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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Der kunsthistorische Kongress in Nürnberg, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0028
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Ausgange des Mittelalters hatten, auf die Bedeutung
der Denkmale Krakaus für die Geschichte der
deutschen Kunst und die Dankesschuld, welche
Krakau gegenüber Nürnberg hat, schloss der Redner
seinen mit großem Beifall aufgenommenen, durch
eine Reihe von Photographieen erläuterten Vortrag.

Auf Antrag Prof. Sempers (Innsbruck) erklärte
der Kunsthistorische Kongress, dass Sammlungen
von Gipsabgüssen nach plastischen Werken der
christlichen Ära für die kunstgeschichtliche Lehr-
thätigkeit ebenso notwendig seien, wie Gipsab-
güsse nach der Antike es für die archäologische
Lehrthätigkeit sind, und konstatirte, dass, während
in Bezug auf letztere diese Notwendigkeit durch
Gründung von Gipssammlungen von allen oder nahe-
zu allen Universitäten Deutschlands und Österreichs
längst anerkannt und berücksichtigt worden sei, die
kunsthistorischen Lehrstühle beider Länder bisher in
dieser Beziehung fast durchweg gänzlich vernach-
lässigt geblieben sind.

Einen wegen der vorgerückten Zeit leider gekürz-
ten Vortrag hielt hierauf Dr. Fuhne (Nürnberg) über
die Dürer-Handschriften, die vorübergehend im Ger-
manischen Museum ausgestellt waren. Er brachte
soviel des Interessanten zur Kenntnis der Anwe-
senden und gab so überraschende Aufschlüsse auch
über die schriftstellerische Thätigkeit Dürer's, den
Einfluss Wilibald Pirkheimer's auf dieselbe, der die
Manuskripte Dürer's vielfach korrigirte, dass auch
er lebhaften Beifall fand und das gespannteste In-
teresse für die bevorstehende, von ihm und Prof.
Konr. Lange (Königsberg) unternommene Ausgabe
der Dürer'schen Schriftwerke wach rief.

Nachdem sodann auf Antrag Dr. Zuckers (Er-
langen) dem Präsidium für die Veranstaltung und
Leitung des Kongresses der einstimmige Dank votirt
war, schloss der Vorsitzende mit einem Hinweis auf
die ernsten Aufgaben, die der Kongress seiner
ständigen Delegation hinterlassen, die unter der ge-
spanntesten Aufmerksamkeit der Mitglieder geführten
dreitägigen Verhandlungen. —

Wie diese selbst, so ließen dann bei dem ge-
meinsamen Mahl am letzten Tage noch die be-
deutungsvollen Worte einer Tischrede Prof. Dietrich-
son's (Christiania) bei allen Versammelten einen un-
auslöschlichen Eindruck zurück. „Vor mehr als
dreißig Jahren — so ungefähr lauteten die seltsam
ergreifend in das Ohr klingenden Worte — als ich
zum erstenmal durch Nürnbergs Festungsthor die
Stadt betrat, da schimmerte das Mondlicht über den
Gassen, wie in dieser Nacht. Wie die Häuser und

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Kirchen, die Erker und Giebel mir entgegen winkten,
da trat mir auf einmal ein würdiger Mann in den
Weg und sprach: ich will dich etwas lehren, komm
und folge mir! Und er führte mich durch die
Kirchenhallen, durch deren zerbrochene Fenster der
Silberglanz hereindämmerte, und zeigte mir die
Pfeiler und Wölbungen, — sieh, so habe ich's da-
mals gemacht! Und aus einer andern Kirche winkte
mir ein Alter mit Käppchen und Lederschurz und
sprach: sieh da, so haben wir das Erz gegossen,
geformt und geglättet, bis es ward, wie dieser Wunder-
bau über dem Grabe St. Sebald's. Und endlich kam
ein Dritter, führte mich droben auf die Burg hinauf,
und ich sah das Land sich vor mir ausdehnen weit
und breit. Das kenne ich wohl, antwortete ich ihm,
von frühester Kindheit an und weiß, wie viel ich
ihm schulde! 0, deutsches Land, wie vermagst
du mit Liebe die Gauen alle zu gewinnen um
dich her!"

„Die Zeiten gingen vorüber, und Siegfried stand
auf und schlug den Drachen der Zwietracht zu
Boden. Uber Düppel und Alsen ging Deutschland
seiner Einheit entgegen, und wir Nordischen
empfanden den Schmerz, den es uns bereitet. Aber
hernach, als es siegreich den Ring der Nibelungen
erlangt, da lernten wir wieder fühlen, was es wert
sei, dass im Herzen Europa's ein Volk wohne, das die
Nachbarn ringsum aufhalte, über einander herzu-
fallen im mörderischen Streit. Und auch ich lernte
aufs neue die Bedeutung des deutschen Landes
schätzen, wo das Allgemein-Menschliche so hoch
steht, und liebe es nun doppelt, da ich weiß, was
wir im Frieden, in Wissenschaft und Kunst an
ihm haben!"

Am Nachmittage machte sich ein Teil der Ge-
sellschaft an die Fortsetzung der Besichtigung der
Sehenswürdigkeiten der Stadt, von denen nament-
lich die Lorenzkirche mit einem längeren Besuche
bedacht wurde. Der Abend versammelte die Kongress-
mitglieder zum letztenmal, wiederum in einem Saale
des Hotel Strauß. —

Am Donnerstag früh fuhren etwa 20 Teilnehmer
nach Bamberg, um den im Programm vorgesehenen
Besuch dieser Stadt und die Besichtigung ihrer
Sehenswürdigkeiten auszuführen. Aufs freundlichste
empfangen und geleitet von Bibliothekar Dr. Leit-
schuh, Professor Schmitt-Friedrich und anderen
Bamberger Gelehrten und Kunstfreunden bewunderte
man die reichen Schätze der Bibliothek, dann wurde
der Dom und seine Denkmale eingehend studirt und
der Residenz ein Besuch abgestattet. Bei dem gemein-

Der Kunsthistorische Kongress in Nürnberg. TU.
 
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