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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Semper, H.: Moderne Skulpturwerke und Restaurationsarbeiten in Siena, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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Schaden, so daß man sie in neuester Zeit, mit Ausuahme
von wenigen, (darunter die des Beccafumi, die am besten
erhalten, weil meist mit Holzdielen bedeckt sind) zu restau-
riren unternahm. Statt sie aber zu säubern, aufzufrischen
und auszubessern, hat man die meisten weggenommen und
ganz neu reproducirt. Dabei sind nun fast alle Sibyllen
geradezu verdorben, indem sie mit fingerbreiten, eckigen
Strichen ohne Verständniß kopirt worden sind. Diese
Sibyllen nehmen zu je fünfen, in mehr als Lebensgröße,
den Fußboden der beiden Seitenschiffe ein. Rechts
folgen sich die delphische mit der Fackel von Giuliano di
Biagio und Vito di Marco, die aufgeregt schreitende
kumäische von Luigi di Ruggiero und Vito di Marco,
die cumanische, eine Matrone mit Lorbeerzweig und drei
Büchern, von Giovanni di Stefano, die eryträische von
dem bedeutenden Bildhauer Siena's, Antonio Federighi,
und die persische von Urbano da Cortona.

Einzig diese letztere hat ihre alte Linienfeinheit be-
wahrt, da sie nur wenig restaurirt wurde. Dagegen find
alle Sibyllen links fast ungenießbar geworden. Für ihre
ursprüngliche Schönheit bürgen die Namen der Knnstler,
die sie erfanden. Die libysche ist von Guidoccio Cozzarelli,
wahrscheinlich einem Verwandten des bedeutenden Bild-
hauers Giacomo Cozzarelli, dessen bemalte Steinstatuen
in Siena durch sorgfältiges Studium, Kraft der Charak-
teristik und Schönheitssinn Staunen und Freude erregen.
Man sehe sich nur in S. Spirito die Statuen der
heiligen Catherina und des heiligen Vincenzo Ferrera,
oder in S. Agostino die des heiligen Niccolö da Tolentino
an! Die hellespontische Sibylle ist von Neroccio di Bar-
tolomeo, die samische von Matteo di Giovanni, der
in seinen historischen Kompositionen Sandro Boticelli
nachgeahmt und karikirt hat, währcnd er im seltsamen
Kontrast dazu in seinen Andachtsbildern die lieblichsten
Madonnen und Kinder malte. Die albuneische ist von
Benvenuto di Giovanni. Die Sibyllen wurden 1481 und
die folgenden Jahre ausgeführt.

Dagegen sind wieder unversehrt geblieben die fünf
Tugenden in der Nähe des Hauptaltars, weiß auf
schwarzem Grund, die von 1380 bis 1406 von Marchese
d'Adamo und seinen Gehülfen aus Como hergestellt wurden.
Darunter erregen besonders Temperantia und Fortitudo,
jedenfalls von dem Meister selbst, ein gerechtes Staunen,
nicht bloß durch die überaus zarte und fleißige Ansführnng,
sondern mehr noch durch die Freiheit und Eleganz der
Formen, deSAusdrucks und der Gewandung, die für eine so
srühe Zeit etwas Außerordentliches ist und das ernsthaf-
teste Nachdenken darüber veranlaßt, ob nicht die Lombardei
ebenfalls eine Heimatstätte der wieder erwachenden Kunst
gewesen sei nnd vielleicht in manchen Beziehungen noch
vor Toscana. Die ornamentale Einfassung dieser Fignren
ist noch gvthisch, anch die Gewandnng ist noch fern von
dem Realismus der Renaissance, aber die Zeichnung ist

richtiger, die ganze Komposition anmuthiger und frcier
als Werke, die Jahrzehnte später entstanden. Sollte
Quercia nicht auch hiervon Auregung zu seinen sitzenden
Tugenden geschöpft haben, die er drei Jahre nachher an
seinem Brunnen bildete?

Schließlich sei noch erwähnt, daß gegeuwärtig mehrere
junge Zeichner beschäftigt sind, einige sehr verdorbene
historische Kompositionen, so die Belagerung von Bethulien
(wahrscheinlich von Matteo di Giovanni) aufzunehmen,
was sie mit großem Geschick thuu. Die Domverwaltung
will sich damit die Ueberzeugung verschaffen, ob die be-
treffenden Kompositionen verdienen, restaurirt zu werden
und zugleich will man diese Zeichnungen publiciren. —
Möge durch die Gnade der Domverwaltung nicht anch
hier verdorben werden, was des Guten noch geblieben
ist, — denn ein ander Ding scheint es zu sein, gute
Zeichner zu finden als gewandte Arbeiter in der speciellen
Marmortechnik. H. Semper.

Nekrologe.

6. >v. Franz Steinfeld, Landschaftsmaler, Litho-
graph und Radirer, ehem. Prof. an der Wieuer Akademie,
der am 5. November v. I. verschied, nahm unter den Re-
generatoren der Kunst in Oesterreich eine so verdienstliche
Stellung ein, daß es Pflicht ist, ihm ein bleibendes Denk-
mal in der Kunstchronik der Gegenwart zu setzen. Wir
wollen zu demselben, soweit es die sehr zerstreuten Mate-
rialien gestatten, einige Steine zusammentragen.

Der Beginn uud die Richtung von Steinfeld's Wirk-
samkeit fällt mit deu Bestrebungen eines Jos. Abel nnd
Scheffer vonLeonhardshoffzusammen. Sowiediese
beiden, leider allzu früh dcr Kunst entrissenen Meister auf
dem Gcbiete der Historienmalerei durch das Studium der
Jtalieuer und durch innigen Anschluß an die Natur gegen
den erkaltenden Klassicismus eines Füger zu reagiren streb-
ten, so waren es in der Landschaft Martin von Molitor,
Jos. Mößmer, Thomas Ender und Fr. Steinfcld,
welche sich nach und nach von der alten Schule Braud's,
die an der Wiener Akademie so lange mustergiltig war,
lossagten.

Franz Steinfeld, geboren zuWien im Jahre 1787,
bildete sich an der Akademie daselbst. Anfangs wollte
er sich für die Bildhauerkunst ausbildeu, doch sein schwäch-
licher Körperbau bestimmte ihn für die Malerei, und zwar
wählte er das Fach der Landschaft; in der Elementarschulc
übte er sich nach dcn Zeichnuugen Brand's, die Studieu
nach der Natur unter Professor Jauscha's Leitung machte
er, so wie die meisten Landschafter seiner Zeit, in den
reizenden Umgebuugen Wien's; der Prater mit seinen groß-
artigen Baumgruppeu, uud die mit Auen bewachsenen
Juseln und Gestade der Donau waren die nächsten, die
Brühl, Baden, Heiligenkreutz rc. mit ihren Wälderu,
Hütten, Gebirgs- und idyllischen Felspartien die weiteren
Ausflüge.

Die Studien, welche dabei gewonnen wurdcn, zeigeu
im Vortrage schon eiue bedentende Abweichuug vou der
bis dahin belicbten Weise; die Zeichnuug ist freier, die
Farbe satter, nnd in den Bilderu, welche der Künstler bald
nachher zur Ausstellung brachte, offenbarte sich stets ein
 
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