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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Generalversammlung und Ausstellung des "Vereins deutscher Zeichenlehrer" zu Berlin
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0140

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139

Zimmer voll Zeichnungen nach der Antike und sonstigen
plastischen Werken, in Originalgröße selbst bei ganzen
Figuren, blieb nur die Frage offen, ob die Kunstfertigkeit
der darstellenden Hand oder das den Charakter der Form
sicher treffende Auge die größere Anerkennung verdiene.
Eigenthünilich stechen die Proben aus älterer, vor-Kre-
ling'scher Zeit gegen die jetzigen Arbeiten ab.

Ilngern widerstehen wir der Versuchung, einige Be-
denken darzulegen, die der uniforme Charakter all dieser
Blätter, die nicht undeutlich wie Manier gemahnende
Behandlung in uns erregt hat. Doch da hier der hin-
reichende Raum fehlt, unsere Bemängelungen, wie man
es einer solchen Leistnng schuldig wäre, eingehend zu be-
gründen und zu begränzen, so verzichten wir diesmal
daranf.

Proben des Modellirunterrichtes, wie sie in Paris
vorlagen, waren hier von Nürnberg nicht eingesandt.
Die einzigen vorhandenen Stücke dieser Art rührten von
dem noch sehr jungen llnterricht in der Damenakademie
her nnd konnten unter Berücksichtigung der Verhältnisse
wohl genügen, namentlich eine recht lebendige weibliche
Porträtbüste nach dem Leben. Dagegen war plastisches
Unterrichtsmaterial reich vertreten, sowohl durch den
bereits ansehnlichen Gypsapparat der Damenakademie,
wie durch die Gypsmodellsammlung der Stuttgarter
Centralstelle und namentlich durch die methodische Orna-
mentenschule vom Bildhauer Christian Lehr inBerlin.

Als Lehr- und Atelier-Apparat waren dann noch
zahlreiche Aqnarellen, Studien und Zeichnungen von
Theodor Hosemann und Otto Scherfling (gleich
dem genannten Lehr, Lehrern der Damenakademie), von
Otto Weber, Louis Spangenberg, Panl Meyer-
heim und Gustav Klein vorhanden. Jn vier Folgen
von Probedrücken seiner Stiche zeigte Gustav Seidel
die Entwicklung einer Kupferdruckplatte; und als Merk-
würdigkeit haiten sich sogar zwei kleine Aquarellen von
Chodowiecki eingefunden.

Ein eigener Saal enthielt an Wandtafeln alle Arten
von Gerippen, gezeichneten und gemalten Akten (darunter
vielen französischen), den ganzen Lehrapparat für die
Anatomie, Proportionslehre u. s. w. Die Wissenschaft der
Perspektive war durch die namhaftesten Werke von den
ältesten bis auf die neuesten vertreten, und zur Erläute-
rung ihrer Gesetze war eine ziemliche Anzahl von Ap-
paraten ersonnen, unter denen nach einstimmigem Urtheil
die des schon genannten C. Kräuse, eines schlichten
Handwerkers und Autodidakten, den Preis davon trugen.
Er ersetzt die gemeinhin übliche Glastasel durch Draht-
gaze, die ein bequemes Ausziehen der Sehstrahlen durch
Fäden gcstattet. Auch andere ebenso einfache wie sinn-
reichc Apparate, zum Theil aus überall zugänglichem
Material mit Leichtigkeit vom Lehrer selbst zu bereiten,
dienen ihm znm Unterricht in der Projektionslehre.

Eine Unzahl von Büchern, Vorlageheften, Wandtafeln
n. s. w. vertrat die Methodik des Zeichenunterrichtes,
besonders auf seinen ersten Stufen. Leider stellte es sich
herans, daß es an wirklich brauchbarem Material hier
bei aller Fülle des Gebotenen eigentlich fehlte.

Auch von der kunstwissenschaftlichen Literatur (Kunst-
geschichte und Aesthetik) war der Umfang durch eine an-
sehnliche Sammlung der gangbarsten und bedeutendsten
Werke veranschaulicht, auch die Kunstindustrie nicht ver-
gessen. — Dieser Sammlung schlossen sich die Original-
photographien der Nationalgalerie zu London und der
florentinischen Galerien vonderphotographischen Ge-
sellschaft in Berlin an, und eine bunte aber reichhaltige
Stereoskopenausstellung von C. Eckenrath in Berlin
griff hie und da ergänzend in das Ensemble der Aus-
stellung ein.

Berlin. L. N.

Korrespondenzen.

Düsscldorf, Mitte April.

U. Jüngst war es nns vergönnt, das Atelier des
vor einigen Monaten von Weimar hierher berufenen
ProfessorsHermann Wislicenns zubesuchen, vondesten
Schöpfungen wir bisher nur wenige kennen zu lernen Ge-
legenheit hatten; wir waren daher auf's Angenehmste über-
rascht, eine wahre Fülle trefslicher Kartons nnd Kompo-
sitionen zu finden, die, theils vollendet, theils im Entstehen
begriffen, uns erst klar machten, welch bedeutende Kraft
die rheinische Schule an diesem gediegenen Meister gewon-
nen hat. Da fiel uns zunächst ein großer Karton in die
Augen, der für ein im Speisesaale des römischen Hauses
in Leipzig auszuführendes Freskogemälde bestimmt ist
und den Beginn eines Götterbacchanals darstellt. Die
vielen Gestalten sind auf's Schönste gezeichnet und
gruppirt, lebendig anfgefaßt, ohne an Würde zu ver-
lieren, stilvoll, ohne manierirt zu sein. Dann sahen wir
einen andern großen Karton, zu dessen Ausführnng nl
lrssoo in der Schloßkapelle zu Weimar sich der Meister
demnächst nach der Jlmstadt auf einige Zeit zurückbegeben
wird. Er zeigt eine Gruppe musicirender Engel in über-
lebensgroßen Figuren von außerordentlicher Schönheit
und wird dem Orte seiner Bestimmung zum würdigen
Schmucke gereichen. Jm Auftrage eines amerikanischen
Kunstfreundes hat Wislicenus ferner in vier großen
Oelgemälden die vier Jahreszeiten darzustellen, zu denen
der letzte Karton seiner Vollendung entgegengeht. Herrliche
allegorische Frauengestalten mit Kindern und entsprechen-
den Attributen personificiren dieselben.*)

Profestor Wilhelm Camphansen ist gleichfalls mit

') Man vergl. d. Jahrgg. 1867 der Zeitschrift f. bild.
Kunst, S. 184 ff.
 
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