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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Lübke, W.: Raffael's Madonna di Cempi, gestochen von J. L. Raab
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0174

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^>°d andic PorlNNS».

^"cug, Königsstt. S),
»u richlcn.

^2. Mär)

Nr. 22.
Änscrntc

:>. 25 Pf. sür die drei
Mal gcspaltene Petitzeile
werden von jeder Buch-
und Kunsthandlung an-
genommen.

1875.

Bcibllltt ziir Zcitschrist sür bildcndc Kunst.

Dies Blatt, jede Woche am Frcitag crscheinend, erhalten die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Knnst" gratig; für sich allein bezogen
kostet der Zahrgang 9 Mark sowohl im Bnchhandel wie auch bei den dentschen und österreichischen Postanstalten.

Nafsael's Madonna di Tempi, gestochen von I. L. Raab. — Die Venns von Milo. III. — Ausstelluna alter Meister in der Londoner Akademie.
(Schluh.) — Eine neue Zeitschrift für die Geschichle des Nheinlandes. — Emile Galichon -s. — Kaulbach-Museum; Ausstellung des Burlington
Fine Arts ßlub in London. — Kaulbach's literarischer Nachlaß; aufgcfundene Gemälde alter Meister; Holdein-Denkmal; Ausschmückung des
Berliner Rathhauses; Albert-Denkmal im Hyde-Park zu London. — Auktion Thibon und Chintreuil. — Neuigkeiten des Knnsthandels. — Zeit-
schriften. — Jnserate.

^"ffael's Madonna di Tempi, gestochen von
Z. L. Raab.-)

Eins der amnuthigsten Werke aus Raffael's floren-
^uischgr Zeit ist die kleine Tafel, welche unter dcm
ainen der Madonna di Tempi eine Zierde der Mün-
^ner Pinakothek bildet. Aus dem Hause Tempi zn
"wrenz, wo dies schöne Gemälde lange Zeit unbeachtet
u«d verstaubt in einem Winkel gestanden, wurde es um
^-9 von 5könig Ludwig fnr 16,000 Sendi erworben.
^^benmal ist es bereits gestochen worden, darunter von
^istern wie Antonio (nicht Raffael) Morghen, Des-
^vhcrs, Amsler, Iesi; dennoch wird dieser neue Stich,
^°ster, vollkommener, tiefer eingehend in das Wesen
^ Originals, Lberall mit warmer Theilnahme begrüßt
^Ei'den. Raab hat darin ein Meisterwerk edclster Grab-
mchelarbeit gcliefert.

Das Bild gehört zu jener Gruppe von Werken,
^ Ivelchen wir Raffael auf seineni llebergange ans der
^^Uginesken Ansfassiing in die freiere fkorentinische Dar-
! ^uiigswcisc crblickcn. Man wciß, wie anziehcnd in
seiner Arbeiten aus jcner Epoche die künstlcrische
^ÜHrung, wclche ihn danials Angesichts dcr großartigen
^chöpfungen und des vielseitig bewegten Kunstlebens
^U Florenz ergriffcn hatte, sich zu crkcnncn giebt. Es
'st ein stnfenwciseS Losringcn aus den hergebrachten An-
chauungen seiner cngen umbrischen Heimath, cin frcies
^Ugehen auf dcn lebensvcllen Natiiralismus der Flo-
^Utiner, zuglcich cin frisches Anfnehmen und Berar-

z. Fr. Bruckmani-.'s Verlag, München,m>d Berlin. Höhe
Bieiie 24'/^> Centim.

beiten von Einflüssen der bedeutendsten Meister, namentlich
eines Fra Bartolommeo und Lionardo. Jedes Werk dieser
Zeit trägt daher einen besonderen Stempel für sich,
spiegelt eine bestimmte künstlerische Strömiing, und gerade
die späteren dieser Arbeiten geben sich hie und da diesem
neuen Elemente bisweilen fast zu ausschließlich hin.
Wie sticht z. B. die Madonna di Terranuova mit ihrem
dunklen Kolorit, ihren tiefen bräunlichen Schatten, mit
der fast zu mühsainen Plastik ihrer Modellirung, endlich
mit dem an Lionardo streifenden Typus des Kopfes von
der goldig klaren Madonna di Tempi ab, die wiederum
mit der Madonna del Granduca und der Madonna
Colonna eine Gruppe für sich bildet.

Jn diesen drei Madonnen beruht der ganz beson-
dere Reiz auf der glücklichen Verschmelzung holvseliger
Jnnigkeit, wie sic aus der schwärmerischen Jugendepoche
von Perugia her dem Meister eigen war, mit der reiferen
Durchbildnng der Fornien, dem Gefühl für größeren Wurf,
für volleren Rhythmns der Linien, wie namentlich das
Beispiel Fra Bartolommeo's es ihm zeigte. Jn der Ma-
donna del Granduca hüllt sich die zarteste Mutterliebe
noch in den Schleier jungfräulicher Schüchternhcit,
ähnlich wie auch Schulter und Arm sich aus dem etwas
befangenen Mantelumschlag nicht befreien könncn, welcher
ein Lieblingsmotiv der Umbrier ist. Aber wie holdselig
ist der Ausdruck dieser jugendlichen Scheu, und wie frei
und natürlich läßt der Künstlcr die Mutter das Kinb
auf den Armen halten! Jn der Madonna Colonna
steht die Knospe in voller, reifer Entfaltung, und ob-
wohl die Jungfrau noch das Gebetbuch in der Rechten
hält, wie es in Perugino's Schule herkömmlich war
und Raffael selbst es in der klcinen frühen Madonna
 
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