Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 72,

Kunst-Blatt.

Montag, den 6. September 1824.

Neu aufgefundener Todtentanz.

Auszug aus einem Briefe des Professors G. Schweig-
häuser des Jüngern an Dr. S. Voisserc'e.

Ltraßburg, am L. August 1824.

Seit etwa acht Tagen ist ein großer Theil unseres
Publikums durch eine Entdeckung in Bewegung gesezt,
die sich eignet, auch Sie, werthester Freund, vorzüglich zu
interesstren.

Sie kennen ja unsere aus dem iZten Jahrhundert
herstammende Predigcrkirche, die, seit sie dem evangeli-
schen Gottesdienst gewidmet ist, die neue Kirche heißt.
In dieser Kirche, deren Inneres einer auffrischenden Er-
neuerung sehr bedurfte, war man seit mehreren Wochen
mit Ausweissen und Anstreichen beschäftigt, als man sich
dem Sude der Arbeit nähernd an die unteren Wände
kam und an einer Stelle, wo die Mauer einen Riß batte,
bevm Ausstreichcn der Tünche farbige Blasen entstehen
sah. Der Baumeister, Hr. Arnold der jüngere — der
sich durch rühmlichen Fleiß und Reisen in Deutschland
und Italien zu einem tüchtigen Kunstverständigen gebildet
(jat _ schloß «ns dieser seltsamen Erscheinung auf verdeckte
Wandgemälde, und in der That kam auch be» sorgfälti-
gem Ablösen der alten Kalkdecke eine ganze Reihe von
solchen Gemälden zum Vorschein. Sie nehmen die west-
liche Wand, worin sich die Eingänge befinden, und die
anschließende nördliche Seite des Schiffs ein. Diese Ge-
mälde, außer einem einzigen, stellen die verschiedenen
Gruppen eines Tvdtentanzes dar, im Ganzen, der Idee
und der Anordnnng nach, dem bekannten Baseler Tobten»
tanz ähnlich, im Einzelnen aber von originaler Composi-
tion und, wie uns scheint, als Kunstwerk vorzüglicher.
Die Dominikanerpredigt, womit dieser Todtentanz, wie
der Baseler beginnt, (der sich ja auch an einer Domini-
kaner Kirche befand) ist besonders von sehr schöner Cvm-
position, und nur wenig beschädigt; andere Gruppen ha-
ben mehr gelitten. Da die Kirche seit dem Jahr i5gü,
wo die Mönche sie verlassen, bis auf ihre neue Einrich-
tung zum evangelischen Gottesdienst 1681 meistens ge-

schlossen war und oft zum Magazin diente, so mögen die
Gemälde in dieser Zeit die meisten Beschädigungen erlitten
haben, wenn nicht schon früher, als zum Erstenmal evan-
gelischer Gottesdienst darin gehalten wurde, von 1549 bis
i5üi die Gemälde übertüncht worden, welches dann später
1681 zum Iweptenmal geschehen seyn mag. — Die Ge-
mälde beginnen etwas über 7 Fuß vom Boden, und ha-
ben selbst auch über 7 Fuß Höhe, die Figuren sind etwas
mehr als lebensgroß; die Gruppen, durch gemalte Säul-
chen getrennt, über welchen gleichfalls gemalte Bogen sich
wölben, sind meist 5; bis 6 Fuß breit.

Die Reihe der Gemälde fängt in der südlichen Ecke
der westlichen Kirchenwand mit jenem obenerwähnten
Bilde an, welches nicht zum Todtentanz gehört; es stellt
in drei- Abtheiluugen — jede von ZjFuß Höhe, das Ganze
in einer Breite von mehr als 7 Fuß — eine große An-
zahl einzelner Heiligen dar; es sind deren in jeder
Abtheilung y bis 10 und unter einer jeden Figur findet
man den Namen des Heiligen geschrieben. Die Malerey
dieses Stücks scheint mir verschieden von der des Todtcn-
tanzes und älter. Nun folgt die Predigt, eine Compo-
sition von zwölf Figuren; unter der Kauze! sitzen drey
Frauen, zwep nicht bestimmt charakterisirte männliche
Figuren stehen zunächst dabep, dann folgt ein Bischof,
ein Cardinal, ein Papst u. s. w., alle recht hübsch grup-
pirt. In dem nächsten Bilde nach der Predigt holt der
Tod einen Papst ab, dem noch eine untergeordnete Figur
beygegeben ist, in dem Zten Bilde führt der Tod zwe»
Cardinäle, im gten den Kaiser nebst der Kaiserin, hin-
ter welcher eine gleichgültig zuschauende Jose steht, und
im 5ten das Gefolge aus vier Figuren bestehend, worunter
sich ein Jüngling auszcichnet, dessen Haupt von einem
großen Blumenkranz umgeben ist. — Im üten Bilde
folgt dann der Tod mit König und Königin, im 7ten
mit dem Gefolge, welches hier ebenfalls aus vier Per-
sonen besteht. Das 8te Bild ist sehr verloschen, doch
erkennt man darin noch drep Mönche. Das 9te Bild
stellt einen Abt mit seinem Gefolge, das ic-te einen Bi-
schof dar, wie sie vom Tod abgeführt werden. Das ute,
irte, iZte, igte und i5te Bild sind sehr erloschen. In
Index
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen