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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Heft 52
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Berggruen, Oscar: Aus dem Wiener Künstlerhause
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Verschiedenes und Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0418

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825

Korrespondenz.

826

zu sollen glauben, von der irrigen Ansicht znrückkommen,
daß man jedes Gesicht und jede Gestalt durch alterthüm-
liche Gcwandung „interessanter" niachen könne; die
meisten Originale der Bildnisse aus unserer Zeit sind
so erschrecklich modern, daß sie, in alter Trachl darge-
stellt, den possterlichsten Eindruck hervorbringen. Auch
die „Ophelia" Makart's ist diesmal ausgcstellt. Die
wundervoll gemalten violetten Stoffe, die in geschickter
Anordnung den ganzen Hintergrund umziehen, bereiten
mit ihren Reflexen eine eigenthümlich schwüle, geheimniß-
volle Stimmung glücklich vor; allein es bleibt beim
Präludium, und der Künstler greift das rechte Thema
nicht. Jn so schemenhaft auseinanderfließender Gestalt
kann uns die 'unglücklichc Ophelia nicht rührcn, und
der spekulirende Dänenprinz macht vollends den aller-
kläglichsten Eindruck, ohne das geringste Jnteresse zu
erwecken. Daß Kostüme und Beiwerk glänzend gemalt
sind, braucht bei Makart gar nicht erst hervorgehoben
zu werden; so ist ein reiches, eingelegtes Kabinet, das
aus des Künstlers eigener Sammlung stammen dürfte,
ein Kabinctsstück an zierlicher Ausführung. Von Ham-
man ist als verkäuflich der „Shakespeare seiner Familie
den Hamlet vorlesend" ausgestellt. Trotz der virtuo-
sen Technik kann man dem nach bekanntem Rezepte zu-
sammcngesetzten, aller individuellen Züge entrathenden
Bilde keinen Geschmack abgewinnen; die Zeit solcher
schablonenhafter Literaturbilder, wie wir sie nennen
möchten, ist vorbei. Domenico Jnduno hat einige
geistvolle, nur allzu skizzenhaft gemalte Genrefiguren
ausgestellt; G. Jnduno dagegen ein sehr anmuthiges,
in Komposition, Zeichnung und Farbe gleich sorgfältig
und trefflich behandeltes Stimmungsbild „Die Erwar-
tung". Von Canon sahen wir den „Nachen" und als
Pendant sein „Edelfräulein" gern wieder; auf dem
ersteren namentlich ruht der volle Zauber eines dem van
Dyck entlehnten Kolorits und vornehmen Vortrages.

Der geistreiche Gabriel Max hat diesmal einen
sehr schlichten Vorwurf „Die Waise" gewählt und ihn
einfach, mit tiefer Empsindung und schönem, sattem
Kolorit zur Darstellung gebracht. Erwähnenswerth sind
noch eine trefflich belenchtete Abendlandschaft von Rous-
seau in Paris und eine große, sehr gclungene Wald-
landschaft von Douzette iu Berlin, eincm Schüler
Achcnbach's.

Aus der älteren Wiener Schule sind eine 1826
gemalte Alpenstudie von Gaucrmann, ein hübscher
Marko und ein durch gemüthvolle Auffassung und
schöne Farben- und Beleuchtungs-Effekte besonders wirk-
sames bäuerliches Genrebild von Waldmüller vor-
handcn. Von den lcbenden Wiener Künstlcrn haben
Hlavacek, Hansch, A. Schäffer uud Munsch ge-
lungene Landschaftsbilder, Ranzoni ein gutes Thier-
stück, Lafite zwci intcressantc, aber an künstlcrischem

Werth ungleiche Studienköpfe ausgestellt. Makart ist
mit einer älteren „heroischen Landschaft" vertreten, die
in töloristischer Hinsicht jedenfalls mehr bedeutet als in
Bezug auf die Komposition. Die Aquarellisten Rudolf
und Franz Alt haben auch diesmal zahlreiche Veduten
aus allen Weltgegenden gebracht; Ruben aus Venedig
eine lebendige, vorzüglich gemalte Studie, „Die Granat-
äpfel-Verkäuferin", und Schönn eine „Siesta türkischcr
Frauen", ein sonnenhelles, prächtig kolorirtes Genrebild,
welches sich seinen bekannten trefflichen Darstellungen
des orientalischen Lebens würdig anreiht. So ist es
diesmal gelungeu, trotz der Ungunst der Zeit und der
noch andauernden „todtcn Saison" eine recht interessante,
wenn auch nur zum Theil aus Novitäten bestehende
Ausstellung zu Wege zu bringen.

Oskar Berggruen.

Korrrspoiideiij.

Kassel.

Die in einer früheren Korrespondenz bespro-
chenen Unterhandlungen über die Reorganisation
unserer Akademie scheinen noch nicht zu einem end-
giltigen Resultat geführt zu haben; doch ist Aussicht
vorhanden, wenigstens die Lokalfrage bald und in wün-
schenswerther Weise erledigt zu sehen. Es ist zu hoffen,
daß weitere Berufungen von tüchtigen Lehrkräften an
die genannte Anstalt bald nachfolgen werden. Zahlreiche
und, wie wir glauben, sehr triftige Gründe für die Noth-
wcndigkcit dersclben wurden bercits früher vorgebracht,
doch bei weitem noch nicht in erschöpfender Weise. Sv-
wcit die hier befindlichen Kunstsammlungen, die in letzter
Zeit wesentlich vergrößert wurden und in Beziehung
auf welche noch bedeutende Veränverungen und Ver-
besserungen bevorstehen, bei dieser Frage in Berücksich-
sichtigung kommen, mag nun noch Folgendes bemerkt
werden.

Unsere Gemäldegalerie, jetzt bekanntlich in sehr
ungünstig beleuchteten Räumcn befindlich, wird nach
ihrer Uebersiedelung in das neue nach den Plänen v.
Dchn - Rothfe lser's crbaute Galeriegebäude, dessen
innere Einrichtung (insbesondere die Beleuchtuug) eine
musterhafte zu werden verspricht, auch für das künst-
lerische Studium eine erhöhte Bedeutung gewinnen.
Ebenso bietet unser Museum in dieser Beziehung das
reichste Material, seitdcm dasselbe unter Leitung Or.
Pinder's eine wesentliche Ergänzung durch Anlegung
einer bedeutenden Sammlung vorzüglicher Gypsabgüffe
nach den Meisterwerken der antiken Kunst erhalten hat,
in Folge dessen Kassel zu den wenigen Orten zählt,
welche Gelegenheit bieten, einen nahezu vollständigen
Ueberblick über die Entwickelungsperioden der antiken
Kunst zu erhalten. So nützlich unv erfreulich nun auch
alle diese Veranstaltungen für jeden Kunstfreund sind,
 
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