Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

DOI Artikel:
Zur Erinnerung an Gustav Bläser
DOI Artikel:
Zur Kunstgeschichte Nürnbergs
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0249

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
487

Zur Kunstgeschichte Nürnbergs.

488

Blut leicht durch die Adern fließen ließ. Diese echte
Sanguiniker-Natur hat gerade für den Künstler große
Gefahren. Bläser aber blieb vor denselben bewahrt
durch einen starken Beisatz von Zähigkeit, von kräftiger
Liebe zur Arbeit um ihrer selbst willen, während ihm
für ihren materiellen Ertrag und Werth fast jeder Sinn
fehlte, und durch die wohlthätige Erziehung und strcnge
Disziplin der Schule Rauch's." Dicse Charakteristik
paßt auch auf seinc Schvpfungcn. Denn gerade darin
liegt seine Bedeutung für die Fortbildung der Rauch'schen
Traditionen, daß er dem vorwiegend realistischen Zuge
dieser Schule durch seine idealen Tendenzen ein wirk-
sames Korrektiv entgegensetzte.

Am 22. Mai v. I. wurde Gustav Bläser auf dem
Dorotheenstädtischen Kirchhofe zu Berlin beerdigt. An
demselben Tage hatte er vor 40 Jahren das elterliche Haus
in Köln verlassen, um in das Atelier Rauch's einzu-
treten. Er ruht unter den berühmten Todten, mit
welchen er gelebt. Rauch, Schinkel und Stüler haben
auf dcmselben Friedhofe ihre Nuhestätte gefunden.

L.

Iur Äunstgeschichte Uürnbergs.

Es ist eine auffallende Thatsache, daß die Kunst-
geschichte Nürnberg's streng wisscnschaftlich noch so wcnig
erforscht ist. Die Namen der hervorragendsteu Künstler
dieser Stadt, eincs Wolgemuth, Dürer, Adam Kraft,
Veit Stoß, Peter Vischer, der Kleinmeister rc. sind in
Jedermanns Munde; die Arbeiten derselben sind meist
leicht zugänglich, werden zum Theil eifrig gesammelt.
Aber die Kenntniß der eigentlichen Kunstgeschichte er-
streckt sich nur wenig weiter als über das, was Neu-
dörffer und Doppelmayr berichten. R. v. Retberg's
sehr fleißiges und verdienstvolles Werk „Nürnberg's
Kunstleben" ist noch immer das einzige Nachschlagebuch,
in welchem man sich Rath zu holen Pflegt. Uud doch
ist dasselbe seit seinem Erscheinen durch die in den letzten
zwanzig Jahren angestellten Forschungen vielfach überholt
worden. Zudem verlangt man heute in der Art der
Behandluug mit vollem Rechte niehr, als Retberg seiner
Zeit bieten konnte, vor Allem ein Zurückgehen auf die
ersten Quellen und kritische Vergleichung derselben
mit den erhaltenen Kunstdenkmälern.

Bevor wir an die Herstellung einer wissenschaftlich
begründeten Kunstgeschichte von Nürnberg gehen können,
für welche, als einen sehr wesentlichen Theil der Geschichte
der deutschen Kunst, besondersim sechzehnten Jahrhunderte,
die ganze gebildete Welt ein lebhaftes Jnteresse hegt,
sind noch manche unerläßliche Vorarbeiten zu machen.

Dazu gehört vor Allem ein kritisches Sanuneln
möglichst aller überlieferten historischen Nachrichten und
eine kritisch-analytische Untersuchung der erhaltenen Bau-

denkmäler, d. h. eine kritische Bergleichung der über-
lieferten schriftlichen Nachrichten über dieselben mit den
noch vorhaudenen Bautheilen.

Jn einzelnen Notizen aus dem Nürnberger Archive
haben M. M. Mayer und I. Baader manchcs
brauchbare Material publicirt. Anders hat Lochner,
der genaueste Kenner der Geschichte Nürnberg's, in seinen
verschiedenen, leider sehr zerstreut gedruckten Arbeiten
mitgetheilt. Ein treffliches Hülfsmittel ist auch die
Hegel'sche Ausgabe der Nürnberger Chronikeu, welckst
jetzt in fünf Bänden vollendet vorliegt. Eine im hohen
Grade wünschenswerthe kritische Ausgabe von Neu-
dörffer's Nachrichten über Nürnberger Künstler voin
Jahre 1546 wird Lochner für Eitelberger's „Quellen-
schristen" besorgen. Die Fortsetzung dazu, d. h. die in
Sandrart's großem Werke enthaltenen Nachrichten znr
Geschichte der Nürnberger Künstler hat A. WoltmauN
zu bearbeiten versprochen.

Mit der Untersuchung der erhaltenen Baudenkmäler
mit Bezug auf ihre ursprüngliche Anlage und ihre
allmählichen Veränderungen ist R. Bergau seit mehreren
Jahren beschäftigt. Er wird die bedeutendsten Bau-
werke, die mittelalterliche Befestigung, die Kirchen, das
Rathhaus, die Privat-Architektur, die Bruunen rc. in
einzelnen Monographien darstellen. Ein Anfang dazu
ist scine Schrift über den schönen Brunnen (Vergl.
Bd. VII, S. 95 der Zeitschrift f. b. K.).

Ferner gebrauchen wir Biographien der bedeutendsten
Nürnberger Künstler. Ueber Wolgemuth wissen wir
noch sehr wenig Sicheres. Mit Dürer ist M. Thau-
sing seit Jahren beschäftigt. Seinem Werke sieht maN
mit Spannung entgegen. Ein kritisches Verzeichniß der
Kupferstiche und Holzschnitte Dürer's hat R. v. Retberg
geliefert. Ein kritisches Verzeichniß seiner Gemälde
und Handzeichnungen ist dringend nothwendig und seit
allgemeiner Auwendung der Photographie für Zwecke
der Kunstforschung nicht mehr so schwierig wie früher.
Adam Krafft ist von Fr. Wanderer in erschöpfender
Weise dargestellt. Mit einer Monographie über W-
Jamitzer, von dem man bisher eigentlich nichts An-
deres als den Merkel'schen Tafelaufsatz kannte, ist R-
Bergau beschäftigt. Ueber P. Vischer gehen die
Ansichten noch weit auseinander. Die Einen halten
ihn für einen großen Künstler, die Andern im Wesent-
lichen nur für einen Gießer. Es fehlt zur Entscheidung
dieser Frage noch an einer Zusammenstellung aller
ihni zugeschriebenen Werke in Gyps-Abgüssen und Photo-
graphien, auf Grund deren ein vergleichendes Studiuin
möglich wird. Die erstere wird von dem Germanischen
Museum vorbereitet; die letztere (mit Text von W. Lübke)
hat die Soldan'sche Verlagshandlung begonnen. Sehr
viel brauchbares Material zur Kenntniß der Künstler
zweiten und dritten Ranges erwarten wir auch von den
 
Annotationen