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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin, [1]
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reichen Zahl der im Programm niedergelegten Wünsche
ein bestimmter Kern des Nothwendigsten und am sichersten
Erfüllbaren, und so haben wir bereits ttnterrichtsanstalt
und Museum, welche allen den Forderungen entsprechen,
die von den kunstgebildeten Freunden des ttnternehmens
von vorne herein aufgestellt werden mußten.

Das Museum hat mit sehr kleinen Mitteln angefangen.
Fast ein Wagniß war es zu nennen, als das Komite mit
einem Kapital von 18,000 Thlrn. und ohne bestimmte
Aussicht aus nachhaltige ttnterstützung von Seiten des
Staates das neue Jnstitut in's Leben rief. Während
Wien damit beginnen konnte, die reichen Schätze der
kaiserlichen Familie und der alten stattlichen Kirchen und
Klöster in berauschender Pracht den ftaunenden Blicken
des Publikums vorzuführen und somit das österreichische
Museum von vornherein mit dem Nimbus einer „sehens-
werthen" Erscheinüng zu umgeben vermochte, war man
in Berlin einzig auf den gesunden Sinn des Hand-
werkerstandes angewiesen, von dem man hoffen durfte, daß
er auch unansehnliche Anfänge, sobald sie ihm nur zweck-
mäßig zugänglich gemacht würden, nach Kräften benutzen
würde. Und —damitwirdieLebensfähigkeit vesJnstitutes
gleich von vorne herein als erwiesen anuehmen können —
nachdem es kaum eröffnet, das Museum sogar noch nicht
einmal vorhanden war, zählte die Unterrichtsanstalt bereits
über 200 Schlller.

Die erste Sorge des Komits's war gewesen, passende
Räume für die Unterrichtsanstalt herzustellen. Man hat
sich vorläufig in das alte Gebäude des Gropius'schen
Diorama's in der Georgenstraße einquartirt. So wenig
elegant auch die Räume dieses unzählige Mal umgebauten
und bereits zu allen erdenklicheu Zwecken benutzten Hauses
sein mögen, so hatten sie doch den Vortheil, daß man jede
Veränderung mit ihnen ungehindert vornehmen konnte;
und so sind denn im obersten Geschoß eine Reihe gut be-
leuchteter und zweckmäßig eingerichteter Zeichensäle ,her-
gestellt worden. Jm Erdgeschoß, von dem noch ein Theil
anderweitig vermiethet ist, befinden sich die Modellirsäle
und das für 200 Personen eingerichtete Auditorium, eine
Treppe hoch drei große Säle für die Sammlungen und
die Verwaltungsräumlichkeiten. Jn allen Stockwerken ist
noch unbenutzter Platz genug, um die verschiedenen Räume
nöthigenfalls um ein Beträchliches auszudehnen.

Die Mittel zur Unterhaltung des JnstitutS fließen
theils aus den laufenden Beiträgen der Mitglieder, unter
denen als hauptsächlichste unermüdlich thätige Förderer
des Unternehmens der Kronprinz und die Kronprinzessin
zu nennen sind, theils aus Staatszuschüssen, die bisher bei
besonderen Veranlassungen bewilligt wurden, aber hoffent-
lich bald in eine regelmäßige, in den Staatshaushalt auf-
genommene Dotirung werdeu verwandelt werdcn.

Zm Sommer 1867 begann die Einrichtung dcs Ge-
baüdesunter derLeitung desBaumeisters Grunow, der

zum Vcrsteher dcs Museums erwählt wurde. Zu gleicher
Zeit benutzte man die Pariser Ausstellung, um Ankäufe
für die neu zu gründende Sammlung zu machen. Die
15,000 Thlr., welche die Regiernng hierfür ausgeworfen,
sind von den Sachverständigen, welche als Mitglieder der
Jnry in Paris anwesend waren, auf das Zweckmäßigste
verwendet worden. Französische und englische Arbeiten
in Porzellan, Majolikaund Fayence, Gläser und Emaillen,
Bronzen und andere Kunstgüsse wurden in reicher Zahl
erworben, ferner galvanoplastische und andere Nachbil-
dungen des Sonth-Kensington-Musenms und Abgüsse der
Campana-Sammlung; besonders werthvoll waren aber die
Ankaufe in der orientalischen Abtheilung der Ausstellung,
persische Teppiche, Schleier und Shawls aus Kashmir,
Japanesische und Chinesische Lackwaaren, eine prachtvolle
Sammlung indis'cher golddurchwirkter Stofse, eingelegte
und geschnitzte Arbeiten ebendaher, bunte Gewebe Und
Stickereien aus Algier, Tunis, der Türkei, Serbien,
Griechenland und Südrußland, darunter ein goldgestickter
Teppich aus dem Kaukasus, den der kompetenteste Beur-
theiler, Falke in Wien, als eines der glänzendsten Stücke
der Ausstellung bezeichnet hat. Jn ähulicher Weise hat
ebendaselbst Prof. Gropius aus den eigenen Mitteln
des Museums Ankaüft Koderner Erzeugniste gemacht mit
Hinblick auf ihren Werth als Vorbilder für unsere heimi-
sche Jndustrie. An dieser Stellc muß aber auch eines
Mannes gedacht werden, der mit seltener Aufopferung in
Paris für die Zwecke ches Museums thätig war: der be-
kannte Reisende vr. Jagor hat den ganzen Sommer da-
selbst zugebracht, um für das Gewerbemuseum so wie für
das gleichfalls neugegründete landwirthschaftliche Museum
zu sammeln. Er richtete dabei sein HauptaugeniUerk auf
die Rohstofse und die Erzeugnisse der niederen Kunstin-
dustrie des Orients, welche in ihrer nnscheinbaren Gestalt
leicht übersehen werden und dennoch die mustergültigen
Formeu in unübertrofsener Einfachheit und Schöuheit
würdiger zur Geltnng bringeN als die meisten Erzeugnisse
unserer vrivilegirten und patentirten Musterfabriken.
Seiner imOrient selbst erworbenenSachkenntniß undseiner
unermüdlichen Thätigkeit, besonders am Schluß der Aus-
stellnng, verdanken wir eine große Anzahl von Stücken,
die um so werthvoller sind, als sie im gewöhnlichen Handel
gar nicht zu beschasfen wären. Durch vr. Jagor erhielten
wir die meisten der türkischen und ägyptischen so wie der
portugiesischen und spanischen Thongefäße, Fußteppiche
aus der Türkei, Rumänien und Südrußland, Metall- und
Marmorwaren aus Tunis, Atgier und Marocco, die
prachtvolleu indischen Papiermächeearbeiteu, die russischen
Holzarbeiten, Flechtwerk aus Spanien und der Türkei,
Nordafrika und Kanada, Meubels aus Aegypten uud
Rußland und unzählige andere Stücke, welcheihm von den
Kommisionen der verschiedenen Lättder, welche das lästige
Geschäft des Einpackens möglichst abzukürzen suchten, oft
 
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