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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Groller, Balduin: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [4]
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Der Sieger in der Konkurrenz um den Dresdener Theatervorhang
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Der Sieger in der Konkurrenz um den Dresdener Theatervorhang.

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berühmten ähnlichen Darstellungen von'Frilh gehalten,
nur daß der Engländer bei solchen Gelegenheiten gleich
Hunderte von typischen Gestalten in ihr volles Recht
treten läßt, während Karger in weiser, künstlerischer
Oekonomie etwa nur ein Dutzend Figuren in den Vorder-
grund schiebt, sie sorgfältig durchführt, und die anderen
im Hintergrunde verschwimmen läßt. Karger ist ein
junger Wiener Künstler, der seit mehreren Jahren in
München lebt und mit diesem Bilde seiner Vaterstadt
zeigt, daß ihm die Zeit, während welcher er von sich
nichts hören und sehen ließ, nicht nutzlos verstrichen
ist. — Gut gemeiut, aber schwach gemalt sind Hackl's
„Wunderkind", ein kleiner Virtuos, der sich vor einer
zopfigen Tischgesellschaft produzirt, und „Vor dem Eid"
von Theod. Pixis. Gut gemalt dagegen, aber uner-
freulich durch die Stoffwahl ist Stocker's „Schmerz-
gebeugt." Eine junge Dame im tiefsten Schwarz ist
an der Bahre ihres todten Kindes zusammengesunken.
Das Bild ist so gut gemalt, daß der glückliche Ersteher
wahrscheinlich trübsinnig werden würde, wenn er das
Bild täglich um sich hätte; so wahr und ergreifend ist
»der Schmerz dargestellt, — aber wer in aller Welt wird
sich ein solches Unglück in's Haus hängen wollen? —
Matthias Schmid hat eine kegelschiebende, ländliche
Gesellschaft gemalt und erfreut damit seine Anhänger
nicht minder, als mit seinen frühcren Bildern. Zu
nennen wären noch einige liebenswürdige Arbeiten von
Graf, Treuenfels und Blume.

Schließlich will ich noch einiger hervorragender
Werke aus verschiedenen Gattungen Erwähnung thun:
vor Allem des bewunderungswürdigen Aquarell's „3n-
neres der Markuskirche" von R. Alt, dann des geist-
vollen, in Wachs modellirten Schildes von 3os. Tauten-
hayn, der Porträtmedaillons von A. Scharff, der
köstlichen Aquarelle von L. Passini („Ein Kürbisver-
käufer) und A. Greil („An das kunstsinnige Publikum"),
der Hausmodelle im deutschen Renaissance-Stil von
Fr. Roth und Fr. Kellner, der höchst sorgfältig
ausgeführten italienischen und orientalischen Reiseauf-
nahmen von Franz Schmoranz und Paul Lange,
und endlich der großen Radirung von Klaus nach
S. LÄllemand's „Schlacht bei Kolin."

Balduin Groller.

Der Sieger in der Konkurrery um den
Dresdener Theatervorhang.

Schon zu Vasari's Zeiten war es etwas gar nicht
Seltenes, daß man sich bei der Konstatirung der Autor-
schaft irgend welcher kunstgeschichtlich wichtigen Schöpfung
ganz gewaltigen Täuschungen aussetzte, sogar wenn es
sich um Zeitgenossen handelte, und das blos deßhalb,
weil man zu wenig bedachte, daß zwei scheinbar ver-

wandte Werke die Resultate grundverschiedener Bedin-
gungen sein können, oder vielleicht nur die zeitweise
Parallelität der Richtungen zweier Meister bezeichnen
So war seither eines der bedeutendsten Werke im Campo-
santo zu Pisa, „der Triumph des Todes", dem Orcagna
zugeschrieben worden; dem inquisitorischen Spürsinn
moderner Kunsthistoriker aber gelang es, in Lorenzetti
den Autor dieses berühmten Freskogemäldes zu ent-
decken; so haben wir kürzlich erst gelesen, daß eine
Marmorstatue in Pisa, ein vermeintliches Werk des
Donatello, als der längst verloren geglaubte Johannes
des Michelangelo wieder erkannt wurde, so endlich, um
auch ein Baudenkmal anzuführen, wird immer noch
Palazzo Ugnccioni in Florenz von einer Seite dein
Raffael zugeschrieben, von anderer, — welch' ein Gegen-
satz! — dem Palladio. Nimmt es sich daneben st
fremdartig aus, wenn auch über unsere mitlebenden
Künstler ähnliche Jrrthümer sich geltenb machen können,
wenn wir neulich bei Gelegenheit der Konkürrenz urn
den Dresdener Theatervorhang in allen Zeitungen von
„Makart's sich auf unverkennbare Weise verrathendeM
Pinsel", von dem Entwurf berichtet fanben, „welcher
Makart's Vaterschaft in jeder Hinsicht offenbart" und
die Eröffnung der Kouverts diese so sicher aufgestellten
Behauptungen Lügen strafte?

Dieser vermeintliche Makart, welchem von fünf
unter sieben Preisrichtern der Ehrenkranz zugedacht wurde,
ist Professor Ferdinand Keller in Karlsruhe, und
über den Mann, welchen man mit Makart verwechseln
konnte, Näheres zu erfahren, auch eine Erklärung solchen
Jrrthums zu erhalten, wird manchem unserer Leser
gewiß erwünscht sein.

Ferdinand Keller ist 1842 zu Karlsruhe geboren-
Schon auf dem Gymnasium war er als ein vorzüglicher
Zeichner bekannt, eben so wie sein älterer Bruder Franz,
der unter deni Namen Keller-Leutzinger neuerdings durch
prächtige, eigenhändig auf ben Holzstock gezeichnete Jllu-
strationen aus Brasiliens Urwäldern sich einen Namen
erworben hat. Nicht minder glänzte in der Heimath
der Vater beider Brüder unter den ausübenden Kunst-
dilettanten, der seine Wohnung sowohl durch treffliche
Kopieen nach allerlei Meistern wie durch eigene Kompo-
sitionen zu schmücken wußte. Der Bater und Franz,
beide tüchtige Jngenieure, folgten einem Rufe nach Rw
de Janeiro zur Urbarmachung der Wildniß am oberen
Amazonenstrom und zur Herstellung von Verkehrswegen,
und bald darnach siedelte die ganze Familie dahin über-
So verlebte Ferdinanb seine ganze reifere Jugendzeit,
anstatt hinter Büchcrn und im Aktsaal sitzend, mitten
in großartigster unr phantasiebelebendster Umgebung,
und die Zeit von seinem 16. bis zuni 2l. Iahr wai'
ganz dem Naturstudium gewidmet.

Die Entdeckungsreisen in unerforschte Urwälber,
 
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