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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin, [1]
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für ganz unbedeutende Summen oder sogar unentgeltlich
überlassen wurden.

Zu gleicher Zeit war einer der eifrigsten Förderer
des neuen Jnstituts,derBildhauer Sußmann-Hellborn
in Süddeutschland für die Zwecke des Museums thätig.
Die Ankäufe an Werken älterer deutscher Kunstindnstrie
sind musterhaft, bei den kleinen Mitteln des Museums
blieben alle Prunkstücke ansgeschlossen, nur die Vorzüglich-
keit der Arbeit, die stilgerechte Schönheit der Muster sind
in Bctracht gezogen. Unter den mehr als 40 Proben von
Spitzen, Roth- und Weißstickerei, den 26 verschiedenen
Ofenkacheln, den 75 schmiedeeisernen Arbeiten, den in
verhältnißmäßiger Anzahl vertretenen Stücken aus Zinn,
Glas, Steingnt, Porzellan, Holz und gepreßtem Leder
befindet sich geradezu nichts Ueberflüssiges, Nichts, was nicht
einen wichtigen Platz würdig ausfüllte.

Ein sehr bedeutender Zuwachs war ferner die ge-
sammte Kollektion der venezianischen Glasfabrikate und
Mosaiken des Or. Salviati, welche die Staatsregierung
für 5000 Thlr. erworben hat. Da es fast kein Gebiet
der alten Glastechnik giebt, das Salviati nicht nen belebt,
so haben wir hierdurch mit einem Schlage eine nahezu
vollständige Sammlung von Erzeugnissen der Glasbläserei.

Diese vier Posten waren dcr Hauptstamm der Samm-
lung, mit deren Ordnung und Aufstellung im ersten Saale
man bcreits gegen Ende des vorigen Jahres beginnen
konnte. Ehe dieselbe aber der Benutzung übergeben wurde,
war sie bereits durch Schenkungen und geliehene Gegen-
stände so angewachsen, daß noch ein zweiter Saal einge-
richtet werden mußte, der auch schon seit Monaten gefüllt
ist, währeud jetzt ein dritter Saal auch bald nicht mehr
hinreichen wird.

Unter denjenigen, welche die Sammlung durch Schen-
kungen und Leihgegenstände vermehrt, ist in erster Linie die
Kronprinzessinzu nennen, welche unabläßig Stücke ihres
Privatbesitzes dem Museum überweist und auch die Kräfte
Anderer für dasselbe in Bewegung setzt. Der Kron-
prinz hat einen Schrank voll antiker Gefäße, Bronzen
und Terrakotten hergegeben, der König einen höchst
werthvollcn nicderländischen Gobelin aus dem Ende des
15. Jahrhunderts, dieKönigin altes Porzellan, Gianiin
Wien die bewunderungswürdige Sammlung seiner Stosf-
Proben, die gräflich Stollberg'sche Eisengießerei in Jl-
senburg über 20 Nachgüsse kunsthistorisch intereffanter
alter Stücke, dieGebrüder Spangenberg eine sehr um-
fangreiche Sammlnng von Abgüssen der besten Medaillon-
Porträts des 16. Jahrhunderts, der Maler Ewald alte
Stoffe und Krüge, dcrDruckereibesitzer Steffan gedruckte
Stoffe nach den Zeichnungen unserer besten Berliner
Architekten, und so fort eine große Reihe, die sich erfreu-
licher Weise wöchentlich erweitert.

Hierzu kommen dann noch entliehene Stücke, darunter
ein ganzes Spind von Glaswaarcn des vorigen Jahrhun-

derts, welche der königlichen Porzellaumanufaktur gehören,
nebst einer Auswahl eigener Fabrikate, alte Glasmale-
reien aus dem Besitz der Bauakademie und Spitzen vom
Gewerbeinstitut. Eine stattliche Sammlung altdeutscher
Krüge aus dem Privatbesitz von RavOns, Sußmann,
Engelharpt, Wunder u. A., höchst intereffante gewebte Ta-
peten aus Schinkel's Zeit und Schule von Frau Prof.
Gropins, alte Stoffe aus den Ateliers hiesiger Maler
eine Sammlung alter und neucr Fächer und vieles Aehn-
liche. Auch mit der Ausstellung der Erzeugnisse moderner
Kunstindustrie von Seiten hiesiger Handwerker ist bereits
begonnen.

Es ist nicht möglich, eine genügende Uebersicht über
eine Sammlung zu geben, die, wie jede kunstindustrielle,
aus einer Uuzahl einzelner, an sich wenig hervorragender
Stücke besteht. Das Gesammtresultat kann man etwa
dahin zusammenfassen, daß wir bereits eine Art von Voll-
ständigkeit erlangt haben in Spitzen, Weißstickerei, orien-
talischem Brokat, orientalischen Lackarbeiten, Medaillon-
portraits, geblasenem Glas und Eisenguß, eine gute
Gundlage besitzen für modern?s Porzellan, orientalische
Stoffe und Stickerei, Schmiedeeisen, moderues Email, pri-
mitive Töpferwaaren vornehmlich des Orients, Steingut,
Strohflechtereien und modernes Mosaik, dagegen noch
lückenhaft versorgt sind in fast allen älteren Zweigen des
Porzellans, Glases und Krystalls, in Weberei, Email und
feiner Metallotechnik wie Ciselir- und Tauschirarbeit, und
schließlich noch bei den ersten Anfängen stehen für Gold- uud
Silberarbeit so wie für Schnitzerei und Tischlerei. Für
ältere Werke der Kleinkünste werden wir uns wohl noch
am längsten mit Surrogaten behelfen müffen und es sind
auch bereits von den Abgüssen und galvanoplastischen
Nachbildungen des South-Kensington und des Wieuer
Jndustriemuseums viele Stücke angekauft, so wie auch
die Photographien deffelben Museums, der Hohenzollern'
schen Sammlung, der Fabrikate Christoffle's und Aehn-
liches mehr. Auch aus dem Berliner Museum, welches
an ornamentalen Werken der edelsten Frühreuaissancc
reicher ist, als irgend ein anderes nach dem South-Ken-
sington, werden wir werthvolle Abgüsse erhalten. Mag
an dieser Stelle eines der eifrigsten und cinsichtigsten
Freundes des Musemns, des verstorbenen Professor Waa-
gen gedacht werden, welcher mit feinstem Kennerblick diese
köstlichen Stücke in Jtalien zu einer Zeit erwarb, da sie
noch vonNiemandem beachtet alsunmodern und allzu simpel
aus Kirchen und Palästen entfernt wurden.

Auf Grund der oben versuchten Uebersicht, welche'den
Stand unseres Besitzthums eher zu strenge als zu wohl-
gefällig angegeben, darf man versichern, daß unser Museum
nicht nur in Anbetracht seiner sparsam fließenden Mittel,
sondern auch direkt betrachtet einen höchst werthvollen und
nutzbareu Stamm von Unterrichtsmaterial besitzt. Und
gerade die Nutzbarkeit ist hier in so hervorragendcr Weise
 
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