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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Herr Alfred Michiels und die Kasseler Galerie
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Julius, Leopold: Die neue Venus des Kapitol
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0232

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453

Die neue Venus des Kapitol.

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200 Kilometer von Kassel entfernten Schlößchen
^ilhelinsbad bei Hanau gezeigt habe! — Ja, aber der
Eurfürst könnte sic doch gelegentlich einmal in die Ga-
^ie habcn schicken lassen, meinte Herr Michiels. Leider
E°ustatiren dem gegenüber die Beamten der Galerie,
^ß seit mehr als dreißig Jahren vom Kurfürsten wohl
^ilder aus der Galerie entfernt, aber nie eines hinein-
TEefert wurde! — Aber die treue Bcschreibung der
^ilder muß doch Jedermann nberzeugen! O ja,
^dermann, der nicht weiß, daß Sie aus dem Kataloge
^ni Jahre 1830 die ausführlichc Beschrcibung dieser
^ilder Wort für Wort abgeschrieben und höchstens durch
^ne deklamatorische Floskel, wie „qnsl lml ellst" u. s. w.,
^würzt oder richtiger verwässert haben! „Jch habe
^hrien also nachgewiesen, mein lieber Herr Michiels,
^ schließt vr. Bode, daß alle Jhre Behauptungen
Wort für Wort ebenso viele Unwahrheiten waren.
^iiieni solchen Manne gegenüber wird cs mir gestattet
^in, daß dieser erste literarische Streit mit ihm auch
lctzte sei."

Auch jetzt erfolgt noch eine Antwort von Herrn
^iichiels! Die letzte Erklärung bcnutzte er als Mantel,
^Uter dem er noch einige possirliche Sprünge produziren
iuiin. Ans jcner Erklärnng Bode's, fortan ihm gegen-
zu schweigen, liest er erst die „Ankündigung auf
^rtsetzung dieser gleichgültigen Diskussivn bis zum jüng-
iTage" heraus; einige Zeilen weiter drückt er dann
s^ilich „,it Galgenhnmor sein Bedanern ans, von allem
E'ierarischen Verkehr mit Ilr. Bode hinfort ausgeschlossen
^ sein. Dann noch einige prächtige Saltomortales:
-,-stönnen nicht zwei große Seelen in vollständig überein-
stiin-

Menden Beschreibungen von Bildern zusammentreffen?
warum sollte nicht ein Kurfürst von Hessen es
^bglich gemacht haben, Bilder in den Galerien aufzu-
^kgen, paß die Galeriebeamten es bemerken konnten?"
^/hließlich aber „supxosons cpuo js u'ui pns vu
Io8 tndlsuux: «pu'importo nu pudlio?" —
der wackere Kämpe ist mit diesem Trost hinter die
Hecke verschwunden, die ihm der Gegner selbst errichtet hat.

Wir bedauern, daß ein deutscher Kunsigelehrter,
^lendet von dem falschen Schein einer übel erborgten
^tehrsamkeit, zu der Bemerkung sich fortreißen ließ,
"^ß diescr H. Michiels von dcutschen Knnstgelehrten
ungerecht negligirt werde — daß wir in seiner
^'best über Rubens wcit das Beste über diesen Meistcr
s'sitzen!" Wer auch nicht auf die trcfflichen archiva-
und kunsthistorischen Quellcn eingehen kann, die
"^tchiels ausschreibt, ohne sie znm großen Theile anch
zu nennen, wer auch die beste Qnelle, die Gemälde
^ Meister, nicht genau kennt und daher nicht weiß, wie
Herrn Michiels davon durch unmittelbare Anschau-
^"8 bekannt ist und wie wenig er das Gesehene zn sehen
aufzunehmen versteht: ich meine, der sollte voch

zum Mindesten über die Art stutzig werden, wie dieser
Autor, die Geschichte der vlämischen Malerei ans einer
Reihe Feuilletons, die gewöhnlich schon eine französische
oder belgische Zeitschrift gefüllt haben, unabsehbar aus-
spinnt und dann nach Jahren womöglich noch einmal
ein Äournal mit dem abgestandenen Zeug beglückt, —
wie der Verfasser in politischer und sonst tendenzwser
und anekdotensüchtiger Weise die Biographien entweder
selbst ausstaffirt vder alten Klatsch wieder aufwärmt,
wie er längst bekannte Künstler, uralte, leicht zugängliche
Galerien plötzlich „entdeckt", um sich das Relief eines
Kenners zu geben (fnr ihn zwar sind es Entdeckungen!).
Am Besten übrigens trifft Herr Michiels sein Konterfei
selbst an einer Stelle, an welcher er die alten Kunst-
schriftsteller mit dcn Worten geißeln möchte: „los ssuls
NN68, änns oolts nllnirs, os 80Nt Is8 oompils.tsnr8
«pni prsnnsut Is noin cl'Iii^torisnL."

Die neue Venus des Kapitol.

Die gegen Ende des vorigen Jahres auf dem Es-
quilin gefundene Venusstatue ist seit Kurzem in dem
obern Korridore des Kapitolinischen Museums aufgestellt.
Zwar kann ich, was die Schönheit derselben anlangt,
ebensowenig wie die meisten Bcsucher des Museums
dem begeisterten Lobe beistimmen, welches in der Beil.
z. Allgem. Zeit. vom 13. Jan. diesem Bildwerke ge-
spendet wurde, doch scheint mir dieser neue Fund in
anderer Beziehung höchst beachtenswerth.

Die mehrfach gebrochene, aber bis anf beide Arme
wieder vollständig zusammengesetzte Marmorstatue stellt
ein junges, eben herangewachsenes Mädchen, wenig unter
Lebensgröße, im Begriff in's Bad zu steigen, dar. Das
Gewand hat sie bereits auf ein rechts neben ihr stehendes
Gefäß gelegt. Die Füße sind noch mit Sandalen be-
kleidet. Das Haarband ist sie eben zu lösen im Be-
griff und zwar der Art, daß sie mit der linken Hand,
deren Finger noch erhalten sind, den Schopf am Hinter-
haupte in die Höhe hebt, um mit der rechten, welche
gegen den Kopf erhoben war, das Band bequemer ab-
wickeln zn können. Unwillkürlich senkt sich der Kopf,
wie um letztere Thätigkeit zu erleichtern, nach rechts
unten, und die Bewegung der linken Hand giebt dem
ganzen Oberkörper eine leise Beugung nach rechts. Die
Oberschenkel sind stark zusammengepreßt, ebenso die
Unterschenkel, so daß das linke Bcin, das Spielbein,
nur wenig hinter das rechte, das Standbein, gesetzt
werden könnte, folglich die linke Fußsohle fast ganz platt
auf dem Boden steht.

Aus der Beschreibung geht hervor, daß unsere
Venus unter die genrehaften Darstellungen dieser Göttin
gehört. Das Motiv ist anmuthig, die Auffassung Labei
 
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