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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Groller, Balduin: Gustave Deloye
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Verschiedenes und Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0063

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115

Kunstliteratur.

116

Wort. Jn der Vorhalle HLmmern und feilen seine Ar-
beiter an den großen Marmorblöcken herum; diese, aus-
nahmsweise kcinc Jtaliener, sondern biedere Deutsche,
habcn im Umgange mit Delvye das Französische schon
erlernt; wcnn sie es sprcchen, plagen sie sich ehrlich dabei,
aber sie sprechen es doch schon. Da haben Sie einen
kleinen Beitrag zur Bölkerpsychologie.

Von Dcloye's Arbeiten fällt uns znnächst das Mo-
dell ciner Amphitritc in's Auge, die vor wenigen Tagen
erst au einem Viadnkt der Staatsbahn bei dem Bahn-
hofe in Pest enthüllt wurde. Viel Rühmlichcs ist dicser
8' hohcn Statue nicht nachzusagen; freilich hatte man
beliebt, den Künstler zu einer Proforcejagd einzuladen-
Es klingt fast unglaublich, daß von einem Bildhauer
vcrlangt wnrde, cr solle in einem Zeitraum von fünf
Wochen drei Skizzen und ein Modell vorlegcn, die
kolossale Statue in hartem Stein ausführen und an Ort
und Stellc aufstellen lassen! Deloye hat das Kunststück
fertig gebracht, allein er thäte wohl daran, an dem
Sockel der Amphitrite durch eine Gedenktafel die Ge-
schichte diefes Kunststückes der Mit- und Nachwelt zu
erzählen, um so auf mildernde Umstände zu plaidiren.
Viel freier zeigt sich sein künstlerischer Geist in den für
den Eisenguß bestimmten, lcbensgroßen Modellen zweier
florentinischer Äünglinge, die den Wintergarten des Für-
sten Liechtenstein auf Schloß Eisgrub zu zieren bestimmt
sind, und die in der Eisengießerei des Fürsten zu Adams-
thal gegossen werden sollen. Sie sind ernst und streng
komponirt und haben den etwas herben, aber großartigen
Charakter, dW den Werken der Frührenaissance eigen
ist. Deloye komponirt überhaupt diskret und stilvoll,
und von jeder Skizze ist es auf den ersten Blick herab-
zulesen, für welches Material sie entworfen wurde. Bon
großem Reize sind auch vier mächtige Gartenvasen, die
jetzt in Marmor ausgeführt werden, und die in dem
Liechtensteingarten aufgestellt werden sollen. Sie zeigen
in den Frucht- und Blumensträngen, die sie umkränzen,
sowie in ihrer ornamental-figuralen Ausschmückung den
feinen dekorativen Geschmack des Künstlers in glücklichstem
Lichte. Mehrere Porträtbüsten, alle von fesselnder Cha-
rakteristik und kühner Behandlung, will ich nur kurz
erwähnen, um gleich auf einige Stücke hinzuweisen, die
dcn erschöpfendsten Begriff von Deloye's Begabung zu
liefern im Stande sind. Das sind zwölf ovale Medaillons,
von eincr Höhe von je ungefähr 1>//, die mit Bas-
reliefs bedeckt sind, zu welchen die Mythen der Liebe
und des Weines die Vorwürfe lieferten. Die Medaillons
sollen in Bronze gegossen werden und haben die Be-
stimmung, an den Füllungen einer glanzvollen Möbel-
garnitur, insbesondere an den Thüren der Scbränke,
Kasten und Kredenzen angebracht zu werden. Das werden
nun Leistungen werden, zu welchen sich der Bronzeguß
in der Thal beglückwünschen kann. Die Kompositionen

sind von einer köstlichen Zartheit und Liebenswürdigkcl!'
man kann sich nichls Bezaubernderes denken, als diese übew
aus anmuthigen Darstellungen der Liebesgöttin nnt ih^^
Umgebung. Deloye wird von manchem Wiener BildhaRl
in der Erfassung monumentaler Aufgaben erreicht, b'
übertrofsen, aber mit diesen seinen Leistungen auf k>eu>
Gebiete der plastischen Kleinkunst steht er einzig da
uns. Auf das Glänzendste thut dies auch noch e"'
Kästchen dar, das er im Auftrage des Hofgraveurs Jaune>
entworfen hat. Dic zu diescm Zwecke modellirtcn kleinen
Reliefs sollen in Stein geschnitten und auf den dunkbN
Grund eines Halbedelsteines aufgelegt werden. dw
Kästchen ist zu einem Hochzeilsgeschenke bestimmt, nn^
damit ist der Ideenkreis für seine plastische Ausschmückung-
die ebenfalls in Bronze gegossen werden soll, klar vow
gezeichnet. Den Deckel krönt eine graziöse Darstellnng
von Amor und Psyche, in runder Arbeit, und an den
vier Ecken throncn vier weibliche Gestalten, mit ver-
schiedencn Attributen, um die verschicdenen Artcn vev
Lieb' und Trcu' zu versinnlichen. Dic Abstufungen de^
Kästchens sind durch Perlenschnüre, Ochsenaugen, Lorbeew
stäbe und Ruthenbündel markirt, — das Ganze wn'v
ein außerordentliches Werk der Kleinkunst und der Kuust'
industrie werden.

Als Curiosum erwähne ich noch eine eigenthümlickst
Atelierzierde: eine nackte Porträtstatue der berüchtigte»
Cora Pearl in carrarischem Marmor. Sie wurde i"
Paris anf Bestellung des Prinzen Jerome Napoleo»
angefertigt, — aber das war vor dem Krach, d. h. vol
Sedan. Ob die Statue nun doch noch einmal abgeholt
werden wird, wer vermöchte das zu sagen?

Balduin Groller.

Lunstlitrratur.

Der Tempet Ver Athena Nike, kunstkritisch beleuchtet von
I. Prestel. Mainz 1873. 8.

Die architektonische Seite dieses Monumentes ist
im Vergleiche mit dem plastischen Schmucke desselbeN
etwas vernachlässigt geblieben. Man behandelte meist
die Architektur nur so nebenher, obgleich es auf det
HaNd lag, daß eine kritische Betrachtung der Architest
turformen, wenn nicht mehr gesicherte, so doch ebenso feste
Anhaltspunkte für die Datirung des ganzen Werkes ab-
geben mußte. Diese Lücke in der wissenschaftlichen For-
schung war um so fühlbarer, je verschiedener die An-
sichten sind, die sich aus der ausschließlichen Betrachtung
der plastischen Theile ergeben haben.

Der Verfasser vorliegender Arbeit hat dieses Be-
dürfniß erkannt, und wenn er auch jede an Lem Werke
vertretene Kunstthätigkeit einer Erörterung unterwirft,
so war doch sein Hauptaugenmerk auf die Architektur
gerichlet, wie auch in dem, was zu deren Charakterbilde
 
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