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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Lübke, W.: Zur Wiederherstellung des Vierungsthurmes am Straßburger Münster
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Verschiedenes und Inserate
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Korrespondenz.

586

585

Teben. Äch habe als Vorbilder einerseits die Vierungs-
Euppel von S. Aposteln in Köln, andrerseits die mittel-
rheinischen Bauten zu Gelnhausen, Sinzig u. s. w.
^vrgcschlagen. Namentlich letztcre mit ihren acht Gie-
^eln und schlankerem Helm scheinen mir beachtenswerth.

läßt sich doch nicht leugnen, daß die Lucarnen, welche
^er vorliegende Entwurf bietet, eine Form sind, die zu
höherer organischer Durchbildung und Verbindung nicht
Zelangt ist. Wo sie aber an alten Denkmäleru vor-
Eenunen, wie z. B. am Dom zu Worms, da erscheinen
^e durch die größere Schlankheit des Daches weniger
^ugünstig. Vergessen wir nicht, daß die auch Wolt-
U'ann's Aufsatz beigegebene Darstellung des neuen Pro-
lektes mit gutem Bedacht von einem sehr hochliegenden
Äugenpunktc aus genommen ist, der in Wirklichkeit mit
eineni um mehr als 100 Fuß tieferen Standpunkt ver-
^uscht werden wird. Wie werden da die Linien per-
!pektivisch zusammengezogen, wie beträchtlich wird das
^ach der Kuppel ineinander schrumpfen!

Jch will diesen Bemerkungen nichts weiter hinzu-
^gen, als den Wunsch, daß eine so wichtige Angelegen-
heit durchaus in dem Sinnc gewissenhafter Prüfung
*>nd sorgfältigster Studien, wie er sich so wohlthuenv
'u der Arbeit des hochverdienten Münsterbaumeisters zu
^kennen giebt, zur Erledigung gelange.

W. Lübke.

Korrrspoiidt»).

Aus Mittelitalien, im Mai 1815.

Die jüngst hergestellte Eisenbahnverbindung zwischen
^rvieto und Rom wird den Strom der Fremden nun
^ehr über Siena lenken und diese altehrwürdige Stadt
svlvie Orvieto dem Besuch der Kunstfreunde viel zu-
Aäriglicher machen, als sie es bisher war. Ob dies
^eilich zum Vortheil für die äußere Erscheinung der
^tadt ausschlagen wird, bleibt sehr fraglich; wenigstens
hat auf Pisa der Umstand, daß es zur Fremdenstation
0« Winter geworden ist, einen sehr nachtheiligen Einfluß
Teübt und die Stadt in einer Weise modernisirt, die
den Kunstliebenden sehr schmerzlich ist. — Während
^ Siena, das noch bis vor Kurzem in glücklicher Ab-
Tkschiedenheit lebte, alle Neubauten sehr tüchtig und ernst
sind, ein Beweis, daß die Sienesen die reiche Fülle
^°n Bauwerken der goldcnen Zeit in ihrer Stadt wür-
und studiren, baut man in Pisa schon vicl
schlcchter, charakterloser und mehr auf Spekulation; und
Oberitalien ist dies noch um vieles schlechter. Jn
^adua z. B. hat man, um eine Straße zu erweitern,
^ zum Dom führt, die ganze eine Hälfte in barbarischer
^cise zugerichtet, die Arkadengäuge und Fayaden der
^tcn Häuser demolirt und dafür die kläglichsten mo-
dcrnen Pappendeckelfayaden vor die Häuser geklebt.

Bei jeder Reise durch Italien hat man irgend ein
trauriges Ereigniß dieser Art, irgend eine „Restau-
rirung" alter Monumente zu konstatiren. Uebrigens
scheint es, daß es seit dem neuesten Regime etwas besser
geworden ist.

Die Fayade des Domes in Orvieto ist in untadel-
hafter Weise restaurirt worden, ebenso wird der Dom
in Siena vorzüglich, d. h. in konservativem Geiste
restaurirt; die betreffenden Arbeiten an der Fayade sind
fast ganz vollendet, während das prachtvolle Paviment
noch in Arbeit ist. Es soll dasselbe durch moderne
Kopien und Ergänzungen vollständig ausgewechselt und
das alte im Museum der Opera aufbewahrt werden,
damit es nicht durch Abnutzung völlig zu Grunde gehe.

Es steht in Aussicht, daß die ganz glücklich be-
gonnene Restaurirung der Madonna della Spina in
Pisa sich den genannten zwei Lcistungen würdig an-
reihen wird. — Der Maler muß bei letzterer zwar
mit Bedauern die reizende altehrwürdige Patina schwinden
sehen, sowie ihn auch in Siena das grelle Weiß ves
Marmors stört; auch gcht mancher Reiz der Zufällig-
keit durch die völlige Umarbeitung verloren — doch das ist
nicht anders möglich! Nicht jedes Kunstwerk bietet dem
restaurirenden Künstler, wie der Dom in Orvieto, Ge-
legenheit, selbst den altehrwürdigen Charakter des Monu-
mentes beizubehalten. Än Pisa wird übrigens auch
der schiefe Thurm restaurirt und auch die Kanzel im
Dom soll nach einer Zeichnung des Prof. Fontana
aus den verschleppten alten Bruchstückcn wieder zusammen
gcstellt werden.

Cavalcaselle's Einfluß sollen diese so glücklichen
Restaurirungen zu danken sein, und der italienischen
Regierung sowie den betreffenden Muuicipien bleibt das
Lob, hier die rechten Männer gewählt zu haben.

Es wäre indessen unverdiente Schmeichelei, wollte
man der italienischen Regierung nachsagen, daß sie ihre
Pflicht vollkommen erfülle den übernommenen reichen
Kunstschätzen gegenüber. Das Kriegsministerium zum
mindesten scheint die Tradition der Vandalen in Jtalien
aufrechterhalten zu wollen. Die Certosa in den Dio-
kletiansthermen zu Rom ist Kaserne. Dieselbe bietet
genug Raum, und doch wurde der schöne Klosterhof in
kläglichster Weise zugemauert, und mit Komißanstrich
zugetüncht, um dann schließlich nicht eiumal benutzt zu
werden.

Noch empörender ist das Vorgehen der Regierung
bei den beiden Kirchen des h. Franciscus in Siena
und Pisa. Dieselben wurden als Wagenremisen benutzt
unv der rohesten Mißhandlung der Soldateska preis-
gegeben; ebenso zeigt das schöne gothische Grabmal in
S. Domenico zu Orvieto heute noch die Spuren der
Einquartierung italienischer Soldaten. Giebt es doch
leider viel mehr Bauwerke der Aopfzeit als irgend eincr
 
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