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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 9.1828

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https://doi.org/10.11588/diglit.13086#0294
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282

unter die Darstellungen aufgenommen haben, die im Bilde
nichts sagt, als daß Hamlet dem Güldenstern die Flöte
anbietet. Die Vergleichung mit ihm selbst, der Witz,
die Bitterkeit, die den Sinn gibt, ist für die Beschauer
verloren. Die vier lezten Compositionen sind sehr figur-
reich und gut gruppirt, und bieten zugleich eine größere
Mannigfaltigkeit von Charakteren, welche naher zu be-
zeichnen wir hier unterlassen, da wir nur wiederholen
könnten, was,der beredte Erklärer, so wie die Worte
deö Künstlers selbst in den voranstehenden Erläuterun-
gen sagen.

Der schone und dauerhafte Umschkag des Heftes ist
mit einer.Vignette, Hamlets Sarkophag darstellend, ver-
ziert, welche höchst sinnreich erfunden, jedoch unsres Be-
drückens zu mager ausgeführt ist, als daß sich das eigent--
lich künstlerische Verdienst darin besonders hervorheben
ließe. Ueberhauxt könnte man auf die Umrisse unseres
Künstlers anwenden, was Plinius in anderm Sinne von
den Werken des griechischen Malers Timanthos. sagt: in

ejus o.peribus intelligil.ur plus semper quam pmgitury

denn Gedanken und sinnreiche Auffassung vermißt man
darin niemals. Dagegen möchte man die künstlerische
Darstellung dieser Gedanken in Gestalt und Form oft
charakteristischer, mannigfaltiger und mehr dem Einzelnen
der natürlichen Erscheinung gemäß als in einer angenom-
menen Manier ausgeführt wünschen.

Nr. 2. verhält sich zu dem Werke des Hrn. .Rrtzsch,
wie eine mittelmäßige Cvpie zu einem vorzüglichen Ori-
ginal, oder wie das Werk eines nachahmenden Schülers
zu dem des Meisters, Offenbar ist aber der noch junge
Künstler nicht blos durch den Bepfall, welchen Herrn
Retzschs Zeichnungen fanden, zu einem ähnlichen Unter-
nehmen aufgeregt worden, sondern er hat sich durch. Aehn-
lichkeit des Sinnes zu dieser Darstellungsweise, hingezogen
gefühlt, und in einigen Blattern j. B- Nr. 3. 9. , iS und
18. erkennt man sehr wohl, daß er sein Vorbild nicht
fruchtlos studirtMjat. Doch mangelt es ihm noch häufig
an korrekter Zeichnung, seine Figuren sind znm Theil von
zu kurzem Verhaltniß, und die Führung der Nadirnadel
ist bey weitem nicht sicher und rein genug, um sich mit
der meisterhaften Behandlung des Hrn. Netzsch irgend
vergleichen zu können. . Auch sind Format und-Ansstat-
tung des Merkchens bescheidener als sein Titel, welcher
sehr genau den Gesichtspunkt angibt, aus welchem der
Künstler seine Compositionen anfgefaßt und geordnet hat.
Ob aber der Geist von Shakiveare's Dramen allein in
dem Gang der Begebenheiten liege, ob der Künstler sich
seiner bemächtigt habe, wenn er, wie Hr. Howard, das
dramatische Gedicht in eine Erzählung der Schicksale
Prospero's und Miranda's, Ariels, Calibans, Alonso's
und Fernando's und ihrer Gefährten auf der Zauberinsel
verwandelt, und die bildlichen. Darstellungen so aneinan-

derreiht, daß sie ein anschaulicher Commentar zu derselben
werden, möchte sich so leicht nicht bejahen lassen. Der
Geist, welcher für die bildenden Künstler aüö dem Werke
des dramatischen Dichters zu nehmen ist, besteht in Si-
tuationen, worin menschliche Gefühle und Leidenschaften
sich deutlich und anschaulich aussprechen, und durch die
Bewegung der Seele sowohl als durch die Schönheit der
Formen, die sie kund geben, Mitgefühl und Wohlgefallen
erwecken. Findet sich eine Reihe solcher Situationen in
dem Gedicht, ans deren bloßer Anschauung auch der Gang
der Begebenheit erkennbar wird, desto glücklicher für den
Künstler; er bildet dann einen Cpklus, der als selbststän-
diges Kunstwerk sich behaupten kann. In diesem Falle
war jedoch dieser Zeichner nicht; seine Blatter sind, trotz
ihrer epischen. Anordnung, zum großem Theil nur Belege
für die Schilderung des Dichters. In Bezeichnung der
Charaktere und im Ausdruck der Seele ist er hie und da
nicht unglücklich ; doch wäre ihm eine strengere Schule zu
wünschen, um seinem natürlichen Talente aufzuhelfen.

Nr. 3. Hr. E u g ö n e,D e la c ro ir, von dessen Hand
wir siebzehn mit der Kreide lithograxhirte Blätter bey
Hrn. Stapfers Uebersetzung des Faust finden, ist derselbe,

' welcher seit einigen Jahren mit großen Oelgemalden in
Opposition gegen die David'fche Schule getreten ist. Seine
Greuelsccne anf.ChioS *), welche heftig von den Anhän-
gern Davids getadelt wurde, erweckte, bey Unbefangenen
die Hoffnung, daß er der wahren und üngezierten Anf-
sassung der Natur untersten französischen Künstlern Bahn
. machen und einen auf Beobachtung des Hebens gegründe-
ten Styl in die Historienmalerei) einführen werde. Diese
Hoffnungen sind jedoch nicht in Erfüllung gegangen, da
sich der junge. Künstler bey einer großen Leichtigkeit des
Producirens der Neigung zum Skizzenhaften und Häßli-
chen überlassen, und dabep Zeichnung und Ausführung ver-
nachlässigt hat. Auch in diesen lithographischen Blättern
zeigt er sich auf. demselben Irrweg. Was darin -Gutes
ist, besteht allein in der gänzlichen Entfernung von allem
Unnatürlichen und. Gezierten; man findet überall ein ge-
rade auf die Eigenthümlichkeit des Lebens gerichtetes Ge-
fühl, ein Verwerfen aller angenommenen Grazie, Groß-
heit, Noblesse, und wie sonst die Modewörter jener antik
seyn wollenden Schule heißen. Dagegen ist auch das wirk-
liche Verdienst dieser leztern, strenge Zeichnung und ernst-
liches Bestreben schöne Formen aufzufassen, völlig verlo-
ren. Die Gestalten des Hrn. Delacroir sind häßlich,
selbst wenn Schönheit in dem gegebenen Charakter lag,
wie in der Figur Goethens; sie sind nicht bloß häßlich,
sondern theils mit schülerhafter Unrichtigkeit, theils
mit der manirirtesten Willkühr gezeichnet. Diese Dar-
stellungsweise, verbunden mit einer Gemeinheit der Auf-

*> Vergl. darüber KM. 1834, Nr, 79.
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