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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 7.1826

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https://doi.org/10.11588/diglit.13084#0045
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Nr. 9

Kunst-Blatt.

Montag, d e n ZO., I a u u a r 1826.

Pompeji.

(Beschluß.)

Wie am Ende des zweyten Hofes am ent-
ferntesten Orte des Hauses das Hciligthnm der Haus-
göttin sich zeigt, so ist auch an demselbigen Orte das,
aus ehrerbietiger Fürsorge für solches Kleinod nun ver-
schlossene, anziehendste Kunstwerk dieses HauseS zu suchen.
Auf der Hinterwand zur Rechten des vertieften
Hvfranmes ist das wunderbare Bild vom Opfer der
Jphigenia angebracht, *) ein Werk, welches ohne die
vortrefflichen Künstler der Briseis und des Bermäh-
lungsbildes an Verdienst der Ausführung zu überbieten,
bei) hinlänglichem technischen Werthe eine so bewunderns-
würdige Großheit seiner einfachen Anlage und ein so tie-
f-s Gefühl seines sprachlosen Ausdrucks entwickelt, daß

, auch ohne das Anziehende der mythischen Deutung,
jedem andern antiken Meisterwerke getrost zur Seite
stehen kann. Agamemnon, der unglückliche Vater, i>r
öegenwärtig, aber abgewandt, ein Heros und König, bei)
nmiennbarem Leide, bas die Götter verlangen, seiner
selbst mächtig, stehend und fest auftretend, aber tief ein-
gehüllt, auf daß auch die Glieder keinen unwürdigen, un-
willkürlichen Jammer bezeigen mögen. Dieser acht antik
empfundenen Figur steht am andern Ecke ebenfalls schwer
aber geschmückter bekleidet der Priester Kalchas gegen-
über, der mit gefühlloser Ruhe das Opfer anordnet;
mitten zwei) seltsame Diener und, von ihnen gefaßt, Jpkst-
genia, schwach und hingesunken, ein unglückliches Mäd-
chen, «her mit edler Haltung der Glieder und auch im
Gefühl des Todes mit der Hoheit einer Königstochter
aus der Heroenzeit. Diese fünf Figuren, im Hintergrund
ein Idol der Diana, in den Lüften die Halbfigur der
versöhnten Göttin und einer Dienerin, die zum Zeichen
ihrer Versöhnung den Hirsch an die Stelle der zum Opfer
erwählten Jungfrau setzen soll, genügten dem alten Künst-
ler zur höchst vollständigen Darstellung eines in Mitten

*> S. beit beyliegenden Umriß.

des Griechenheeres mit Priesterlist und der Krieger Zwie-
spalt bey dunklem Willen der Götter geschehenen, an zahl-
reichen Figuren so reichen, Vorfalls.

Wir haben schon früher eine kurze Beschreibung die-
ses trefflichen Werkes gegeben, und können, da wir auf
dieselbe zurückkommen, eben nur mit dem freudigen Stau-
nen seiner gedenken, mit dem jeder Beschauer vor die
geöffnete Lade tritt, welche dieß in milder Farbenpracht
schimmernde Gemälde verschließt. Es ist ein häufiger
Vorzug der ausgezeichnetsten Kunstwerke, daß sie durch
sich selbst klar sind und keiner wortreichen Erklärung be-
dürfen. Eine sinkende Jungfrau, ein gebietender Mann
mit dem Schwert und ein andrer in tiefer Trauer zu
ihrer Seite, dieses, mit Andeutung göttlicher Hülfe in
den Lüften, ist eine unmittelbar und allgemein anziehende
Darstellung, die auch ohne Namenserklärung in hohen
Ehren verbleiben würde und der die stillschweigend zuge-
standene Beziehung auf ein allbekanntes Factum nur zur
Beschwichtigung jeder etwanigen, störenden Neugier zu
Statten kommt. Selbst den Antiquaren ist der Mund ver-
schlossen: man würde sie spitzfindig schelten, wollten sie
über die leicht vorausgesezte Dienerin der Diana und
über die Bildung der Taurischen Göttin mit Mvdius
und Fackeln sich gründlicher bemühen. So ist auch die
Färbung heiter ohne Prätension, der Grund hellblau, die
meisten Gewänder von blassem schillerndem Roth, das
Oberkleid des Kalchas und daS Gewand der Jphigenia
gelb, vielleicht in priesterlicher Beziehung, das leztere
mit grünem Saum. Das rothe Unterkleid des Priesters
hat grüne Aermel mit rothcn Aufschlägen, hie und da
sind grüne Bänder angedeutet, so das Band au Kalchas
Schwert, so ein Tragband an der violetten Chläna des
Opferdieners, der die Jphigenia hält; grün ist auch der
Kranz des Kalchas. Die Gewänder der Halbfiguren im
obern Raum find graulich violett, Krone und Bogen der
schwebenden Diana, so wie das ganze Idol von Gold. *)

" *) Wir hätten gewünscht, daß uns der Hr. Vers. eineSln-
dcntung über die Sorgfalt oder Flüchtigkeit der Ausfüh-
Register
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