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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Ein Stadtbild von Hobbema
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Sello, G.: Zum Titelholzschnitt der "Neuen Nürnberger Reformation" vom Jahre 1522
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0103

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Zum Titelholzschnitt der „Neuen Nürnberger Reformrtion" vom Jahre 1522.

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der Lichtwirkungen, von dem energischen Effekt der Häu-
ser des Vordergrundes bis zu dem sanften Verschwim-
men der Ferne, in aller ihrer Mamngfaltigkeit ent-
wickelt; die subtilsten Feinheiten der Luftperspektive, die
schwicrigsten Unterscheidungen der Stoffe sind mit der
gleichen Breite und Sicherheit des Pinsels zur An-
schauung gebracht. Außer dem Himmel mit seinem lich-
ten, slockigen Gewölk, bilden in Hinsicht auf die Vir-
tuosität in der Handhabung des Vortrags und der
malerischen Perspektive besonders das Wasser mit den
Pfählen, dem schwer sich bewegenden Boote, in dem der
Mann sich abarbeitet, und die große Mühle des Mittel-
grundes mit ihren verschiedenen Einblicken und Vor-
sprüngen die Glanzpnnkte des Bildes.

Das Werk hat neben dem schön geschriebenen Mo-
nogramm N. 1l. leider kcine Jahreszahl. Aber es ist
unzweifelhaft, daß es der besten Zeit des Künstlers an-
gehört. Es trägt die Signatur der vollendeten Meister-
schaft an der Stirn. Specielle Kenner des Hobbema
wurden durch das Bild an die große Allee „lüs nvs-
nns" der Londoner Nationalgalerie (aus der Samm-
lung Rob. Peel's) erinnert und mit dieser stimmt auch
die Größe der Leinwand (104 Cent. H. und 146 Cent.
Br.) merkwürdigerweise genau überein.

0. v. D.

Znm TitelhoWiiiitt der „Neuen ttiirnlierger
4trformation" vom Zahre 1522.

A. v. Eye, Leben und Wirken Albr. Dürer's, 1860,
S. 455, bespricht einen gewöhnlich, und so auch von
ihm, Dürer zugeschriebenen Holzschnitt, darstellend eine
Titelverzierung zu der Ausgabe der neuen Nürnberger
Reformatiou vom Jahre 1522 (sckit. xriuo. 1484).
Derselbe ist nach dem Originalstock reproducirt bei
Becker „H. Sachs im Gewande seiner Zeit."

Von den beiden darauf befindlichen allegorischen
Figuren ist die eine die Gerechtigkeit; von .der an-
dern, welche aus einem mit der rechten Hand erhobenen
Geldbeutel Münzen fallen läßt, sagt Eye nur, fie sei
eine weniger klar ausgesprochene Personifikation, ohne
irgend welche Vermuthung über ihre Bedeutung auszu-
sprechen.

Er beschreibt die Letztere insofern unrichtig, als er
sie „mit entblößter Brust, aüs der eine Feuerflannne
schlägt", schildert.

R. v. Retberg, Dürer's Kupferstiche und Holz-
schnitte, 1871, xu§. 115, spricht den Holzschnitt Dürern
ab, und denkt an Georg Pencz als Verfertiger desselben.
Er nennt die von Eye unerklärt gelassene Figur „Ueber-
fluß" und beschreibt sie richtig.

Zu ihrer Erklärung verweise ich auf einen Holz-

schnitt in Folio mit dem Monogramm Ll. 8. vor Bc-
ginn des Textes von „der Stat Nurnberg verneuü
Reformation, 1564" (Nürnbcrg bei Valentin Geißk^'

Der Titelholzschnitt, darstellend einen Kaiser
römischer Tracht mit einem Buche in der Hand und der
Unterschrift ILIU. 0V8T08 OU6 VA, und Moscs C-'i
mit der Gesetzestafel und der Unterschrift OLX VOX^ ^
OIU, dazwischen die beiden Nürnberger und das Oeflrr''
reichische Wappen, sowie der deutsche einköpsige Adler,
führt ebenfalls das Monogramm Itl. 8.

Die Bedeutung der Figuren ist auf dem uns o''
tercssirenden Holzschnitt lateinisch beigesetzt.

Jn der Mitte des Bildes sitzt in matrouenhaft^
Kleidung U.68 xubliou, in ihrem Schoße schlaftn^
die U ux mit einem Palmenzweige. Jene ermahnt
erhobenem Zeigefinger der rechten Hand die zu ihrei'
Rechten sitzende lu^titiu, während sie mit der linkeu
ausgestreckten Hand der auf ihrer anderen Seite sitzendeU
0il)6rg.Iitu8, welche aus einem geöffneten, mit der
linken Hand in die Höhe gehaltenen Geldbeutel Münzeu
in cin Maß fallen läßt, das sie auf dcn Knien hü^
und das die Jnschrift I'UO LIÜLI10 trägt, zu wehreu
und ihr Mäßigung anzuempfehlen scheint. Ueber der
UiÜ6ruIitu8 fliegt ein Bienenschwarm mit der Bei'
schrift: Oouoorckiu. Jm Hintergrunde ist eine Land-
schaft mit der Burg von Nürnberg zur rechten Hand
des Beschauers. Aus den Wolken blickt segnend der
Heiland.

Die Bezeichnung der Figur mit dem Geldbeutel
als Oidsrulitu^ scheint mir durchaus zutreffend,
wenn man erwägt, daß namentlich die Dichter des
späteren Mittelalters die IurA6886, die Freigebigkeit,
als eine der Haupttugenden des Staatsoberhauptes hin-
stellcn, und daß der Zeichner zweifelsohne die Absicht
gehabt, in seiner Allegorie die Grundelemente einer ge-
sunden republikanischen Staatsverfassung darzustellen.

Durch „Gerechtigkeit, Friedfertigkeit, Eiutracht,
Freigebigkeit" werden dieselben jedenfalls besser reprä-
sentirt, als wenn wir an die Stelle der Letzteren den
„Ueberfluß" setzen würden.

Daß die Figuren mit dem Geldbeutel auf beideu
Holzschnitten identisch sind, scheint mir unzweifelhast,
obwohl ihre übrigen Attribute nicht völlig überein-
stiuimen.

Darum werden wir Eye's zweifelhafte Figur auf
dem angeblich Dürer'schen Holzschnitt nicht mit Retberg
Ueberfluß, sondern Freigebigkeit nennen. Als
solche steht sie auch zu der Gerechtigkeit in sinnvoller
Beziehung, während die Kombination von Gerechtig-
keit und Ueberfluß eine willkürliche genannt werden
müßte.

Daß der Figur bei Dürer der Schesiel, der bci
dem Meister N. 8. die aus der Brust schlagende
 
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