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Nr. 62

K u n ft - B l a t t.

Montag, den 2. August 1824.

Lithographie.

Die Sammlung alt -- nieder - und oberdeutscher
Gemälde der Brüder S. und M. Boisscrec
undI. Bertram, lithographirt von ©trimer.

(Fvrrfttzlmg zu Nr. 45.)

Nr. i3. Die Verkündigung, nach 2- van

Eyck.

Vergleicht man dieses herrliche Bild mit derselben
Vorstellung des Givv. Angelico da Fiesole, der einige
Iabre später lebte, als van Evck, so steht der Italiener,
bcy all seiner Vortrefflichkeit, doch gegen den Niederlän-
der hier im Nachtbeile. 2» dem Gemälde des ersten sind
die bevden Figuren durch einen weiten, leeren Zwischen-
raum getrennt, was, bey den streng symmetrisch geordneten
Bauwerken, um so unangenehmer auffällt. Den Umriß
der weiblichen Gestalt, so weit sie nicht durch den Mantel
verhüllt ist, bat die Hand des frommen Klosterbruders
mit sichtbarer Schüchternheit entworfen. Das Gewand
feines Engels ist von etwas bizarrer Form, und die
Schwingen desselben sehen aus wie eine Flugmaschine.
Der Effekt von Schatten und Licht fehlt ganz. 2» van
Epcks Bilde ist nicht nur die Zeichnung besser verstanden,
sondern auch die biblische Erzählung treuer und anmu-
thiger aufgefaßt, und wenn der Bruder Angelico blos die
fromme Ergebung Mariens in den Willen des Herrn
auszudrücken wußte, so sehen wir bey dem Niederländer
auch zugleich die jungfräuliche Verwirrung. Wer das Ori-
ginal in der Boisser-c'scben Sammlung gesehen, dem ist
gewiß davon ein freundlicher Eindruck geblieben, da sich
das Gemälde nicht nur durch eine schöne Wahrheit und
zarte Gemüthlichkeit in der Darstellung auszeick.net, son-
dern überdies- durch seinen bedeutsamen Lichteffekt und
die Kraft und Harmonie seiner Farbe. — Das Strirner'-
sche Blatt gibt einen vollständigen Begriff von dem Urbil-
de, und ist mit sinnigem Fleiße ausgeführt. Was wir
über die lithographische Behandlung zu sagen haben, soll
zum Schluffe dieser Uebersicht »erspart werden.

Nr. 14. Eine Verkündigung, nach einem
Schüler Meister Wilhelms.

Diesem Künstler, welcher Schule er auch angehören
mochte, fthlt (wie so vielen dramatischen Dichtern) das
Vermögen, seine Figuren so zu stellen und zu halten,
daß ihre gegenseitige Einwirkung sichtbar werde. Aber
die Cvmpositivn hat so etwas heitres, kindliches und un-
schuldiges, daß das reine Gemüth des M»i,ra ^rin.
wie in einem treuen Spiegel erscheint. Der lichtgclbe
Grund ist hier von.besonders guter Wirkung, und'löst
das Ganze gleichsam ab von aller irdischen Berührung.

Nr. >5. Eine Flucht nach Aegypten, nach
Patenter, gez. von H. 2ungerm ei er.

Patent er, der Zeitgenosse Dürers, welcher auch
sein Bildmß malte, war einer der ersten, die den land-
schaftlichen Styl bildeten; aber auch seine Figuren sind
nicht ohne bedeutendes Verdienst. 2u der gegenwärtigen
Composition zeigt sich eine gewisse Größe, und die Anord-
nung ist von frappanter Wirkung. Der Kopf der Ma-
donna, die ans dem Esel reitet, welchen Zoseph führt,
könnte edler seyn. Zum Theil liegt der Fehler wohl
daran, daß der Künstler das Profil wählte, und wenn
Lavater behauptet, daß dieses am genauesten (in phy-
siognomischer Hinsicht) auf der Linie der Wahrheit stehe, so
möchten wir gerade hierin den Grund finden, warum es
der Maler so selten mit Glück anwenden kann. 2e bestimm-
ter und strenger die 2udividualität hervortritt, je schär-
fer sie ausgeprägt erscheint, desto weniger verträgt sie
sich mit Schönheit und Anmuth, zumal mit weiblicher.
Das Weib darf weniger als der Mann Eindrücke des
Lebens in sich aufnchmen und ans dasselbe zurückwirken;
es muß treuer und fester an seiner ursprünglichen Natur
halten, die sich im 2ndividuellen, als einer Abweichung
davon, sehr verschieden mobifizirt. Der Kopf 2vsephs
ist an sich nicht tadelhaft, aber er paßt nicht zu dem Be-
griffe; der Kopf des Kindes erscheint wie abgeschnittcn,
und der rechte Arm der Madonna ist von schlechter Form.
Bey allen Fehlern, die man dem Bilde vorwerfen kann.
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