Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
355

der Höhe des Oratcriums in der Nähe der Rüstungen
und der Ervotos der alten frommen Vater, all dieß ge-
mährt einen Eindruck, der noch keinen Fremden ungerührt
ließ. Das Lokal wurde bisher als von der Sache unzer-
trennlich gedacht.

Was nun das Nähere der Aufstellung und der Samm-
lung betrifft, so dürften vor allem die höchst schätzbaren No-
tizen des Kunstblattes dort einer Erklärung bedürfen,
wo es heißt:

„Die Gemäide-Sammlung des fürstlichen Hauses
„Oettingen-Wallerstein in dem Schlosse Wallerstein
„habe in der Anlage sich die Aufgabe gcsczt, die
„deutsche Malerei- in Kunstdenkmälern, so weit als
„möglich, von dem ersten Ursprung bis zu dem
„Ende des löten Jahrhunderts aufznstellen, um da-
„durch den Versuch zu wagen, eine Geschichte dieser
„Kunst für diese Periode in dem einen, dem Haupt-
„clemcnte, anschaulich zu machen, um dem andern
„Elemente, der Ueberlieferung durch Sage und
„Schrift, den Eingang zu bahnen."

Die Absicht des Stifters war nicht ganz so umfassend ge-
griffen. Er gedachte nicht, von dorr an, wo die Oel-
malere» beginnt, eine vollständige Reihe deutscher Bilder
zusammenzustellen. Seine Sammlung von Oelgemälden
sollte sich an die Boisser-e'sche anschließen. Wie diese
vorzüglich aus niederdeutschen, so sollte jene vorzugsweise
ans oberdeutschen Bildern sich bilden. Die niederdeut-
schen Werke der lczteren sollten seyn, was bc» Boisseroe
die Dürer, die Wohlgemuth, Grundzüge der in der
Nachbarsammlung naher entwickelten Schule, und so soll-
ten den de Galleriee» vereint, nicht aber eine ohne die
andere ein vollständiges Bild der deutschen Malerei) auf-
stcllen.

Auch darin weicht der Stifter der Sammlung von
dem Verfasser jener Notizen in etwas ab, dgß er (der
Stifter) die oberdeutsche Malcrey nicht sowohl in vier
Schulen, in die Schwäbische, in die Nürnberger, in die
Bayerische und in die Cranach-Schule, als vielmehr in
Bilder der charakterlosen und der Entwicklungs-Malerep
(Uebergangsbilder) und in vier Künstler. Cyklen theilte,
die er nach den Namen der hervorragendsten Männer
jedes Cykluö, den Cpklus von Schön, Zeitblom und
Schaffner, den Cpklus von Wohlgemuth und
Dürer, denCyklus von Cranach und den Cvklus von
Holbein nennt. Nach des Stifters Ansicht bat die alte
Kunst in Oberdeutschland bep aller Herrlichkeit ihrer Ent-
faltung, doch nie die nationalen Formen des Jnnungs-
und Gewetkwesens verlassen; sic wurde nie. nach Ländern,
sonder» nach Lehrern fortgepflanzt; der Schüler (wozu
damalige Sitte, damalige Lebensweise viel beptrugen)
bewahrte bep aller Eigenthümlichkeit seiner Entivicklung

stets Reminiscenzen und Technik der empfangenen Lehre,
und wie in einem und demselben Nördlingen, zu ein
und derselben Zeit, Schäuffelein und sein Schüler
Deyk im Geiste der Dürer'schen Schule arbeiteten, wäh-
rend Herr lein Vater und Sohn den Styl Hanns
Baldung Grüns fcsthielten, wie in Augsburg Burg-
mayer und Holbein jeder seinen eigenen Gang ver-
folgten , so dürfte überhaupt die Bezeichnung nach Indi-
vidualitäten klarer, Irrung beseitigender erscheinen, als
jene nach Gegenden.

Eine eigene bayerische Schule aber schien streng ge-
nommen nicht zu eristiren, da die älteren Bilder Bayerns
in Styl, in Steifheit der Draperie und in effektsuchen-
den karikaturartigen Vepzierden sich ans keine Weise von
den übrigen Bildern theils dcs Vor-Cranachischen und Vor-
Wohlgemuthischen Cyclus, theils der sogenannten Wohl-
gemuthischen Manier unterscheiden; da ferner O l l e n d o r f,
Milich und Andere dieDürerische Influenz nie verläug-
nen, und da endlich selbst Meyer von Landshut (dessen
herrliches, bisher Martin Fesele genanntes Bild der
königlichen Gallone zu München mit dem Altäre von i5io
zu Wallerstein nicht wohl Harmoniken dürfte) nichts dem
Style des Dürer- Wohlgemuthischen Cpklus Fremdes
entwickelt.

Uebrigens war auch der Stifter der Wallersteinischen
Gallerie stets weit entfernt, die obenbezeichnete Einthei-
lung seiner Bilder als vollständiges Netz einer Ge-
schichte der oberdeutschen Malcrey anzusehen. Wohl
'eristirt seines Ermessens vor Wohlgemuth und vor Cra-
nach eine lange, in ihren Momenten, wie in ihren
Meistern noch unbekannte Entwicklungsperiode. Eben
so ist er des Glaubens, daß die später sich entfaltende
Blüthezeit vier große in den benannten Meistern culmi-
uirende Künstler-Stämme offenbart. Auch hegt er noch
immer die Meynung, daß alle oberdeutsche Bilder seiner
Sammlung entweder jener unbekannten Vorbereitungs-
zeit oder einer der vier großen Methoden angehören:
Aber seine Sammlung selbst, als er sie verließ, war
noch bey weitem nicht zu der Vollständigkeit gelangt, die
ihr werden sollte. Nachrichten über Bilder in Schlesien
lassen vermuthen, man habe auch dort manches und Schö-
nes gemalt; Oesterreich und Böhmen bergen sicherlich
noch kostbare Dokumente; auch was Chroniken von Mei-
ster Michael in Danzig sagen, was man von den Stif-
tungen des deutschen Ordens in Preußen vernimmt,
verheißt Licht und Aufschluß. Vielleicht entdecken sich
noch eigene Künstlerreihen, im Osten .und. Nordosten des
deutschen . Reiches; vielleicht vindicireu diese üt Zukunft
noch manches, jezt den bekannten Namen «».gereihte
Bild. Vielleicht bringt selbst Klarheit in die.noch un-
ergründete Vor-Wobigemuthische und Vor-Cranachischc
Periode. Wie jüngsther Ungeglanbtes geschehen; wie der
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen