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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Mündler, Otto: Die Versteigerung der Galerie Delessert
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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0122

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Nr. 13.

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IV. Jahrgang.

Grrträgr

smd an vn. C.t>. LUtzow
(wikn, Theresianumg.
ss)od.andieVcrlagdh.
(Leip)ig, Königsstr. s)
zu richten.

16. Äpril.

Inserrrtr

n 2 Sgr. fiir die drei
Mal gespaltene Petit-
zeile werden vonjeder
Buch- und Kunsthand-
lung angenommen.

1869.

Beiblatt zur Zeitschrist sür bildende Kunst.

Verlsg bon L. A. Leemsnn in LrtPZtg.

Am I. und S. Freitage jedes Monats erscheint eine Nummer von in dcr Regel eincm Quartbogen. Die Abonnenten der „Zeitschrift fiir bildende Kunst" er-
halten diesBlatt xrntis. Apart bezogen lostet dasselbel'/zThlr.ganzjährlich. Alle Buch-und Kunsthandlnngenwie allePostämternehmenBestellnngen an.

Jnhalt: Die Bersteigermm der Galeric Delessert. — Korrespondenzen
(Newyorlund Boston (Schluß.), Niirnberg, Düsseldorf.) — Nekrologe
(Lndwig Calamatta, Tobias Grießer). — Personalnachricht. —
Kunstlitcratur und Knnsthandel. — Kunstvcreine, Saminlungen und
AussteUnngen. — Vermischte Kunstnachrichten. — Drucksehler. —
Jnserate.

Die Versteigerung der Galerie Delessert.

Paris, 20. März 1869.

Unser geehrter Frennd und Mitarbeiter Wilhelm Bür-
ger, der seit Wochen an einer schmerzlichen Krankheit dar-
niederliegt, hat im Februarheft des laufenden Jahrgangs
der „Zeitschrift" die Leser bereits mit den Schätzen der
Galerie Delessert vertraut gemacht und auf deren Verkauf
vorbereitet. Er hat damit die angenehmere und lohnendere
Hälfte der Aufgabe — den rein künstlerischen Theil der-
selben — vorweggenommen und Jhrem gewöhnlichen
Pariser Berichterstatter die andere Hälfte überlassen, den
Verlauf der während der verfloffenen Woche stattgefnnde-
nen Versteigerung zn erzählen. Der Rahm ist abgeschöpft,
die Milch ist übrig geblieben, und zwar die saure Milch
des menschlichen Unverstandes. Wir sagen nichts Neues,
wenn wir es aussprechen, daß derartige große Bilderver-
steigerungen, wie wir sie in Paris periodisch wiederkehren
sehen, sich je mehr und mehr von dem Charakter künstleri-
scher Festlichkeiten entfernen und den der frivolsten Spiel-
wuth und Schaustellung gedankenloser Verschwendung an-
nehmen. Allcrdings bleibt es jedem, der crnstere Genüsse
sucht, unbenommen, während der Tage der vorhergehen-
den Ausstellung die einzelnen Meisterwerke zu prüfen und,
soviel als möglich, sich von dem umgebenden Gedränge und
Lärm abschließend, unbeirrt in sich aufzunehmen und zu
genießen. Aber im entscheidenden Augenblicke drängt sich
die Menge mit krankhafter Neugier hinzu, Eindrücken
entgegensehend, welche die engste Verwandtschaft haben
mit der Aufregung, die man um die grünen ^ische von
Homburg und von Wiesbaden sucht. Den Glücklichen
dieser Welt, welchcn vergönnt ist, thätigen Antheil zu

nehmen an dem gefährlichen Spiele, scheint weit weniger
daran zu liegen, ihre Sammlung mit einem seltenen
Meisterstück, einem Werke der Kunst, daran ihre Seele
hängt, zu bereichern, als vielmehr einen passenden und
anständigen Vorwand zu finden, sich mit einem ebenbür-
tigen Gegner zu messen und ihn aus dem Felde zu schla-
gen. Jst der Kampf, der zum Schlusse gewöhnlich ein
Zweikampf wird, mit besonderer Hartnäckigkeit, mit glän-
zenden Ausfällen, z. B. einem Gebote von zehntausend
Franken auf einmal, und schließlich mit Erfolg durchge-
führt, und ist die Summe eine sehr bedeutende, womöglich
eine unsinnige, so lohnt den beharrlichen Sieger auch wohl
ein donnerndes Beifallklatschen, das von der Tribüne er-
schallt; und welcher Lohn kann süßer sein? Jst der glück-
liche Besitzer von seinem Taumel erwacht, und sieht er
des andern MorgenS ernüchtert und mit kaltem Blute das
theuer errungene Kleinod an seiner Wand hängen oder auf
der Staffelei stehen, so entdeckt er möglicher Weise, daß
das Bild ihm gar nicht taugt, oder daß es irgend einen
gröblichen Fehler hat; er gesteht sich ganz im Stillen, daß
er ungefähr dreimal so viel dafür gegeben hat, als es
wirklich werth sein mag, und kann nun den Ueberschlag
machen, wie hoch ihm, in klingender Münze, der gehabte
Triumph zu stehen kommt. — Die Galerie Delessert —
abgesehen von deu neuen, mit sehr zweifelhaftem Ge-
schmacke ausgewählten Bildern — glänzte hauptsächlich
durch einige vorzügliche Niederländer des 17. Jahrhun-
derts, stand jedoch in dieser Beziehung hinter deu 23
Meisterwerken der Galcrie von San Donato (Demidoff)
um einBeträchtliches zurück; eine Perle aber besaß sie, wie
keine der berühmten Saiimiliingen, die in dcn letzten
zwanzig Jahren unter den Haninier gekommen, sich einer
ähnlichen zu rühmen hatte: ein ächtes und unbestrittenes
Bidlchen von Nafsael's Haud. Seit 1843 besaß Hr.De-
leffert dieses Bildchen: die Madonna mit dcm Christuskind,
 
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