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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0030
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29

Das deutsche Geiverdemuseum M Serlin.

(Fortsetznug.)

Jn ähnlicher Lage wie die Sammlung befindet sich
die Bibliothek; auchsieistin ihrenwerthvollstenStücken
durch Schenkungen und Entleihungen zusammengesetzt.
Die Kronprinzessin vornehmlich hat eine große Zahl der
kostbarsten Bilderwerke theils gestiftet, theils aus ihrer
Privatbibliothek zur allgemeinen Benutzung überwiesen,
das Museum hat sich für's Erste noch begnügen müssen,
die wichtigsten Lücken zu füllen und wenigstens das Ma-
terial der Handbücher und der nothwendigsten Werke zu
beschaffen. Auch hier ist der fortwährende Zuwachs HLchst
erfrculich.

Während Sammlung und Bibliothek mehr durch ihre
tüchtige Grundlage als durch bereits erreichten Umfang
ein Verdienst für sich in Anspruch nehmen können, ist der
andere Haupttheil des Jnstitutes, die Unterrichtsan-
stalt, bcreits zu voller Entfaltung gediehen, ja sie hat
sogar kaum eine Entwickelung durchzumachen gehabt. Die
Organisation derselben war von Anbeginn so zweckmäßig,
daß sie bereits im ersten Quartal über 200 Schüler auf-
weisen konnte, eine Zahl, dieim Sommersemester noch be-
trächtlich gestiegen ist, obgleich ein Sommer wie der dies-
jährige dem Unterricht in geschlossenen gaserleuchteten
Räumen gewiß nicht günstig war.

Jn diesem Semester zählt die Anstalt bereits über 350
Schüler, so daß schon die eingerichteten Räume nicht mehr
hinreichend sind und Umbauten nothwendig werden.

Der Unterricht ist in vorwiegender Wcise für Arbeiter
bestimmt, welche am Tage ihren Berufsgeschäften nach-
gehen, und wird daher Abends und Sonntag Vormittags
ertheilt.

Der Sonntags-Unterricht umfaßt l) Elementar-
und Ornamentzcichnen, 2) Zeichnen für Banhandwerker
und 3) Zeichnen für Maschinenbauer. Derselbe ist nur
eine abgekürzte Wiederholung des Abendunterrichts
und ist in letzterem der eigentliche Organismus der Lehr-
anstalt zu ersehen. Es zerfällt der Unterricht in fünf Ab-
theilungen, deren crste das

1) Elementar- und Ornamentzeichnen (Bau-
meister Jacobsthal, drei mal wöchentlich von 7^/, bis
9^2 Uhr Abends. Preis vierteljährlich I Thlr. 10 Sgr.)
Jn dieser Klasse beginnt der Lehrer mit den einfachsten
Ornamenten, die er an die Tafel zeichnet, indem er zu-
gleich ihre Bedeutung erläutert. Die Schüler werden
angehalten, dieselben sofort nachzuzeichnen, so daß in jeder
Stunde wirklich etwas fertig wird und der Schüler durch
die in spstematischer Ordnung vorgebrachten Zeichnungen
eine völlige Entwickelung des Ornaments erhält.

2) JnderGipsklasse (Maler Schaller, die Einrich-
tungen wie bei 1) wird dieser Unterricht fortgesetzt, jedoch
mit Anwendnng plastischer Vorlagen, nach welchen der

Schülernun wieder möglickistschnell charakteristisckie Zeich-
nungen anfertigen muß. Man beginnt mit den einsachsten
Studien über Licht- und Schattenwirkung und führt die
Zeichnnngen mit Kreide oder Aquarell mit starker Be-
tonung der Flächen und Hauptschattenmassen aus, ohne
auf die elegante Ausmalung und nachträgliche Abrundung
besonderes Gewicht zu legen.

3) Das Figurenzeichnen (Maler Ernst Ewald,
Bedingungen wie bei 1 und 2) benutzt mustergültige An-
tikeu und Abformungen menschlicher Körpertheile so wie
anatomische Taseln, auf Grund derer die wichtigsten Vor-
kenntnisfe von Knochen- und Muskelbau mitgetheilt werden.

Das Modelliren (Bildhauer Göritz fünf mal
wöchentlich von 7^/z bis (U/2 Uhr Abends, Preis viertel-
jährlich 2Thlr.) beginnt mit dem Kopircn einfacher Orna-
mente und wendet sich möglichst bald zum Modelliren nach
Zeichnungen mit Benutzung plastischer Vorlagen sür ein-
zelne Theile, so wie später zum Modelliren nach Körper-
theilen. Für die vorgerückten Schüler wird wohl schon in
diesem Winter ein Aktsaal eingerichtet werden.

Eine Klasse für Ornamentzeichnen und Dekora-
rationsmalen ist augenblicklich noch mit der Komposi-
tionsklasse verbunden, dereu Leitung der Baumeister
Jacobsthal übernommen (täglich von 9 bis 5 Uhr, Preis
monatlich l Thlr. 15 Sgr.). Diese höchsten Klassen, welche
die ganze Arbeitskraft der Schüler in Anspruch nehmen,
sollen vornehmlich Musterzeichner, Knnsttischler, Stuben-
maler, so wie die übrigenhöher gebildeten Kunsthandwerker
heranziehen. Wenn das Gewerbemuseum erst zur Cen-
tralstelle für die Ausbildung der Zeichenlehrer an den
Provinzial-Gewerbeschulen geworden sein wird, so werden
auch diese Oberklassen einer erweiterten Organisation
unterworfen werden.

Der Zeichenunterricht für Frauen und Mädchen
(Maler Ewald drei mal wöchentlich 6 bis 8 Uhr, Preis
vierteljährlich 1 Thlr.) soll die Theilnehmenden vorzüglich
zum gewerblichen Zeickinen ausbilden, doch sind die Fähig-
keiten und Vorkenntnisse der aufgenommenen Schülerinnen
so verschieden, daß eine Elementarklasse wird abgezweigt
werden müssen.

Ueber Geometrie wird für dieSchüler allerKlassen
wöchentlich ein Vortrag gehalten.

Ueber die Betheilignng am Unterricht sind bereits oben
die allgemeinen Zahlen angegeben. Die Zahl von 350
Schülern ließe sich aber leichtlich verdoppeln, wenn man
nicht wegen mangelnden Raumes von aller Agitation
für die Unterrichtsanstalt abstehen müßte. Es kommen
diese Schüler aus nahezu allen Zweigen des Handwerks,
Tischler, Maurer, Drechsler, Klempner, Maler, Schwert-
feger, Konditoren, Korbflechter, Steinmetzen, Maschinen-
bauer, Lithographen und viele Andere sind vertreten, abcr
auch Bauakademiker, Polhtechniker, Gymnasiasten und
Studenten nehmen an einzelnen Kursen Theil.
 
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