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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Herr Alfred Michiels und die Kasseler Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0231
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Herr Alfred Michiels und die Kasseler Galerie,

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famosm offiziösen Kunstfmilletonistm Belgims bekannt
war, leichtsinnig genug zu antwortm. Jn einem rein sach-
lich gehaltenen Schreiben an das lonrnal äss Lsnnx-
^rts weist er nach, daß sowohl nach seiner eigenen langjäh-
rigm und genaum Kenntniß der Galerie, wie nach den
Angaben aller älteren und neueren Kataloge, sowie nach
der Aussage des seit 1842 angestellten Galerie-Jnspektors
Aubel die beiden Bilder von Wouters sich niemals in
der Galerie befandm, sondern als kurfürstl. Privat-
eigmthum im Schloß Wilhclmsbad aufgestellt waren;
daß ferner die Galerie niemals einen Bestand von 1405
Bildern, sondern bis zur prmßischm Annexion (auch
die Bilder in verschiedenm, gewöhnlich unzugänglichen
Sälen mitgerechnet) nur etwa 700 Bilder aufzuweiseu
hatte, und daß erst seit und durch jene preußische An-
nexion die Galerie nicht nur Jedermann zugänglich
gemacht, sondern auch in der Zahl der Bilder auf
836 Stück gebracht sei. Allerdings existire ein Katalog
(vom Jahre 1830), der 1405 Bilder aufzählte, abcr
nicht als Bestand der Galerie, sondern als Gesammt-
zahl von Gemälden in kurfürstl. Besitz. Diesen Katalog
mochte nun der H. Michiels wohl einmal eingesehm
haben, aber wie: dafür zeugt jene Entdeckung des uner-
hörten Bilderraubes, insofern nämlich bei jedem Bilde
die Aufstellung in der Galerie, dcn verschiedenen Schlössern
u. s. f. ausdrücklich bemerkt war. Hatte nun H. Mi-
chiels darüber hinweggelesen oder hinweglesen wollen —
es war ja ein so alter, wenigm nur zugänglicher Ka-
talog — jedenfalls war aus diesem „kleinen Jrrthume"
eine prächtige Gelegmheit zu schmieden, in niederträch-
tigster Weise Dmtsche und obenein deutsche Behörden
zu verleumden.

Die Schlußfolgerungen in Bezug auf feines An-
standsgefühl und Glaubwürdigkeit des Herrn Michiels
hat Or. Bode dem Publikum überlassen, vermuthlich
auch, weil er annahm, daß H. Michiels widerrufen oder
zum Mindesten schweigen würde.

Aber er hatte sich getäuscht: der vlämische Michel
ist etwas anderes als der deutsche! Es war ja nicht
Alles so grob herausgesagt, daß, sich nicht vielleicht mit
einer Finte dagegen vorgehm ließe, zumal das Zeit-
schriftm lesende Publikum doch unmöglich jedes Detail
behält. Er zieht also kühn vom Leder: die schnöde
Anschuldigung, daß niemals 1405 Bilder in der Ga-
lerie waren, also auch nicht 569 Bilder gestohlen sein
könnm, macht ihm wenig Sorge; der brave Mann freut
sich darüber, daß svgar cin Preuße auch einmal ehrlich
sein könne. Von der schnöden Lüge aber, daß er 1865
diese 569 Bilder in der Galerie gesehm habe, wo sie
sich nie befunden habm, davon ist natürlich nicht die
Rede mehr; alle seine Behanptungm und Beschul-
digungen läßt er auf die jetzt plötzlich ganz kleinliche
Affaire von zwei Bildern des unbekanntm Malers

Wouters zusammmschrumpfen. „Wenn ich diese nun
also auch wirklich nicht gesehen hätte?" fragt He^'
Michiels. — Und doch habe ich sie gesehm! Denn der
französische Gesandte in Kassel verschasfte mir Pernwß
für die Galerie, und der brave Kastellan der Galerie,
dem meine täglichen Trinkgelder einiger „thalers" behagten,
ließ mich auch die Bilder in den Schlössern Kassels,
also vermuthlich auch die Wouters im Schloß Wilhelins-
bad sehen. Aber selbst diesen Fall nicht vorausgesetzt, ich
kann sie dennoch in der Galerie selbst gesehm haben;
denn der Kurfürst „ooinms tons lss lmllnvinss" kann
ja auch gelegmtlich die Galerie auf den Kopf gestellt,
Bilder aus dm Schlössern in die Galerie und aus der-
selbm in die Schlösser haben bringen lassen! Hnoä
srut äomonstrnnänin. Endlich aber noch ein Grund
mehr, als sie die wichtigste Sache bedurfte, ein Grund,
„der alle Welt überzeugen muß: ich habe ja die Bilder
ausführlich beschriebm, also muß ich sie doch gesehen
habm." So sagt H. Michiels!

Nach dieser glänzenden Rechtfertigung geht Herr
Michiels seinerseits zum Angriffe über. Der arnie
deutsche vr. xliil., der sich als deutscher Kleinigkeits-
krämer und Stubenhocker schon in jenen lächerlichen
Anklagen gmügend charakterisirte, hatte H. Michiels (in
einer kurzen Note) vorgeworfen, daß er von dem Musse
und der Galerie in Kassel wie von Einer Anstalt spreche,
währmd es doch zwei ganz verschiedene Gebäude und
Anstaltm wären. Armer deutscher Doktor! Wisse denn,
daß der Franzose unter Musoe stets nur eine Kunst-
anstalt, also z. B. auch cine Galerie versteht, unter
Museum dagegen nur eine naturhistorische Sammlung-
Jn Kassel seien also Musäe uud Galerie durchaus gleich-
bedeutend, „da jenes zweite Gebäude nur Naturalim ent-
halte." — Armer Bode! Selbst Dein Ueberwinder be-
daucrt, Dich „in Deiner kindlichen Freude gestört zu
haben, den Leser darauf aufmerksam gemacht zu haben,
daß vie Midas-Ohren nicht bei ihm selbst, sondern bei
einem ganz andern Herrn zu suchen seien!"

Der so erbarmungslos niedergeworfene Gegner
richtet sich indeß wieder auf. Er wagt sogar Herrn
Michiels zu fragm, ob er einmal in dem Museum zu
Kassel gewesen wäre? Dann würde er dort neben natur-
historischen Gegenständm wohl eine recht interessante
Sammlung von Antiken, von Münzcn, von kunstge-
werblichen Gegenständen u. s. f. gefunden haben. So
wäre also doch in Kassel Musse und Galerie auch für
den besten französischen Grammatiker durchaus nicht
dasselbe, um wie viel weniger sür dm vlämischen Mi-
chiels! — Auch mit der Topographie Kassel's scheint
der betreffende Herr trotz seines wiederholten und län-
geren Besuchs von Kassel gleichfalls nicht recht vertraut
zu sein. Oder sollte er sonst wohl behauptm, daß der
alte Kastellaii der Galerie ihm auch die Bilder in dew
 
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