem der Statue des Sophokles, der
Kaiserstatuen aus Cervetri, des Antinous aus Palä-
strina, der Lozanvschen Sarkophage schienen zunächst eine
vorläufige Aufstellung im Lateran erhalten zu haben,
bis endlich die nicht erschöpften Schätze der vatikanischen
Magazine sich öffneten und so in kaum einem Monat,
unter der Leitung des Direktors der vatikanischen Mu-
seen, de FabriS, ein neues Museum gebildet war.
Wie das etruskische ist es von seinem Gründer Gregv-
rianum genannt.
Es verdient eine besondere Anerkennung, daß man
in der neuesten Zeit kleine unscheinbare Reste alter Kunst
nicht mehr geringschätzig übersieht. Der Künstler weiß
auch aus dem Bruchstück die Hand des Meisters zu er-
kennen, und der Kunsterklärer oft aus Unbedeutendem
Folgerungen für wichtigere Werke zu ziehen. Solche
und darunter kostbare Fragmente besitzt das Museum
»eben seinen Hauptwerken in großer Zahl, und eS mochte
deshalb schwierig scheinen, in diesem Berichte dies ge-
nügend anzuerkeunen. Doch da er überhaupt auf Voll-
ständigkeit keinen Anspruch hat, sondern nur die erste
zusammenhängende Nachricht geben soll, so muß es hin-
reichen, im Allgemeinen auf die Freude und den Nutzen
aufmerksam zu machen, den ein genaues Studium des
Einzelnen erheischt. Deshalb scyen hier nur mit einem
Worte erwähnt die herrlichen architektonischen Fragmente
der verschiedensten Art, die fast einen ganzen Saal
füllen, besonders zwei Säulen und mehrere Stücke eines
Frieses, in deren arabeskenartigem Blättcrschmuck Ein-
fachheit und Eleganz der Anordnung sowohl als der
Ausführung gleich gerühmt zu werden verdienen.
Doch ich wende mich zu den größern Werken und
beginne mit den bedeutendsten, den Pvrträtfigure»,
unter denen die vor mehreren Jahren bei Terracina ge-
fundene Statue des Sophokles nicht nur dem Museum