Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe (4.1869)

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Wir wissen nicht, wclchen Gang die Berathungen im
SchooßederSachverständigen-KommissionunddesBundes-
rathesnehmenwerden. Die betheiligtenKünstlermögen aber
noch cinmal erwägen, ob das ausschließende Nachbildungs-
verbot, für welches unseres Wissens mehr die rührigsten
als die hervorragendsten Mitglieder der deutschen Künstler-
schaft agitirt haben, wirklich ein „Lebens-JnOresse" der-
selben bildet und ob es gerathen ist, diesem Monopol zu
Liebe auf die alte Schutzfrist gegen mechanische Verviel-
fältigung zu verzichten.

Moderne Zkulpümverke und Nestaurations-
nrbeiten in Siena.

Jm Späthcrbst 18V8.

(Fortschimg.)

Sarocchi's Werke sind zahlrcich und er hatte das Glück,
abgesehen von den genannten Aufträgen, auch von ver-
schiedenen Kunstfreunden Siena's ansehnliche Bestellungen
zu bekonnnen. Unter Anderem machte er für die Villa des
Grafen Saracini zu Castelnuovo eine überlebensgroße
Statue des Michelangelo, die er mit vorgestrecktem Fuße
im Begriff zu meißeln, darflellte, sowie als Brnnnenfigur
cineu Knaben, der einen Fisch an sich drückt. Bei zartem
Gliederbau besitzt der Knabe eine übermäßige Größe und
macht gewaltsame Kraftanstrcngungen, da der Fisch fast
noch größer als er selbst ist. Der Kopf des Knaben ist
dick, sein Hals in häßlicher Weise eingezogen. Es ist
nichts von dcr naiven lieblichen Rundheit der Formen
darin, mit der die Meistcr der Frühreuaissance solche Stoffe
behaudelt haben.

Eine Bacchantin, die sich betrnnken zurücklehnt, ist
eine von den vielen glatten und ideenleeren Schöpfungen,
wie sie die Jetztzeit liefert. Sie befindet sich gegenwärtig
in Edinbnrg. Zu derselben Klasse von Kunstwerken ge-
hört ein unbekleidetes rnhendes Mädchen, das der
Künstler eben modellirt. Für den Kirchhof der Miseri-
cordia in Siena, wo auch Dupre's Pietü stcht, hat Sa-
rocchi cine ganze Anzahl Monumente gcliefert, deren be-
deutendstes er noch in Arbeit hat. Dasfelbe stellt die
über dem Sarkophag pyramidal geordnete Gruppe von
Glaube, Liebe, Hofsnnng dar. Die Gewandfigur des Glau- i

Schntz wie alle anderen für wissenschaftliche Zwecke ausge- !
sührten und verösfcntlichten Zeichuungen geuießeu und in Be-
zug auf die Dauer des Schutzes den literarischen Erzeugnissen
gleichgestellt werden sollen. Auch dieses unbedingte Verbot der ^
Nachbildung hat seine bedenklichen Seiten, da es der Aus-
stattung wissenschaftlicher Handbücher für Schul- uud Nnter-
richtszwecke uniwthige Schwierigkeiten bereitet. So gut wie
das wörtliche Citiren anderer Autoren und die Beuutzung
ihrer Geistesprodukte zur Herstellung vou Anthologien erlaubt
ist und bleibcu soll, sollte auch die Aufnahme einzclner Kopien
aus mouographischen Publikationen iu kunstgeschichtlichen Hand- ^
büchcr und Sammclwerke unter Angabe dcr D-uclleu billiger- ^
weise gestattet sein. A. d. R.

bens in der Mitte, mit Kelch nnd Kreuz, ist cine von fenen
phantasielosen religiösen Sknlptnren im Stile Dupra's.
Zu ihrerLinken ctwas tiefer wird die Gruppe der Caritas
zu stehen kommeu, welche das Beste am Monument ist,
obschon der rechte Arm der sängenden Mutter so roh und
unkünstlerisch, wie nur möglich, sich legt. Die Figur der
Hoffnung ist dagegen ganz trostlos. Von Portraitbüsten
sind die von Carlo Milanesi, ein energischer Kopf, vom
Priester Gaselli, von einem Senatoren ans Asinalunga
und die von Dnprs die besten. Zu Sarocchi's wirklich be-
friedigenden Sachen gehören ein anmuthiger Fischerknabe,
ein Genius des Todes, bei wclchem dem Knnstler offcnbar
Donatello's Bronze-David im Bargello zu Florenz vor-
schwebte, nnd einige Genregruppen, die, zuerst im
Großen ausgeführt, nachher anf cinen kleineren und den
wahren Maßstab reducirt worden sind. Das größere
Exemplar der „ersten Lescstnnde" war in der Pariser Aus-
stellung nnd befindet sich jetzt zn Berlin in Privatbesitz.
Ein Mädchen lehrt ein Kind lesen. Die Zierlichkeit der
Gruppiruug tritt bcsouders im kleincren Maßstab ange-
nehm hcrvor. Die kleincre Gruppe ist im Bcsitze deS
Marchese. Nerli zu Florenz. Die andere dieser Genre-
gruppen: „das erste Gcbet" ward im größcren Maßstab
gleichfalls von einein slorentiner Liebhaber erworben, doch
macht auch hier die mit großer Liebe auSgeftihrte Wieder-
holung im Kleineu einen harmonischcren Eindruck. Endlich
hat Sarocchi das Monument des Giuseppc Pianigiani in
S. Domenico von Siena vollendet, welches Beccheroni,
ein andcrer sienesischer Bildhauer, bei seinem Todc 1855
unvollendet zurückließ. Hier ist an den drei allegorischen
sitzenden Figuren des Handels, der Architektnr nnd der
Physik wieder jene obenerwähnte aristokratische Würde oder
Etikette bemerklich, die anch bei Dupre so oft, z. B. an
den drei Neliefs vou Tugenden an der Basis der Statue
Pius' II. in S. Agostino, zu finden ist.

(Schluß folgt.)

Korrespondenzen.

St. Petcrsburg, Eube 1868.

(Schluß.)

Uuter den Landschaften, dercn viele sehr unbedeutend
und geschmacklos waren, heben wir vor Allem die Werke
Orlowski's und Dücker's rühmend hervor. Die drei
von Orlowski ausgestcllten Landschaften aus der Krhm
zeichnen sich durch ihr gesnndes, naturwahres Kolorit so
wie durch korrekte Zeichnung auS. Namentlich ist es dem
Künstler gelungen, die üppigeVegetation, welche die Süd-
küstederKrymcharakterisirt, wahrwiederzugeben. Dücker
hatte „ein Getreidefeld nach der Ernte" sowie zwei Dar-
stellungen von der Jnsel Rügen geliefert. Während das
erste Gemälde an einer ctwas krankhaften undurchsichtlgeu
Färbung leidet, sind die beiden andern sowohl in der