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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Arthur Fitger, der Jüngste der Maler-Dichter, [1]
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Valentin, Veit: Die Venus von Milo, [2]: Folgerungen für die Rekonstruktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0153

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29Ü

Die Venus von Milo.

296

Naturwissenschaft errungen und verkündet haben. Die
neue Zeit- und Weltanschauung ist es, auf deren Höhen
wir zeführt werden, und es ist dort wieder in erster
Linie das große Gesetz vom allwaltenden Kampf um's
Dasein, mit dem der Dichter uns aber auf wohlthuende
Weise dadurch versöhnt, daß er es zugleich als Träger
der durch die ganze Natur ausgegossenen und ausge-
sprochenen Moral hinsiellt und diesem Gesetze, um mit
den trefflich bezeichnenden Worten eines geistvollen Kri-
tikers zu reden, „diesem Gesetze ist ihm selbst der Gottes-
begriff unterworfen. So wenig ein Volk sich anmaßen
darf, den einzig wahren Gott zu habcn, eben so wenig
darf ein Zeitalter sich unterfangen, seincn Gott und
seine Jdeale als ewig bleibend darzustellen. Aber jede
Wandlung der Form dieses Gottesbegriffes trägt natur-
gemäß eine höhere Vollendung in sich, die ihr eben den
Sieg über das Veraltete verbürgt."

„Drum hört es, ihr Enkel, wenn einst das Jahrtausend
Der Znknnst von Neuem aufgährend und brausend
Zerschmettert den heute gebanten Altar,

Zerschmeltert die Tempel, die ragend sich thürmen,

Dann nahet Euch wieder ein Gott in den Stiirmen,

Dann bringt ihm die Scele die hofsende dar.

Denn wie auch die Form sich wandelnd
Stets ein ander Antlitz weist,

Einer ist's, der ewig handelnd,

Mit sich fort das Weltall reißt.

Bild ist, wie er uns erscheine —

Ach, wer spricht sein Wesen aus!

Koch in unsers Busens Reine
Steht seiu unvergänglich Haus."

Also lauten die Schlußverse des crsten Gedichtes:
„Neue Götter", mit dem sein Credo beginnt. Schon
dieser Abschnitt, obwohl vorzugsweisc philvsophischer
illatur, läßt hie und da den Maler ahnen. Z. B. ist
gleich die nächste Dichtung: „Herthafeier" ein
Meisterwerk an stimmungsvoller Darstellung.

Jm zwciten rein lyrischen Abschnitt ist er natur-
gemäß auch nur ganz Sänger, der in oft wahrhaft
ergreifender Weise sein ganzes und tiefstes Herz mit all
seinen goldenen HoffnuÜgen und bitteren Täuschungen
bald in aufjauchzender Lust, bald in schneidendem Weh-
schrei ausströmen läßt.

Die folgende Abtheilung dagegen gehört vor Allem
wieder dem Künstler. „Via feli ce", Blätteraus römischen
Skizzenbüchern — ist sie betitelt und bildet zunächst in
zwölf lose zusammenhängenden Elegicn (in der Weise
der Goethe'schen) eine Art von Künstleridyll, dem die
ewige Stadt, ihre Denkmale, ihr Lcben und Treibcn
einen erhaben gestimmten Hintergrund verleiht, während
zugleich Sprache und Formenschönheit der Verse von
wahrhaft klassischer Höhe ist.

Welch echt römischer Hauch diese Dichtungen durch-
weht, wird Jeder nachfühlen, dem es vergönnt war,

Rom selbst zu schauen. Mag es als Probe die stust
Elcgie beweisen!

Abmdlich dunkelt die Kirche; der Mond umflimmert

Gotdgrund

Jn der Apsis und schwarz ragt das Gespenst von Bpzo»i-
Todtenstille. — Nun zischelt im Beichtstuhl Fluch uud

dammniß

Der fettwangige Pfafs über ein schluchzendes Weib:

„Hebe Dich weg, Verruchle; mit Deinem geliebtesten Ketz»r
Fahre zur HLlle; für Dich bittet die Heilige nicht." —

Sich, da trifst ihr der Mond mit vollerem Strahle die WaU5*
Und aus dem hüllenden Tuch glänzt ein geliebles Profil.
Trockne, Du renige Thörin, o tiocknc die thiänendeii WimperU-
Wcigert Maria Dir Trost, — viel sind der Götter in Ro>U-
Morgen beichten wir Beid' in den kapitolinischen Sälen,
Aphrodite gewiß ueiget Dir gnädig das Haupl. —

(Schluß folgt.)

Die Venus von Milo.

ii.

Folgcriliigcn für dic Nckonstrukrioii.

Bou archäologischer Seite schließt ijiau nun, daß,
nach Klarlegung des Thatbestandes eines gemeinsai»eU
Fundes der Statue und der Fragmente des linken ArM^
„die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit der FragnieN^
des linken Armes und der linken Hand zur Statue aU
Gewißheit grenzt." (Preuner, S. 9.) Es ist das freili<6
noch kein zwingender Schluß: bei einer Zerstörung, bU
einer Verbergung, die sich ebensowohl vermuthen lasstu-
wie ein von Preuner als möglich vorausgesetztcs Elb"
beben, liegen Verschleppungen einzclner kleinerer Frag'
mente durchaus nicht außerhalb des Bereiches der Mog"
lichkeit, ganz abgesehen davon, daß doch zunächst d>e
Frage entschieden werden müßte, ob die Proportioneu
der Fragniente nnd der Statue übereinstimmen. Die^
ist denn hie und da verneint, mcist aber bejaht wordew
womil natürlich wiederum nur die Möglichkeit dcl
Zugehörigkeit statuirt ist. Ein entscheidendes Gewiäst
lcgt aber die ArchLologie auf die Frage nach der Gleich^
heit dcs Marmors sowie auf die Abblätterungen, weläst
die Oberfläche der Hand zeigt und deren Richtung sich
über das Bruchstück deS Armcs hinweg bis auf die
Schulter der Statue verfolgen läßt. Auffallend >si
hierbei, daß Preuner den bereits von Fröhner, S.

No. 1 beschriebenen und in meincr „Hohen Frau voU
Milo", S. 46 Anm. nach Fröhner citirten Umstand
übersieht, daß der linke Arm durch einen „tvnon" aN
der Statue befestigt war, was auch Aicard zu wieder-
holten Malen hervorhebt. War dies aber der Fall, st
fällt damit jeder Schluß auf die Zugehörigkeit ver
Fragmente zu dcr Statue: zeigen sich faktisch Abblät"
terungen des Marmors auf dem Arm, die sich bis auf
die Schultern verfolgen lasstn, so können diese ebenst"
wohl nach einer alten Restauration eingetreten sein al§
 
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