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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Korrejpondenz.

Newyork u»d Boston, Anfmig Fcbnmr I86S. (Forts.)

Vorausschicken muß ich die uuangenehme Bemerkung,
daß diesmal weit weniger zu sehen war, als in früheren
Jahren. Das ist freilich durch die unerfreulichen Ge-
schäftsverhältnisfe genügend Legrüudet. Unter diesen muß
die Kunst zuerst leiden, und es war wohl nicht übertrieben,
wenn mir ein Kunsthändler auf die Bemerkung, daß eine
von ihm in Boston projektirte Auktion, auf der er seiue
Bilder ohne Rückhalt zu verkaufen gedachte, schlechte Preise
bringen würde, antwortete: „Daran habe ich mich glück-
licherweise gewöhnt!"

Bei Schaus, der immer etwas Treffliches von deutschen
Künstlern aufzuweisen hat, fand ich als Hauptstück eines
jener zarten, miniaturartig ausgeführten Werke Carl
Müller's, ein kleiueS Rundbildchen, darstellend einen Be-
such der heiligen Elisabeth bei Maria, darüber drei musi-
cirende Engel, vom Jahre 1859, entzückend schön iu Kom-
position, Farbe und feiner Behandlung, freilich mehr
der Zeit eines Fra Angelico angehorend, als unserer
Sturm- und Drangperiode. Daneben eine recht schöne
Alpenlandschaft von Jansen; ein prächtiges Bild vonA.
de Courzon, italienische Blumenverkäuferinnen, 1868,
allerdings mehr maskirten Damen aus den hvheren Stän-
den ähnlich; und ein, wie die meisten englischen Bilder,
zumal die englischen Heiligenbilder, unangenehmes, aber
gut gemaltes Bild: „Friede diesem Haus", — Christus,
der segnend in eine Thür tritt. Auch ein wundervolles
Pfirsichstück des amerikanischen Früchtemalers Wm. M.
Brown war da zu sehen. Es will mir fast scheinen, als
stehe dieser Küustler, zumal was die Darstellung der
Pfirsiche betrifft, unübertroffen in der Welt da. Er hat
die Jllufion so weit getrieben, daß ein weiterer Schritt in
dieser Richtung nichtmöglich scheint. Dessenungeachtet aber
machen seine Bilder nicht den Eindruck wahrer Kunstwerke.
Wie anders weiß z. B. ein Preher seine Fruchtstücke auf-
zufassen! Man merkt, obgleich der Mensch nicht dabei ist,
doch daß er da war, ich möchte fast sagen: man fühlt seine
Abwesenheit; hier aber sieht man nur die rohe Frucht und,
wenn man irgend etwas fühlt, so ist es die Versuchung
zuzugreifen.

KnoedlersGoupilLCo.) pruukte mit einem Werke Am-
berg's, dem lebensgroßenBild einer jungen, bezaubernd
schönen Dame in altvenezianischem Kostüm, welche den
herrlichen Arm über die Stuhllehne gelegt hat, in der
Hand die Feder hält, und lächelnd den Beschauer ansieht,
als wollte sie fragen: Was soll ich ihm schreiben? Jn
grellem Gegensatze mit diesem steht ein kleines, nicht bedeu-
tendes BildchenJulesBretou's, ein armes, zerlumptes,
beschmutztes, und haßliches Mädchen, welches an einem
Heliotrop riecht. Zu wahrhaft stereoskopischer Jllusion

ist ein Bild von L. Perrault getrieben: ein Mädchen in
gelbem Atlaskleide, ein Bild betrachtend.

Bei Snedecor sind die amerikanischen Maler am
Besten vertreten. Hier befindet sich das schon erwähnte
Bild Thomas Hill's; Landschaften von Jnneß, Eastman
Johnso n's „Lincoln als Knabe", welches den einstmaligen
Präsidenten vorführt, wie er als langgeschosscuer, unge-
schlachter Junge, beim Scheiue des Kaminfeuers in seiner
väterlichen Blockhütte ein Bnch studirt — vortrefflich ge-
malt, wie die meisten Prodnktionen von Johnson's Pinscl;
Kinderbilder von J.G. Brown, über den ich schon früher
Jhnen schrieb — „Kinder-Brown"wie man ihn jetzt hicr
nennt — uud der immer trefflicher in der Zeichnung,
aber immer greller und kälter iu der Farbe wird; einc
Wiederholung von Geo. L. Brown's renommirterLand-
schaft „die Krone von Neu-Englaud", deren Original im
Besitze des Prinzen von Wales ist, welcher Prinz dem
Agenten bei Ablieferung des Bildes eine Busennadel ver-
ehrte, die der Küustler fttr sich beanspruchte nnd über
welche die Herrn Republikaner sich gerichtlich in die Haare
gerietheu,und endlich einBildvonNoble, demich,sowohl
seiner selbst als des Künstlers wegeu, eine etwas eingehen-
dere Besprechung gönnen muß. Das Bild trägt den
Titel: „DerPreis des Blutes" und stellt einen südlichen
Sklavenhalter dar, welcher im Begriff ist, seinen eigenen,
mit einer Sklavin gezeugten Sohu, einem Menschen-
händler zu verkaufeu. Zu einer Gruppe sind eigentlich
die drei Figuren des Bildes nicht vereinigt. Sie sind
vielmehr blos neben einander gestellt. Anch die Malerei
ist im Grunde genommen roh und mangelhaft. Trotzdem
aber übt das Bild eine packende Wirkung aus. Der alte
Sklavenbaron ist eine mächtige Gestalt mit feinem, von
den anderen Figuren ab-, dem Beschauer aber zugewandtem
schönem Kopfe, in dessen Gesicht die Spuren aller mög-
lichen Leidenschaften, daneben aber auch die des Denkens
bemerkbar sind; in dem der Kanipf zu lesen ist, den die
fürchterliche That in ihm hervorruft — soll er das Blut-
geld nehmen siir den eigenen Sohn, um sich dadurch wieder
eine kurze Frist zu schaffen vor den drängenden Gläubigeru,
soll er dem Stolze jede menschliche Regung opfern, over
soll er der inneren Stinime gehorchen, und, freilich danu
als Bettler, den Fluch derSklaverei vou sich abschütteln?
Hinter dem Tisch stehtder Menschenhändler, in die Dnrch-
lesung des Kaufkontraktes vertieft, vor.sich die Gold-
haufen — eine jener verworfensten aller Kreaturen, ein
abtrünniger Sohn des Nordens, der in jedem Zuge seines
Gesichtes den ,/Zankee" beurkundet, und doch aus lauter
Gier nach Geld sich znm schmutzigsten, selbst von dem
siidlichen Sklavenhalter verachteten Handwerke hergegebeu
hat. Am wenigsten gelungen ist die Gestalt des Sohnes,
eines athletischen Mulatten, der die deutlichste Aehnlich-
keit mit seinem Vater zur Schau trägt, und in stolzer auf-
rechter Haltung, mit verbissener Lippe, sein Schicksal er-
 
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