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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Valentin, Veit: W. Lindenschmit's Venus und Adonis
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0366

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X. Jahrgang.
Sciträge

snid anvr. C. v. Lützow
(Wien.Thcresiaimmgasse
SS>od.aiidieVerlagsh.
(Leipzig, Königsstr. 3),
zurichteii.

27. Äugust

Nr. 46.
Änscrate

ü 2S Pf. sür di- drei
Mal gefpaltene Petitzeile
wcrden von jedcr Buch-
und Kuiisthaiidlung au-
gciiouiineii-

1875.

Beiblatt znr Zeitschrist sür bildende Knnst.

Dies Blatt, jede Woche am Freitag erscheinend, erhalten die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" gratiZ; für sich aNein bczogen
toi'icl der Jahrgang 9 Mart sowohl im Buchhandel wie auch bei den denlschen und oslerreichischen Postanstalten.

Jnhalt: W. Lindenschmit's Lenns und Adonis. — Waagen, Kleine Schriften; „Die Holzschnitte des 14. u. 15. Jahrhunderts im Germanischen Museum
zu Nürnberg". — Ans Tirol. - Berliner Akademie. — Düsseldorf. — Zur Michelangelofeier; Prof. Wolff in Berlin. — Berichtigungen. —
Zeitschriften. — Juserate.

W. Lindtnschmit's Venus un- Ädunis.

Von Vejt Valentin.

So erfreulich die koloristischen Fortschritte sind,
welche anerkanntermaßen die Malerei seit einer Reihe
von Jahren gemacht hat, so bedenklich ist es doch, daß
auch auf solchen Gebieten dicser Kunst, welche ihrer ganzen
Stellung nach in erster Linie einen bedeutsamen Jnhalt
geben sollen, bas Streben, durch koloristische Effekte den
Beifall der Beschauer zu erringen, herrschend in den
Vordergrund tritt- Ein solches Gebiet ist aber die Hi-
storicnmalerei. Darf man den, freilich wie es schcint
von den bildenden Künstlern noch keineswegs, wohl aber
von ästhetischer Seite als giltig anerkannten Satz auf-
stellen, daß ein Bild durchaus noch nicht zur historischen
Malerei zu rechnen sei, wenn es irgend einen wirklich
vorgekommenen oder als wirklich geschehen angenommcnen
Augenblick aus dcm Leben einer historisch bedeutenden
Persönlichkeit darstelle, sondern crst dann, wenn dicser
Augenblick einen Höhepunkt innerhalb der historischen
Cntwickclung enthalte, der einen bedeutsamen Rückblick
auf das Werden und Wachsen dieses Momentes, und
einen ebensolchen Voransblick in die inhaltsschweren Folgen
der zur Entsckeidung gediehenen Einzelhandlung gestattet,
so ist damit anch die Nothwendigkeit eines über das
bloße Jntcresse an der augenblicklichcn Lage hinaus-
gehendcn Inhaltes anerkannt. Koinmt zu cinem solchcn
eine bedentcnde koloristische Fähigkeit hinzu, so wird sie
sicher willkommcn geheißen werden. Stellt sich diese
jedoch derart in die erste Linie, daß die Bedeutsamkeit
des Jnhaltes zurücktritt oder sogar positiv Einbuße er-
leidet, damit nur bie koloristische Tendenz zum vollen

Ausdruck gelange, so ist dies entschieden ein Abweg,
vor dem gewarnt werden muß, um so mehr als die
Richtung unserer Zeit auf diesen Abweg hinzulenken
scheint.

Zu diesen Bemerkungen veranlaßt uns das kürzlich
im Frankfurter Kunstverein zur Ausstellung gebrachte
große Bild W. Lindenschmit's: Venus und Adonis.
Es trägt in so hervorragender Weise jenen Charakter
einer bedeutenden koloristischen Leistung bei Vernachläs-
sigung eines bedeutsamen Jnhaltes, daß man es wohl
als Typus einer ganzen Richtung innerhalb der mo-
dernen Malerei betrachten darf. Zugleich aber wird es
gestattet sein, die Bilder mythologischen Jnhaltcs, be-
sonders wenn dieser der uns von Jugend auf durch
Schule, Dichtung und bildende Kunst so inniF ver-
trauten Geschichte der hellenischen Götter entnommen
ist, zu der historischen Kunst zu rechnen. Liegt doch der
Unterschied nicht in dem Wesen des Dargestellten, welches
in beiden Fällen die Entwickelung eines Menschengeschickes
von typischer Bedeutung ist, sondern nur in dem Graoe
der Wahrscheinlichkeit, welchcn wir aus mehr ober weuiger
stichhaltigen Gründen dem dargestellten Geschehenen beizu-
messen geneigt sind. Hat nur das Ereigniß für das
Einzclleben eine solche Bedcutung, daß wir ihm ciucn
allgemeiugiltigen Jnhalt zuerkennen müssen, auch wenn
die zufälligen äußeren Umstände andere werden, greift
es dadurch weit über die Bedeutung des Einzelereignisses
hinaus und wächst heran zu eiuem Ereigniß des Menschen
überhaupt, so kann uns wenig daran liegen, ob das Cr-
eigniß zu denken ist als eiu wirklich geschehencs oder
als eines, wclches wenigstens wirklich hätte geschehen
können, oder gar als ein solches, von dessen Voraus-
 
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