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159 QSf3~>-

,„it Ueberzeugung gesprochen habe? — Za so! Es ist noch ein
Punkt, über den Sie Auskunft verlangen. Sie meinen, jene
biblischen Darstellungen hätten doch die größten Momente der
Geschichte des menschlichen Geschlechtes, deren die Vorwelt sehn-
suchtsvoll geharrt hatte und auf denen der Bau der Nachwelt
errichtet ist, zum Gegenstände. Sie fragen, welch ein neues
welthistorisches Ereigniß es sey, das hier jenen Sceneu in
gleichberechtigter künstlerischer Ausdehnung gegenübergeführt
wird, welche Bedeutung für die Volker der Erde jener wunder-
same Wafferzng des pilgernden Königs habe, der hier geradehin
wie ein Gegenbild des Zuges des Weltcnerlvsers, mit dem die
Darstellungen beginnen, erscheint? — Ich bin nicht berufen,
Ihnen hierauf Antwort zu geben; fragen Sie den Künstler!
Soviel ich weiß, war es freilich nur ein Privatbesuch, dessen
Erinnerung den betheiligten erlauchten Personen immerhin sehr
Werth seyn dürfte, der aber allerdings wohl keine welthistorische
Bedeutung hat. Der Schild ist eben eine Dekorationsarbeit für
die Privatzwecke königlicher Kreise, und ich habe schließlich nur
noch hinzuzufügen, daß die technische Ausführung von Seiten
der verschiedenen Künstler, die man dazu in Anspruch genom-
yien, vorzüglich gelungen war.

Der eigentliche Zweck, der sich an Cornelius' Anwesenheit
in Berlin knüpft, bezieht sich, wie Sie wissen, auf die bild-
lichen Ausschmückungen, mit denen der Campo santo, die fürst-
liche Begräbnißhalle neben dem künftigen neuen Reichsdome,
versehen werden soll. Cornelius hat sämmtliche Kompositionen
dazu bereits entworfen und es sind auch sie kürzlich im Umriß-
stiche (dem Bernehmen nach von Thäter) erschienen. * Cor-
nelius hat hierin ein ungemein reiches Werk geliefert; der den
Stichen beigegebene erläuternde Tert bezeichnet es geradehin als
das umfassendste Werk seiner schöpferischen Thätigkeit. Mit
vollster Hingebung spreche ich es aus, wie es auch schon von
so mancher andern Seite geschehen, daß der Meister in diesen
Entwürfen wieder ganz auf der Höhe seiner Kunst steht, wenig-
stens was die Komposition an sich und diejenigen Elemente
derselben, die in der kleinen Umrißzeichnung ersichtlich werden,
betrifft. Es ist eine Größe und Energie in diesen Darstellun-
gen, die der Grundrichtung entspricht, welche ihm von früh an
eigen war, die aber hier das Gewaltsame und Uebertriebene,
was in seinen früheren Werken oft störend entgegentritt, zu-
meist sehr glücklich überwunden hat. Es ist eine Sicherheit
und charaktervolle Bestimmtheit darin, die jeder Scene eine
Wirkung von schlagend dramatischer Kraft gibt. Es verbindet
sich damit, trotz des Skizzenhaften der Behandlung, ein sehr
edles stylistftchcs Gesetz, das in dem Rhythmus der Gruppen
und Gestalten sowohl als in der Behandlung der Gewandung,
welche letztere, wie bemerkt, i» Cornelius' späteren Werken
bis dahin nicht gar selten einen etwas schlaffen Charakter an-
genommen hatte, überall vorherrscht. Es sind endlich, neben
der freien und selbstständigen Auffassung bekannter Scenen auch
deren, und zwar vorzüglich bedeutende, vorhanden, die dem
Kunstgebiet ganz neue Anschauungen zuführen. Nur in Betreff
des tiefen geistigen, gewissermaßen dogmatischen Zusammen-
hanges, den diese Arbeiten haben sollen, der bei ihnen eben-
falls mit nicht geringerem Ruhme hervorgehoben ist und aus
den Cornelius selbst ein erhebliches Gewicht zu legen scheint, *

1 Entwürfe zu den Fresken der Fricdhofshalle zu Berlin, von
Ur. Peter v. Cornelius. Leipzig, 1848, Georg Wigands Ver-
lag. Ein Bogen Tert und 11 Kupferblättcr in größtem Oucrfol.

2 Er hat dieß Werk in seinem Denkschreibcn an die philo-
sophische Fakultät zu Münster, nachdem dieselbe ihn zum Doktor
ernannt, geradezu als seine Doktor-Dissertation bezeichnet und dieß
ausführlich motivirt. Vcrgi. das Kunstblatt vom Jahr 1845, Nr. 7,
S. 28.

muß ich mir erlauben, wieder einige ketzerische Bedenken aus-
zusprechen.

Die vier Wände der Halle, die, wie ich in meinem früheren
Briefe bereits bemerkte, den Klosterhöfen oder Kreuzgängen
ähnlich angeordnet werden soll, sind eine jede auf eine Aus-
dehnung von 180 Fuß bestimmt. Sie sollen sämmtlich ganz
mit Malereien bedeckt werden. Cornelius hat die Einrichtung
getroffen, daß die vorzüglichst wichtigen Scenen seiner Darstel-
lung jedesmal als Hauptbilder in der Mitte stehen, denen sich
unterwärts ein längliches Predellenbild, oberwärts ein Lunetten-
bild im flachen Bogen anreihen. In den Ecken bei diesen Bögen
erscheinen kleine, zumeist vrnamentistische Darstellungen. Unter-
brochen wird diese ganze Anordnung in wechselnder Folge durch
(gleichfalls gemalte) Nischen, die auf verschiedenartig dekorirten
Nntersatz sehr kolossale Gruppen, je eine männliche oder weib-
liche Gestalt und je zwei Kinderfiguren enthalten. Es erschei-
nen demnach 16 Hauptbilder, 15 Predellen- und ebensoviel
Lunetteubilder und 8 Gruppen der eben angedeuteten Art. Als
Grundthema der Darstellungen wurde schon vor einiger Zeit
in einem gewissermaßen offiziellen Bericht, den die frühere hie-
sige Staatszcitung über ihren Inhalt gab, der Ausspruch des
Paulus (Römerbrief 6, 23) angeführt: „Denn der Sold der
Sünde ist der Tod, die Gnade Gottes aber ist das ewige Leben
in Christo Jcsn unserm Herrn." Dieß entwickelt sich in mannig-
fachen Darstellungen aus dem Leben des Erlösers, mit gelegent-
licher Bezugnahme auf Momente des alten Testaments, aus der
Geschichte der Apostel und der Offenbarung Johannis, durch-
flochtcn mit der steten Hindeutung auf die Seligkeit in der
Vereinigung in Gott, nach den acht Seligkeiten der Bergpredigt,
welche in symbolischer Darstellung in jenen acht Nischengrnppen
enthalten sind.

Folgendes ist die Nebersicht des Inhalts:

A. Erste Hauptwand. Ostscite. Durch den in der Mitte
befindlichen Eingang in die Königsgrust in zwei gleiche
Theile getheilt. Hauptinhalt: Die Erlösung von der Sünde.
Rechts von der Gruft:

I. Lunettenbild. Der segnende Jehovah.

Hauptbild. Christi Geburt, Anbetung der Könige und
Hirten.

Predellenbild. Sündenfall und Strafe der ersten Menschen.

Gruppe. „Selig sind die Armen im Geist."

II. Lunettenbild. Klagende Engel.

Hauptbild. Klage über dem Leichnam Christi.

Predellenbild. Arbeit der ersten Menschen und Brudcrniord.
Links von der Gruft:

III. Lunettenbild. Christus nimmt die Sünder — Adam,

Eva, David, Salomo, Magdalena, den Schächer und
Petrus — zu seiner Herrlichkeit auf.

Hauptbild. Christus heilt den Gichtbrüchigen.

Predellenbild. Christus warnt vor der Heuchelei der
Pharisäer.

Gruppe. „Selig sind die Traurigen."

IV. Lunettenbild. Wieder die Aufnahme des Sünders (ein-

zeln personificirt) in die Herrlichkeit Christi.

Hauptbild. Christus vergiebt der Ehebrecherin.

Predellenbild. Noahs Dankopfer und Bund mit Jehovah.

L, Zweite Hauptwand. Westseite. Hauptinhalt: Die
Göttlichkeit des Erlösers. (Bezug der Seitenbilder I.
und HI. auf das Mittelbild.)

I. Lunettenbild. Der barmherzige Samariter.

Hauptbild. Auferweckung des Jünglings zu Nain.

Predellenbild. Davids Tanz vor der Bnndeslade.

Gruppe. „Selig sind die Barmherzigen."

II. Lunettenbild. Auferstehung Christi.
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