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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Die akademische Ausstellung in Berlin, [4]
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Verschiedenes und Inserat
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0033

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55

Korrespvndenz.

56

in's Graue und Trübe. Zu diesem so eigenthümlichen
Lokalton passen denn auch die Figuren, die Männer
mit ihrem weiten Kaftan, .dcm bartloscn vcrwcttertcn,
von langen Haarstrchncn eingefaßten Antlitze, dcm stu-
piden Ausdrucke und den phlegmatisch-schwerfälligen
Bewegungen; die Fraucn mit den fahlen Farbcntönen
ihrer Kleidung. Diesen Borzügen gesellt sich eine breite,
aber doch scharf zeichnende und das Charakteristische
poiutirende Malwcise. Bei dem hohen Reize dcs
Ganzen wünschte man nur in den Hauptsachen da und
dort eine weiter getriebene Durchführung, namentlich
die Hauptköpfe würden dadurch wohl noch fesselnder.

Der elegische Zug, dcr hier dem Charakter des Darge-
stellten durchaus entspricht, findet nicht so ganz seine
Berechtigung in Michael's „Mädchenschule im Sa-
binergcbirge". Hicr wäre vielmehr eine humoristische
Auffassung oder frische Naturwüchsigkeit eher am Platze
gewesen, als jener wenn auch leise auftretende Welt-
schmerz. Dieselbe Sinnesweise findet sich in Michael's
„Elementarstudicn" wieder. Eine klcine Jtalienerin,
nahezu in Lebensgröße, sitzt an einem Tische über ihren
Schularbeiten, dabei schaut sie so schwermüthig in's
Weite, wie es allenfalls dem eben zur Jungfrau heran-
reifenden nordischen Mädchen ab und zu eigen, aber
nicht dem lebensfrohen Naturkinde des Südens. Ue-
brigens sind bcide Bilder breit und sicher behandelt >n
einer nach venezianischen Vorbildern geschulten Manier.
Dies Studium tritt noch mehr in einem dritten (kleinen)
Bilde Michael's „Jm Kloster" hervor. An einer
großen snntn oonvsrsWionö malt ein Mönch, dem ein
anderer zusieht, wcHrend ein dritter und vierter sich in
Betrachtung der Skizzen des Künstlers versenkt haben-
Diese beiden letzteren sind namentlich ungemein lebendig
aufgefaßt ünd prächtig gezeichnet, in Haltung und Ge-
berde ganz Aufmerksamkeit und Genuß. Trotz der
Kleinheit der Figuren sind sie dabei mit breiten Pinsel-
strichen sicher und voller Charakteristik gegeben; dazu
ein leuchtender warmer Goldton über dem Ganzen,
welches ich so für mein Theil wenigstens unter die erfreu-
licheren Stücke der Ausstellung rechne. L. U.

Korresponden;.

Wien, 27. Oktober.

Die erste Ausstellung im Künstlerhause nach den
Sommerferien ist nun glücklich eröffnet, allein eine be-
sonders erfreuliche ist sie nicht geworden. Die Mit-
glieder der Wiener Künstlergesellschaft selbst haben sich
nur spärlich an derselben betheiligt, da die nieisten von
ihnen, kaum zurückgekehrt von den Studienreisen, erst
jetzt daran gehen, das im Sommer gesammelte Material
zu verarbeiten. Nur einzelne Eclaireurs scheinen anzu-

deuten, daß die wiedereröffnete Saison wieder stattliche
Heeressäulen auf dem Schauplatze der Begebenheiten
versammeln werde.

Den integrirenden Bestandtheil der diesmonatlichen
Ausstellung bilden siebzig Blatt Skizzen und Zeichnungcn
von Gauermann und vierzig bis fünfzig Oelstudien
von Adolf Obermüllner. Die Gauermann'schcn
Zeichnungen sind sehr sehenswerth, wenn sie anch durch
Lie oft wiederkehrenden und wohl nur znr eigenen Uebung
von dem Künstler dutzendmale wiederholten, minutiösen
Detailstudicn einen ziemlich monotonen und ermüdendeN
Eindruck hervorrufen. Es ist wahr, und darin beruht
ihr Hauptreiz, sie gewähren einen klaren Einblick in dw
geistige Werkstätte des verstorbenen Meisters; allein seine
vollendeten Arbeiten selbst sind bei uns noch nicht selten
genug, als daß diese pietätvoll gesammelten Fragmente
im größeren Publikum auf ein besonderes Jnteresse rech'
nen könnten. Daß jedes Stückchen Papier, welches
Gauermann einmal mit einem Bleistifte berührt, gc-
sammelt wird, mag angehen; allein deßhalb darf man
es noch nicht für gerathen finden, öfter mit solchen Kol-
lectionen hervorzutreten. Die jetzt ausgestellte Serie
von Zeichnungen ist nicht die erste, die uns im Künstler-
hause geboten wird, und sie gleicht dem Charakter nach
den früheren auf ein Haar. Die Details sind ehrlich
der Natur nachgezeichnet, allein ein besonders großer
Blick für malerische Wirkung, oder die Fähigkeit, die
Erscheinung wiederzugeben, ohne sich in Haarspaltereien
zu verlieren, wie sich das z. B. vortrefflich in den Hand-
zeichnungen und Detailstudien der Rosa Bonheur ver-
eint findet, ist bei Gauermann nicht einmal immer auf
seinen Oelgemälden zu finden, geschweige denn in diesen
Bleistiftzeichnungen. Kurz, unseres Erachtens wäre es
besser, die Zeichnungen gesammelt in einer Mappe allen
denjenigen zugänglich zu halten, die ein spezielles Jnteresse
daran haben, Gauermann zu studiren. So unter Glas
und Rahmen wird diesen nicht für die Oeffentlichkeit
hingeworfenen Kleinigkeiten unwillkürlich eine Wichtigkeit
beigelegt, welche der Künstler selbst für sie nie bean-
sprucht hat, und welche sie schließlich auch nicht ver-
dienen.

Jn demselben Sinne müssen wir uns auch über
die lange Reihe der Obermüllner'schen Oelstudien
aussprechen, nur daß es hier der Künstler selbst ist, der
uns die Hobelspäne aus seiner Werkstatt zeigt. Woher
nimmt ein junger Künstler die Nöthigung, woher die'
Berechtigung dazu? Er soll ein gutes Bild zeigen, das
beweist mehr, als der ganze Kram, der hier allein einen
Saal in Anspruch nimmt. Bei dem Bilde heißt es
erst: llia Ilkioäns, llio sakta! Und wenn Einer beim
Examen durchfällt, so helfen doch alle seine Beweise, die
er für gute Präparationen aufbringt, nichts. Es ist
wahr, wcnn man liest, Obermüllner hat diese Studie
 
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