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und indem er seine Grundsätze mit außerordentlicher Kraft
und Consequenz an seinen Werken darstellte; ein Haupt-
verdienst seines Strebens ist, daß er eine strenge Zeich-
nung einführte, einen Vortheil, der unter seinen Vor-
gängern zu keiner solchen Höhe gebracht war, und denen,
die ihn vielleicht jezt unbillig geringschätzen, noch zu Gute
kommt. Demungeachtet aber konnte ein System nicht be-
stehen , das nicht sowohl aus innerer Originalität ent-
sprungen, als aus äußeren Elementen znsammengebant
war. Die Begeisterung, welche David ansenerte, war
eine politische, durch den wilden Umschwung jener Zeit ver-
anlaßt : so wie ihr die Gegenwart nicht mehr entsprach,
verlor sic sich von selbst, und der Pinsel, welcher die Hel-
dengeschichtcn der römischen Republik gemalt hatte, stellte
willig den unumschränkten Beherrscher von Frankreich dar.
Bey mehreren Anhängern der Schule artete das allzuaus-
schließliche Studium der antiken Formen und Gegenstände
in Fadheit, Ziererei) und überladenen Putz aus, und die
Malere» ward auf der einen Seite eine bloße Schmeich-
lerin der Sinnlichkeit, während ans der andern das Be-
streben effektvolle Motive zu wählen, den Zuschauer zu
erschüttern, die widerwärtigsten Bilder zum Vorschein
brachte. So läßt sich wohl denken, daß David selbst, un-
geachtet seine Grundsätze und Auffassungsart sich schnell
in Frankreich, den Niederlanden, Spanien und Italien
verbreiteten, endlich die Mängel derselben, und dieNoth-
weiidigkeit einsah, sich der Natur zuzuwenden. Wenn
wir ihn aber von nun an die gemeine Natur zum Modell
nehmen und Gegenstände wie Amor und Psyche und das
znlezt genannte Gemälde, auf schlüpfrige Art componiren
scheu, müssen wir da nicht zweifeln, ob er jemals vom
Aechten und Erhabenen der Kunst wahrhaft durchdrungen
gewesen?

Lethiöre, von welchem ein großes Bild, die Hin-
richtung der Söhne des Brutus, in der Gallerie Lurem-
bvnrg hängt, ging ernsthafter auf dem von David ange-
zeigten Weg, indem er das Theatralische mehr vermied,
und seine Charaktere und Motive reiner aus der Natur
schöpfte. Das angeführte Bild ist davon ein Beweis, ob-
gleich die Wahl des Gegenstandes unglücklich, und die
Zeichnung nicht so richtig und edel ist wie bey David.

Unter den Meistern, die aus David's Schule hervorge-
gangen, oder Anhänger ihres Systems geblieben sind, ist
Giro de t zuerst zu nennen. Er hat sich durch seine
Scene aus der Süudfluth und seine Empörung von Cairo
Anspruch auf den Namen eines tüchtigen Historienmalers er-
worben, obgleich in beyden Gemälden die Gränzlinie über-
schritten ist, welche die Historienmalerry von der Dar-
stellung des Gräßlichen abhalten soll. Und wie er die
Schranken seiner Kunst auf der Seite dcö Tragischen ver-
kannte, so verirrte er sich andrerseits, wen» wir uns so
auödrücken dürfen, in eine mystische schwebelnde Lyrik,

t die den ganzen Gedanken einer Composition auf die Spitze

- eines malerischen Effekts, einer Spielerey des gewandten

- Pinsels stellt, und statt ansprechend und natürlich zu

- seyn, undeutlich allegorisch wird. So beruht die ganze
, Poesie des (höchst unnatürlich colorirten) Endymion *)
e in dem Mondstrahl, welcher durch die von Amor

- zurückgebogenen Zweige auf die Lippen des Schläfers

- fällt; in der unglücklich componirten Galatea **) auf
t dem Uebergang des weißen Marmors in rosenfarbencs
c Fleisch; nicht minder unverständlich und wunderlich durch

- den Cvntrast idealer und wirklicher Gestalten, nebulistischen
. und natürlichen Colvrits, sind seine französischen Helden,

die von Ossians Geistern im Elysium empfangen wer-
' den. ***) Einfacher und wahrer im Gedanken und Aus-
druck ist seine Grablegung der Atala, die auch in Hin-
sicht der Zeichnung und Farbe leicht das vorzüglichste sei-
ner Bilder seyn möchte. ****)

Die sogenannte Korrektheit der Zeichnung, welche die
David'sche Schule weniger in der Naturtreue, als in ei-
ner gewissen systematischen, mehr scheinbar als wahrhaft
von den Antiken entnommenen Eleganz der Formen such-
te, führte auch in Anordnung und Beywerken, ja selbst
in der Wahl der Gegenstände zum Eleganten und Leeren.
Dieß zeigt sich hie und da schon bey Girodet, noch mehr
aber bey Pierre Guörin, Schüler von Regnault,
der in Erfindung und Ausführung die Prinzipien der
David'schen Schule auf Ertreme trieb. Nur in seiner
Andromache, welche vor Pyrrhuö um das Leben des
Astyanar fleht, ist die Gruppe der Mutter und des Kin-
des ungesncht wahr und natürlich; dagegen die colvssalc Cly-
temnestra. Mein, Begriffist, den schlafenden Agamemnon zu
tobten, dünkt uns höchst theatralisch; endlich sein Aeneas,
welcher der Dido seine Abenteuer erzählt, -s) ist ei» heroi-
sches Eonversationsstück, mit so leeren Köpfen und so zier-
lich ausgeschmückt, daß selbst entschiedene Bewunderer die-
ser Schule es ganz treffend mit dem Putzladen einer Mo-
dehändlerin verglichen haben. Aurora und Cephaluü, ein
Gemälde von ihm bey Gr. Sommariva, hat ebenfalls durch
die elegante Koketterie, die darin herrscht, sein Glück ge-
macht. Zn der Färbung ist Guörin sehr klar, aber nie
so kräftig als Girodet und David.

Ihn übertrifft in dieser Hinsicht Paul in Guörin,
der auf demselben Wege geht, und nicht gehaltvoller an
Erfindung ist.

M e y n i e r, ein Schüler von Vincent, mag
chier noch genannt werden, da er im Ganzen wohl

Im Pallast Luxembourg.

**) In der Sammlung des Gr. Sommariva.

»**) In der Gallerie des Herzogs von tzeuchtciiberg
*♦**> Ebenfalls im Luxembourg.

7) Diese drcy Gemälde sind im Luxembourg.
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