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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Richter, Jean Paul: Ausstellung alter Meister in Burlington House, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0145
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Ausstellung alter Meister in Burlington House.

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Eliteausstellungen, wie die der Royal Academy, Kon-
kurrenzen einzugehen! Jndes auf den unzugänglichen
Schlösscrn dcr Aristokatie jener Tage habcn sie gewiß
zuin mindesten ebensoviel inncren Wert wic die dar-
gestellten Sujets bescssen und behauptet. Das Doppel-
portrttt der Lords John und Bernard Stuarts zeigt
recht hohlköpsige citlc Kavalicrc (Nr. 126 aus Lord
Darnlcy's Sammlung). Sittcngeschichtlich mögcn dicses
und tthnliche Bilder recht intcressant scin, nnd so sei
es hiermit jcnen Kunsthistorikern, welche sich mit Vvr-
liebc auf Kultnrgeschichte legen, aufs wttrniste znm
Stndium cmpfohlcn. Das große Madonnenbild von
Rubens aus der Samnilung von Mrs. Morrison
(Nr. 162) crscheint mir als eine sehr interessante Kvpie
von Van Dyck. Die Gründe für diese Bestimmung
habe ich in „'llls vom 20. Jan. d. I. ntther

entwickelt. Wcnn wir diescs Bild ausnehmcn, so wird
Ban Dyck in unserer Ausstellung auf all seincn großen,
dvch nnr mit Prttteutivn anSgcfülltcn Leinwandflttchen
von einem kleinen und bescheidencn Portrtttbildchen seines
Landsmannes Gonzales Cogues in den Schatten
gestellt. Ein Kavalier kehrt von der Jagd heim und
grüßt uns mit dem Hute in der Hand. Mit der Linken
greist er in eincn Korb voll Früchte, wclchcn seine
ihm zur Seite schreitende Gemahlin trttgt (Nr. 109,
Besitzer Lewis Fox). Das Portrttt ist zugleich Genre-
bild. Dabei ist die Ausführung von einer Sorgfalt
und Präzision in der Modellirung, wie sie kanm einer
seincr Landsleute besaß, auch Tenicrs nicht ausge-
nvmm en.

Unter den Jtalienern haben wir Namen von
höchstem Ansehen zu nennen: zwei Portrttts von
Raffael, eins von Givrgionc, zwei Bildcr von
Tizian, eins von Livnardo da Vinci. Wenden wir
uns aber von den Aushttngeschildern den Bildern selbst
prüfcnd zu, so zerfließen leider nur zu schnell jene
großen Namen in ein Nichts. Die Bilder sind indes
keineswegs bedeutungslos und gewiß nicht Fttlschungen,
sind nur eben aus anderer Hand hervorgegangen. So
ist die Flora der Mvrrisvnschen Sammluug (Nr. 139)
eins der vielen Bilder Luini's, welche immer mit
glcich wenig Wahrscheinlichkeit wie viel Harmlosigkeit
untcr Lionardo's Namen in Kurs kommen. Des
Sammlers Willc ist scin Himmclrcich, nnd welcher
einigermaßen rührige Sammler -bringt es nicht dahin,
dank der Umsicht seiner Unterhttndler, Meisterwerke von
Rasfael, Lionardo und Giorgione, also das seltenste
und cdelste Wildpret, zu erbenten! Je großartiger die
Jllusion, nm so frcvelhaftcr crschcint dann leidcr die
Kritik. Äch sah nnlttngst bei Earl * * ein Pvrtrttt
Luthers, von van Eyck gemalt, und der Bcsitzer eines
Rubens, „Christus und die Ehebrecherin", schreibt
mir, hiesige Kunstkritiker htttten ihm allen Ernstes

versichert, daß dcr Christuskopf in jeneni Bilde von
niemand anders als von Rubens' Schüler Raffael
gemalt sei!

Das Tiziansche Bild „Venus und Adonis"
(Nr. 146; im Besitz des Earl of Normanton) sindct
mit Recht allgemein größeres Lob als die Replik in
der National-Galerie. Es giebt deren bekanntlich noch
sehr vicl mehr in England, aber in keiner von allen,
die ich bis jetzt gesehen habe, vermag ich das Original
zu erkennen. Die Nationalgalerie von Jrland stellt unter
Nr. 140 ein schönes mttnnlichesPvrtrttt von Tintoretto
aus mit dcm Datum 1555. Bedeutendcr und iutcressan-
ter erscheint mir das lebensgroße Portrttt (Halbfigur)
der Maria Ruffalina mit dem Heiligenschein, einer
Zuthat, welche in der Sptttrenaissance wohl hier
und da Mode war; — auch Sebastiano del Piombo
hat weibliche Portrttlfiguren mit den Emblemen ihrer
Namens- und Schutzheiligen ausgestattet. Eine jnno-
nische Erschcinung von aristokratischer Wnrde! Und so
bedeutend wie die Auffassung ist die malerische Aus-
führung. Es dürfte dies Bild zu den schönsten Leistungen
des Parmigianino zu ztthlen sein (Nr. 154; Besitzer
A. R. Boughton Knight).- Der Prttsidcnt der Noyal
Academy stellt cin soeben in Jtalien erworbenes Ge-
mttlde von fast lebensgroßeu Figuren aus, welches
wahrscheinlich Thctis darstellt, wie sie mit den Waffen
des Achilles von Hephttstos scheidct, ein gut erhaltenes
Werk des Paris Bordone, welches auch durch die
Signatur „0. ?^RIVI8 LOIiOOblO" ausgezeichnet ist
(Nr. 211). Die italieuische Malerei des 18. Jahr-
hunderts ist auf das würdigste in einem Gemttlde des
Panini reprttsentirt (Nr. 209; Nationalgalerie in Du-
blin). Es schildert die Festdekorationen auf der Piazza
Navona in Rom bci Gelegenheit der Geburt des
Dauphin im Jahr 1729. DaSsclbe Sujet zeigt das
bckauntc Bild Nr. 285 im Louvre, welches „ll. ?.
UiVbilbll keo. lioina. UU^.6IM. 1739" signirt ist. Unser
Bitd ist offenbar ciue Rcplik. Die Signatnr lantet
hier: „ll. U. I'anini 1Ionig.o 1731". Wichtiger alS
dieser Unterschied ist die hier wahrhaft bestechende Aus-
sührung, besondcrs in den zahlreichen Figuren. Das
Bild ist auch im Format grvßer als das Pariser
Exemplar.

Unter den spanischen Bildern nenne ich nur zwei
Werke ersten Ranges von Murillo: Nr. 158 „Ein
Bettelweib mit einem Knaben" (Besitzer G. W. Blath-
wayt), resolut und markig ausgefiihrt, bcinahe an Roh-
heit strcifcnd, nnd Nr. 166, das berühmte Bild dcr
Flucht nach Ägypten aus Stafford House, wo die
Farben wie in einen zauberhaften Duft gehüllt sind.
Der Triumph des Pan (Nr. 141; Morrison Samm-
lung) ist eins der besten Gemttlde von Nic. Poussin
in England.
 
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