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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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30

Einen aussührlichen Bericht über die Unterrichtsanstalt
hat auf Veranlassung des Vorstandes Orsur. H. Schwabe
in einer Schrift erstattet, die den Titel führt: „Die Or-
ganisation von Kunstgewerbeschulen in Verbindung mit
dem deutschen Gewerbemuseumin Berlin." (Berlin, Otto
Loewenstein). Außer dem Bericht und einem Normal-
lehrplan für Provinzialschulen giebt der Verfasser in der
Einleitung eine bemerkenswerthe nationalökonomische
Studie über den Einfluß der Kunstindustrie auf den
Handel und die Entwickelung der socialen Frage überhaupt.
Die Kunstindustrie soll den Arbeiter wieder individuali-
siren, seine selbständige Produktivität erhöhen und ihu so-
mit fähig machen, die Maschinenarbeit auf einem Gebiet
zu bekämpfen, aufdas sie ihm nicht folgen kann. Die wirth-
schaftliche Bedeutung der Kunstindustrie ist durch statistische
Angaben aus den englischen Exportlisten in höchst anschau-
licher Weise dargethan.

Wir dürfen den Bericht über die Unterrichtsanstalt
nicht schließen, ohne eines Mannes zu gedenken, der zu-
erst als Lehrer an derselben gewirkt und gerade jetzt uns
entrissen ward, als sich für sein eigenthümliches Talent die
würdigste Wirkungsstätte fand. Es ist der verstorbene Bau-
meister Bernhard Kolscher, der wie kaum einAnderer in
Berlin es verstanden sür die Kunstindustrie zu schaffen.
Mit anmuthigem vielgewandtem Geist wußte er sich in
die Eigenthümlickkeiten und technischen Gesetze jedes Ma-
terials zu vertiefen und aus diesem heraus seine unend-
lich reizvollen Schöpfungen zu gestalten. Die Neuer-
weckung der Schmiedeeisenarbeit in Berlin ist vornehm-
lich sein Werk, vvn ihm sind die vielbewunderten Silber-
arbeiten gezeichnet, die Sy und Wagner für Ravsns aus-
geführt; er war mit allen großen Fabriken bekannt und
wurde gewiß zugezogen, sobald etwas besonders Schönes
geschaffen werden sollte. Jn ihm haben wir viel verloren.
Hoffentlich wird sein sehr bedeutender künstlerischer Nach-
laß an Entwürfen, Skizzen nnd Sammlungen dem Ge-
wcrbemuseum erhalten bleiben.

(Schlnß folgi.)

Korrespondenzen.

NeaPcl, Endc Ottvbcr.

NA. Sie werden sich mit mir freuen, wenn Sie hören,
daß die Jdee der hiesigen städtischen Behörde, zur Feier
der Anwesenheit der hier erwarteten königlichen Prinzen
ein Fest in Pompeji zu geben, bei reiflicherer Ueber-
legung verworfen worden ist. Man hatte eine scenische
Aufführung in eiuem der beiden Theater, ein Fest im
Amphitheater, eine Erleuchtung der Straßen und Plätze
und dergleichen mehr in Aussicht genommen, aber der Ge-
danke an den unersetzlichen Schaden, den diese einzige ^
Ruinenstadt durch ein solches frivoles Amusement erleiden
könnte, ja müßte, hat endlich durchgeschlagen. Welch

geistige Verwirruug gehört überhaupt dazu, um n.ur an
einen solchen Plan denken zu können! Jst Pompeji nicht
die Stadt der Todten und darf man auf Gräbern tanzen?

In unserm Museum werden beständig Verändernngen
vorgenommen, denen nicht selten nur ganz änßerliche Mo-
tive zu Grunde liegen. So sind alle Basreliefs aus den
Wänden ihrer verschiedenen Aufstellungsplätze gebrochen,
um sie in einem Saale, dem des Tiberiusmonuments und
der Kandelaber, zu vereinigen.

So wurde die Venus Kallipygos, welche sich bisher
der Ehre einer besonderen Aufstellung erfreute, unter das
Bataillon der übrigen Schönheitsgöttinnen einrangirt, der
Transport zum Depot aber mit so wenig Rückstcht auf
ihre gebrechliche Natur ausgeführt, daß sie diesmal nicht
minder unter den Händen der vulkangleichen Arbeiter
als sonst in den Armen des schlanken Mars zu Fall kam
und den Kopf verlor. Außerdem geriethen noch einige
andere Glieder abhanden, zum Glück aber nur solche, die
nicht zu dem antiken Originaltorso gehörten, sondern
Theile der — schwerlich richtigen — Ergänznng bildeten.

Neber die im letzten Winter gemachte Entdeckung von
Fresken inder Kirche von S. AngeloinFormis hatmein
verehrter Freund, der Professor der Literaturgeschichte
Luigi Settembrini, mehrere Veröffentlichnngen in hiesigen
Zeitschriften erscheinen lassen. Er beklagt sich bitter und
nicht mit Unrecht über die Gleichgültigkeit und Vernach-
lässigung, mit der die Neapolitaner ihre heimischen Kunst-
werke behandeln, und meint, daß die ältere italienische
Kunstgeschichte in wichtigen Punkten anders lauten würde,
wenn auch im Königreiche ein Vasari erstanden wäre.
Die erwähnte Kirche liegt einige Miglien von Santa Ma-
ria di Capua, wo bekanntlich das alte Capua lag und
man noch heute die Ruinen des größten aller Amphitheater
sieht; sie wurde nnter den lombardischen Fürsten Pandulph
Vater und Sohn im 10. Jahrhundert gegründet und von
König Ferdinand nebst der gleichnamigen Abtei seinem
vertrauten Sekretär, dem Abbate Caprioli zur Belohnung
seiner treuen Dienste geschenkt. S. Angelo in Formis
ist ein Muster des christlichen Basilikenstils und seine
Fresken sind von hohem Alterthum. Oberhalb der Ar-
kade über dem Haupteingange zeigt sich die Gestalt des
Engels Gabriel, welcher in einer Hand einen sceptergleichen
Stab, in der andern eine Weltkugel mit griechischer Jn-
schrift trägt. Zur Seite liest man eine lateinische Jn-
schrift in wohlerhaltenen lombardischen Buchstaben. Ueber
de'r Arkade wird die heilige Jungfrau in einem Ovale
von zwei Engelu getragen. Unter dem Portikus stellen
zwei andere Bilder Scenen aus dem Leben des heil. Be-
nedikt und der heil. Placidia dar. Beim Eintritt in die
Kirche gewahrt man das jüngste Gericht über der Thür,
die sich dem Hochaltar gegenüber befindet. Dies ist das
erste bekannte Gemälde, welches diesen Gegenstand be-
handelt. Nach der Meinung des Herrn Salazar, dem
 
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