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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Der Gesetzentwurf für den Norddeutschen Bund betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0067

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cmch ohne Nachweis emes Schadens eine Strafe von
50 bis 1000 Vcreinsthalern, oder im Uuvernwgens-Fall
entsprechende Gefängnißstrafe verhängt werden könnsn.
Dem Künstler ist also nicht nur jeder mögliche Ertrag
seiner Arbeit garantirt, er kann auch aus rein persön-
lichen Gründen jede ihm mißfällige Nachbildung seines
Werkes nach dem Verkauf und nach der Veröffentlichnng
desfelben untersagen (die Motive citiren das Beispiel:
„der Künstler hält vielleicht die seinem Werke zu Grunde
liegende Jdee für sittlich gefährlich — würde nicht darein
willigen, seine pikante und interesfante Arbeit der großen
Masse des Publikums mitzutheilen"); — wie man sieht
ein so wejtgehender Schutz, wie ihu die Künstler nur wün-
schen können.

Nur in einem Punkte weicht der Gesetzentwurf von
den Forderungen der Kunstgenossenschaft ab: er setzt die
Schutzfrist von den geforderten üblichen dreißig Jahren
nach dem Tode des Urhebers aus zehn herab, in der Er-
wägung, daß im Jnteresse der Verkehrs- und Handelsfrei-
heit der gegen früher ansgedehntere Rechtsschutz durch
eine Berkürzung der Frist kompcnsirt werden müsse.

Jn der That werden aus dem ausschließenden Nach-
bildungsverbot so viele lästige Hemmungen des Kunstver-
kehrs entstehen, daß man auch eine zehnjährige Schutzsrist
nach dem Tode des Autors noch bedenklich lang finden
muß. Beispielsweise: Ludwig Richter'sHolzschnittewerdcn
bekanntlich häusig als farbige Zeichnungen aufPorzellan,
in Holzmalerei rc. nachgebildet; für alle diese Fälle bedarf
es in Zukunft der Erlaubniß des Urhebers und jede Dilet-
tanten-Zeichnung riskirt Strafe und Beschlagnahme, wenn
sie durch eine der beliebten Wohlthätigkeits-Lotterien in
den Kunstverkehr eintritt. Oder: will ein Kunstfreund ein
Schnorr'sches Bibelbild als Wandzierde in Sgraffitto oder
Coruelius' Glaubensschild in Relief nachbilden lassen, so
muß die Erlanbniß des Urhebers oder Rechtsnachfolgers
eingeholt werden, soll der Kopist nicht Strafe riskiren. —
Jst dies bei Lebzeiten der Künstler schon lästig, so ist es
doch ansführbar, und selten wird der Urheber eine un-
schädliche Nachbildnng hiudern wollen; aber gegenüber den
Nechtsnachfolgern, die in den meisten Fällen unbekannt
sind, wird diese Vorschrift fast zu einem absoluten Verbot
des Nachbildens überhaupt.

Nach unserer Ueberzeugung ist das ganze Zugeständ-
niß eines ausschließenden Verbietungsrechts derEin-
zelkopie eine verhängnißvolle Verirrung. Möge man, wie
der Bundestags-Gesetzentwurf Lestimmte, die Einzelkopie
unverkaufterOriginale verbieten, so wird dem berechtigten,
namentlich dem doch in erster Linie wichtigen materiellen
JnteressedesKünstlers vollkommen genügt; denn impersön-
lichen Jnteresse derselben ihre Werke gegen unwürdige Nach-
bildung gesetzlich schützen zu wollen, das geht über die Grän-
zen der staatlichen Justizpflege hinaus (Vgl. den beachtens-
werthen Aufsatz von -<. s. Recensionen 1864. S. 233.)

UnddieseunterschiedsloseBehandlungdesVerbietungs-
rechts jeder Nachbildung benachtheiligt entschieden ein Ge-
biet derselben, welchem die nothwendig erachtete Verkürzung
der Schutzfrist gerade so schädlich werden dürfte, als sie
für das Verbot der Einzelkopie dringend geboten erscheint,
nämlich die mechanische Vervielfältigung von
Werken der Kunst.

Die Praxis des Kunstverkehrs muß Vervielfältigungs-
recht und Nachbildnngsverbot allezeit als zwei verschiedene
Dinge auseinanderhalten. Letzeres ist nach dem Verkanf
des Werkes in der Regel dem Künstler nur noch von per-
sönlichem Jnteresse; er wird es überhaupt sehr selten an
Andere veräußern und sich vielmehr die Freiheit eigener
Wiederholungen vorbehalten. Das Necht mechanischerVer-
vielfältiguug aber wird ihm nur dann vom Erwerber
(Berleger) honorirt, weun der letztere sich und seine Erben
in der Ausbeutung desselben lange geschützt sieht, und wir
überlassen es den deutschen Kunstverlegern, zu beurtheilen,
ob die Motive des Gesetzentwurfes mit Recht aussprechen:
„Die durch Bervielfältigung in den artistischsn Verkehr
cintretenden Werke seien meistcns als Luxusgegenstände
einem großen Wechsel des Geschmacks und der Mode
unterworfen und der kunsthändlerische Werth eines Wer-
kespstegemeist nach einemZeitraum von lO bis I2Jahren
vollkommen verschwunden zu sein." Wir meinen: die Ge-
währung der längeren Schutzfrist für Vervielfältigung hat
die segensreiche Folge: daß dem Nrheber bei Lebzeiten der
Gennß des LohncS zu Theil wird, dessen Betrag ihm der
Verleger in Hoffnung eines lange geschützten Ertrags ge-
währt, und unter der Verkürzuug derFrist werden gerade
die Urheber gediegener, von derMitwelt oftnicht belohnter
Schöpfungen leiden, zu deren Verlag sich doch ein den
inneren Werth erkennender Verleger entschließt.*)

Das Verbot gegen industrielle Nachbildung hat unter
Ansschluß der Architektnr, also auch der dekorativen Orna-
mentik und ohue gleichzeitigen Erlaß eines Musterschutz-
gesetzes keine wesentliche Bedentung.**)

') Die buch- und kunsthcindlerische Sachverständigen-
Kommission, welche zur Beurtheilung dcs Gesetzentwurfs im
Januar in Leipzig tagte, hat sich ebenfalls fiir Beibehaltung
der dreißigjährigen Schntzfrist xost inortein ausgesprochcn.
Bon Wichtigkeit erscheint diese AuLdehnung des Schutzes
namentlich gegenüber solchcn Kunstwerken, wclchc von vorn-
herein zum Zwccke der Vervielfältigung geschaffcn wurden, vor
allen also Holzzeichnungcn, bei denen das Origiual selbst unter
dcr Hand des Holzschneiders zu Grunde geht. Auf dem Felde
der Jllustration greifen Bnch- und Kunsthandel völlig in ein-
ander, und es gäbe in der That nichts Widersinnigeres, als
wollte man etwa den begleitenden Text eines Pletzsch'schen
Bilderbnches dreißig Jahre über den Tod des Berfassers
hinans schiitzen und den Schutz fiir die Zeichnungen schon zehn
Jahre nach dem Tode des Künstlers cmfhören lassen.

A. d, N.

Es sei hierzu bemerkt, daß architektonische Abbildungen,
welche im Wege des Buchhcmdels vcröffentlicht werden, dcnselben
 
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