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^^2520 G^tS^rav'-

niachten Anspruch auf volles künstlerisches Anerkenntniß. Aber
die Kunstfreunde standen vor diesen Blättern und wußten nicht,
was sie dazu sagen sollten. War hier irgendwo von Cornelius'-
scher Kompositionsweise eine Spur? nur hin und wieder erinner-
ten einzelne Gestalten, einzelne Bewegungen an seine Vortrag-
weise; im Ganzen mochte man diese Blätter, wenigstens dem
Prinzip nach, etwa mit Retzsch vergleichen, an den ein paar
Kompositionen auch auffallend erinnerte». Doch hatte man auch
bei Retzsch keineswegs diese gänzliche Gleichgültigkeit gegen die
Bedingnisse der natürlichen Form gesehen. Allenfalls nur die
kleinen Füßchen der Kämpfer des heiligen Grabes mochten sich
ähnlich bei ihm vorfinden; so verzwickte Hände, so formlose
Gewandungen, wie hier, sind in seinen Kompositionen schwerlich
enthalten; noch weniger 9'/r Kopflängen hohe Gestalten, wie
sie hier mehrfach Vorkommen, oder gar ein Tancred, wie der
auf dem fünften Blatt, der die Clorinde tauft, mit einer
Hüftenbildung, die allen Gesetzen des menschlichen Körpers,
zumal des männlichen, Hohn spricht. — Sie zürnen mir viel-
leicht, mein Freund, daß ich über einen so vielfach bewunderten
Meister mit solchen Worten zu reden wage. Ich bitte, nehmen
Sic die Blätter zur Hand und widerlegen Sie mich, wenn Sie
es vermögen. Und kehrte uns ein Rafael wieder und wollte
uns Arbeiten der Art unter der Autorität seines Namens auf-
dringen, ich würde sic mit Entrüstung von mir weisen.

Es konnte nicht fehlen, daß man sich Cornelius gegenüber
in einer wahrhaft peinlichen Stellung befand. Man athmete
wieder auf, als er mit Leistungen hervortrat, die endlich der
Würde seines Namens entsprachen und die es bekundeten, daß
feine eigenthümliche Schöpferkraft doch noch ungebrochen war.
Dieß waren die Kompositionen zu dem sogenannten „Glaubens-
schilde," den unser König zum Pathengeschenk für den Prinzen
von Wales anfertigen ließ. Der Schild ist nach den Zeichnun-
gen von Cornelius und nach den Entwürfen von Stiller
für die Gesammtanordnnng und für das Ornamentistische von
A. Fischer modcllirt und der Bronzeguß von A. Mertens
ciselirt; zwölf geschnittene Steine, die ihn gleichfalls schmücken,
rühren von Calandrelli her. Er ist schon vor einiger Zeit
an seine Bestimmung abgegaugen und war vorher im hiesigen
Kupferstichkabinet öffentlich ausgestellt. Die Zeichnungen sind
unlängst im Kupferstich und zwar ebenfalls in Umrissen erschie-
nen. * Der Schild hat eine kreisrunde Gestalt. In der Mitte
ist ein Medaillon mit dem Brnstbilde des Erlösers. Bon dem
Medaillon gehen vier breite Bänder, ein Kreuz bildend, aus,
die mit kleinen arabeskenartigen Kompositionen ausgefüllt sind,
Darstellungen von vier christlichen Kardinalstugenden (Glaube,
Liebe, Hoffnung, denen als vierte etwas willkürlich — denn sie
gehört einem andern Jdeenkreise an — die Gerechtigkeit zuge-
fellt ist) und von den vier Evangelisten enthaltend. In den
vier Dreieckfeldern zwischen diesen Bändern sind die beiden
Sakramente der protestantischen Kirche und zwei alttestament-
liche Sceuen aus dem Kreise derer, welche die mittelalterliche
Symbolik als Vorbilder zu jenen auffaßt, enthalten. Dieß
sind schon ziemlich fignrcnreiche Kompositionen, der Mehrzahl
nach indcß nicht eben sehr bedeutend und im Ganzcnnicht ohne eine
gewisse Flauheit der Linienführung behandelt. Am charakteristisch-
sten an ihnen erscheint mir ein gewisses ekstatisches Element,
das hier und dort hervortritt und namentlich in der Darstellung

1 Entwürfe zu den Bildern, einzelnen Figuren und Arabesken,
welche auf dem von Sr. Majestät dem Könige Friedrich Wilhelm IV.
dem Prinzen von Wales als Pathengeschenk übersandten Schilde
dargcstellt sind, von vr. Peter v. Cornelius. Gestochen von
A. Hoffmann. Die architektonischen Verzierungen gestochen von
L. A. Schubert. Berlin, Verlag von Dietrich Neimcr, 1817.—
Ein Tcrtblatt und 6 Kupserblätter im größten Qnersolio.

des Abendmahls zu einer allerdings großartigen und effektvoll
bewegten Komposition geführt hat. Jndeß will die Gewaltsam-
keit, mit der das Mysterium uns hier dargelegt wird — Chri-
stus, hocherhobc» hinter dem Tische stehend und Brod und Wein
mit ausgebreiteten Händen emporhaltend, während die Jünger
von schauernder Begeisterung erfüllt sind — unserer heutigen
Schriftauffassung etwas fremd bedünken und dürfte namentlich
dem Wesen der protestantischen Lehre nicht ganz entsprechen.
Die sämmtlichen bisher genannten Darstellungen werden von
einem Ring umfaßt, in welchem ornamentistische, durch Trau-
ben und Aehren bezcichnete Felder mit zwölf andern abwechseln,
die die einzelnen Gestalten der zwölf Apostel enthalten. (Die
letzteren bestehen in dem Schilde selbst in geschnittenen Onyren.)
Das Ganze endlich wird von einem breiten Rundfries umschlos-
sen, der rücksichtlich der künstlerischen Ausführung die gediegen-
sten der eigentlich bedeutenden Kompositionen des Werkes ent-
hält. Es ist eine geistreiche und sich vortrefflich entwickelnde
Folge von Scenen, welche die Besiegelung des Christenthums,
die Gründung der Kirche und das besondere Ereigniß, dessen
Erinnerung der Schild gewidmet ist, zum Inhalt haben. So
sehen wir zunächst den Einzug Christi im festlichen volkreichen
Zuge; Engel tragen ihm die Passionsinstrumente vor, dem
jubelnden Volke entgegen; Jerusalem, als allegorische Gestalt,
sitzt in gedankenvoller Trauer am Thvre der Stadt. Dann folgt
der Verrath des Judas; unmittelbar darauf die Grablegung,
die Auferstehung Christi, das Pfingstfest, die Taufe der Völker.
Ein anglikanischer Bischof wendet sich von hier zur Taufe nach
dem Gemach der Königin Victoria. Wir sehen das Innere
desselben (die Personen, wie auch im Folgenden, nach antiker
Art idealisirt). Wellington und Prinz Albert sitzen harrend am
Ufer; vor ihnen steht der heil. Georg, der Schutzpatron Eng-
lands , die Hand grüßend dem Prenßenkönige entgegengestreckt,
der zu Schiffe naht. Ein Engel führt das Steuer des Schiffes;
Flußgötter sind an der diesseitigen und jenseitigen Küste be-
merklich. Die Sceuen, zunächst die der biblischen Geschichte,
sind hier mit ungemein glücklichem, ächt künstlerischem Sinne
behandelt; es ist eine edle Grazie, eine Milde und Würde
darin, die wir in der That nur in Cornelius' reinsten Arbeiten
wiederfinden. Die Gruppenanordnung, die bei der Frieskompo-
sition freilich einfach war, doch darin auch wieder eigenthüm-
liche Schwierigkeit haben mochte, ist überall klar und harmonisch,
die Gestaltung im Einzelnen voll schönen Lebensgefühles, in
der Gewandung nur noch wenig von dem lässigen Wesen, das
sich Cornelius bei seinen späteren Arbeiten in München nicht
allzu übel genommen hatte, und im Ausdruck (wie cs z. B. in
der Scene des Judas der Fall ist) nur wenig Forcirtes und
Uebertriebenes. Sehr eigenthümlich machen sich die Schluß-
scenen des Frieses. St. Georg steht als prächtiger jugendlicher
Held auf dem Ungethüm da, dem er den Tod gegeben hat. Das
Schiff des Preußenkönigs, in antiken Formen phantastisch ge-
schmückt und verziert, gibt zugleich den treibenden Kräften des
Dampfschiffes eine wundersam mährchcnhafte Eristenz. Ein
Feuerdämon ist an seinen Bord gefesselt und theilt mit gewal-
tigem Arm die Wogen; ein Kandelaber ist mit dem grotesken
Kopfe eines Winddämons, der mit Macht den Dampf ansstößt,
gekrönt. Der König sitzt inmitten des Schiffes in weitem,
muschelgeschmücktem Pilgermantel, mit Pilgerstab und Pilger-
hut, welcher letztere oberwärts als Krönchen ausgezackt ist. Drei
andere Personen auf dem Schiffe tragen, wie der König,
Porträtzüge; der Tert nennt sie uns als Alexander v. Humboldt,
General v. Ratzmer und Graf v. Stvlberg.

Was haben Sie, mein Freund? was lächeln Sie? Bezwei-
feln Sie es, daß ich, der ich überall in der Kunstwelt zu krit-
teln und zu mäkeln finde, von den Schönheiten dieses Werkes
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