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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0164
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3ii

Kunstblätter. — Nekrologe. — Wettbewerbe.

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altbewährte Leistungsfähigkeit der Wiener Reproduktions-
anstalten und der Hof- und Staatsdruckerei in helles Licht.
Der Text bringt sehr beachtenswerte Arbeiten aus den Federn
hervorragender Autoren; so spricht Franz Wickhoff von
der Zukunft der Kunstgewerbemuseen, entwirft H. E. von
Berlepsch ein Bild von der künstlerischen Thätigkeit Feli-
cianet von Myrbach's. Ein so ausgezeichneter Kenner alten
Mobiliars wie Hungerford-Pollen erzählt die Schicksale des
englischen Mobiliars seit Heinrich VII., Otto von Falke
berichtet über den Fund Kölnischen Steinzeuges, mit dem
er seinem Museum einen wichtigen Zuwachs erwarb. Camillo
Sitto bespricht die Burg Kreuzenstein, Ludwig Hevesi plau-
dert über das Wiener Kunstleben, und eine Fülle „Kleine
Nachrichten" und „Mitteilungen aus dem österreichischen
Museum" belehren über alle wichtigen kunstgewerblichen
und künstlerischen Vorkommnisse. Die Publikation, eine
Schöpfung A. von Scala's, darf ohne Zweifel eine führende
Rolle beanspruchen, die ihr nicht leicht wieder wird ent-
rissen werden können, zumal sie für einen verhältnismässig
sehr wohlfeilen Preis (12 Hefte 12 Gulden) zu beziehen ist. —
Die zweite neue Wiener Zeitschrift, Ver Sacrum (Verlag
von Gerlach & Schenk, Wien, 12 Hefte M. 10), von der
bereits zwei Nummern vorliegen, will ein Organ der jungen
nach Neuem strebenden modernen Kunst Österreichs sein.
Sie ähnelt in manchem der Münchener Jugend, doch ist
ihre Tendenz eine mehr künstlerische. Gewiss fehlt es in
dem jungen Unternehmen nicht an tollen Pansprüngen,
allein wo Kräfte wie Koloman Moser, Engelhart, Rudolf
Bacher, Strasser, Malczewski, Hynai's wirken, darf man
erwarten, dass uns neben der nicht immer witzig karikirenden
Art auch ernsthafte und geschmackvolle Kunst geboten wird.
Erfreulich ist es zu sehen, dass in beiden Wiener Blättern
das in gewissen deutschen Zeitschriften wuchernde saft-
und kraftlose naturalistisch sein sollende Linienspiel ver-
mieden wird, unter dem sich so viel künstlerische Ohnmacht
zu verbergen beginnt. In der Ausstattung ist das Blatt
reichhaltig und in der technischen Herstellung vorzüglich.
Wir werden Gelegenheit nehmen, auf die Blätter zurück-
zukommen, wenn eine grössere Zahl Lieferungen vorliegen
wird.

KUNSTBLÄTTER.

Dresden. — In der Gutbier'schen Kunsthandlung liegt
ein Werk auf, das vermutlich gleichzeitig auch in den übrigen
grösseren Kunsthandlungen Deutschlands dem Publikum zu-
gänglich gemacht worden ist, zwanzig Zeichnungen des Pariser
Malers Degas in vorzüglichen Faksimile-Reproduktionen:
Degas, Vingt Dessins, 1861—i8g6. Paris, Ooupil & Co., in
Folio. Damit bietet sich zum erstenmal Gelegenheit, über
das Schaffen dieses Künstlers, der sich bisher schroff der
Öffentlichkeit gegenüber verschlossen hat, einen zusammen-
hängenden Überblick zu gewinnen. Im Jahre 1861 begann
Degas die Vorstudien zu einem grossen Gemälde, Semiramis
die Stadt Babylon erbauend, liess aber das Bild, das seiner
aller Konvention abholden Natur nicht entsprechen konnte,
unvollendet. Die fünf Blätter, die hier geboten werden
(Nr. 1—5), dürften vom akademischen Standpunkte aus kaum
beanstandet werden, es sei denn, dass das Bestreben auf-
fällt, nur ja alle statuarische Härte zu vermeiden. Die letzten
Blätter (Nr. 19 und 20) gehören bereits dem Greisenalter
des Künstlers, dem Jahre 1896 an. In ihrer eigenwilligen
Art der Körperbehandlung bekunden sie ein summarisches
Verfahren, das insofern über das Ziel schiesst, als es von
der Natur ganz absieht. Wer an dem Schaffen des Künstlers

persönlichen Anteil nimmt, den werden gerade solche Ver-
suche, die Grenzen des Darstellungsbereiches der Kunst zu
erweitern, besonders interessiren; eine allgemeine Teilnahme
ist aber für Blätter dieser Art nicht zu erwarten. Dafür
bieten die Zeichnungen aus dem langen dazwischen liegenden
Zeitraum des Fesselnden genug, wenn man nur darüber
hinwegsieht, dass sie in gegenständlicher Hinsicht nicht das
geringste Interesse erwecken, da sie fast ausnahmslos der
Darstellung von Tänzerinnen bei ihren Übungen gewidmet
sind. Es ist dies das Gebiet, womit Degas sich Zeit seines
Lebens mit Vorliebe beschäftigt hat; die organische Bildung
des Körpers, die momentane Erscheinung des Lebens, das
Zauberspiel des Lichtes und der Farben konnte er hier nach
Belieben verfolgen; auf Schönheit und Erhebung ging gar
nicht sein Streben, und beim Entwerfen dieser Zeichnungen,
die zum Teil durch Farben in Wirkung gesetzt sind, dachte er
gar nicht daran, dass sie anderen Beschauern zu Gesicht
kommen sollten. — Das Blatt von 1866, mit den vier Jockey-
studien (Nr. 7), zeigte ihn bereits als vollständig entwickelten
Meister; die Tänzerin von 1872 (Nr. 9) und die Dame in
Strassentoilette, aus demselben Jahre (Nr. 11), bezeichnen den
Höhepunkt seines Schaffens, jene Zeit, da er seine Bilder in
jeder Hinsicht bis aufs letzte hin durchführt, ohne über der
äussersten Feinheit der Einzelheiten die breite Wirkung der
Massen aus dem Auge zu verlieren. — Vergleicht man die
kleine Tänzerin von 1874, in Rötel (Nr. 12), mit gleichzeitigen
Schöpfungen Bastien-Lepages, der damals gerade in der
Blüte seiner Kraft stand, so gewahrt man leicht, wie Degas
diesen anerkannten Vertreter der modernen Malweise an
Fülle des Tones, Zartheit des Striches, Lebendigkeit der Be-
wegung übertrifft. — Aus den weiteren Blättern seien nament-
lich die meisterhaft behandelte Tänzerin, die sich ihren
Schuh festbindet, von 1887 (Nr. 16) und die Pastellstudie
einer Frau, die sich nach dem Bade abtrocknet, von 1895
(Nr. 18), hervorgehoben. — Die Wiedergaben in vielfarbigem
Kupferdruck erwecken vollständig den Eindruck von Origi-
nalen. W. v. SEIDL1TZ.

NEKROLOGE.

London. — Der Bildhauer G. Adams starb im März
im Alter von 77 Jahren. Er erhielt mit Millais zugleich
im Jahre 1847 die goldene Medaille. Am meisten bekannt
ist Adams als der unglückliche Schöpfer der künstlerisch
verfehlten Statue von Sir Charles Napier in Trafalgar Square.

v. s.

f Wien. — Der im Jahre 1839 in Trautenau geborene
Maler Joseph Belohlawek-Morgan ist am 10. März in Wien
gestorben. Er studirte in Paris als Schüler Gustav Ricard's.
Dann siedelte er nach Wien über. Er wandte sich haupt-
sächlich der Porträtmalerei zu.

WETTBEWERBE.

* „ * Bei der Konkurrenz um das Kaiser Wilhelm-Denk-
mal für Lübeck sind vier gleiche Preise im Betrage von je
1500 M. an die Bildhauer R. Anders, W. Schott und C. v.
Uechtritz in Berlin und an den Bildhauer Wedemeyer in
Dresden, der sich mit dem Architekten Henker vereinigt
hatte, verteilt worden.

* „ * Von der Berliner Kunstakademie. Das Stipendium
der ersten Michael Beer'schen Stiftung für jüdische Maler
aller Fächer im Betrage von 2250 M. zu einer einjährigen
Studienreise nach Italien ist dem Maler David Moses (ge-
nannt Mose) aus Wien verliehen worden. Der Wettbewerb um
den Preis der zweiten Michael Beer'schen Stiftung ist ohne
 
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