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Wettbewerbe
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stände gerichtet. Aus dieser frühen Jugend, in der er
auch mineralogische Studien trieb, hat er seine für die
Archäologie so wichtigen Kenntnisse in der Unterscheidung
von Marmor- und Steinarten gewonnen. Heibig studierte
in Göttingen und in Bonn und trat dort in intime Be-
ziehung zu Otto Jahn, Friedrich Ritsehl und Welcker, die
alle drei mächtigen Einfluß auf seinen Bildungsgang aus-
übten. Er promovierte 1861 in Bonn mit einer Dissertation
über Bühnenfragen und traf am 11. Oktober 1862 in Rom
als Stipendiat des damals preußischen, jetzt deutschen
Archäologischen Institutes ein. Am 11. Oktober 1912 konnte
er das 50 jährige Jubiläum seines römischen Aufenthaltes
feiern. Wolfgang Heibig ist Römer geworden und ein
Deutscher geblieben; dazu trat er durch seine geistvolle Ge-
mahlin, eine russische Prinzessin, in die Kreise der inter-
nationalen römischen Aristokratie. Es war für das Deutsche
Archäologische Institut, in dessen Mitleitung Heibig 1865
berufen wurde, nichts Geringes, daß an seiner Spitze ein
Weltmann stand, der mit allen Nationen die freundschaft-
lichsten Beziehungen anknüpfen konnte und es verstand,
der sympathische Mittelpunkt eines internationalen Ge-
lehrtenkreises zu werden. Tempi passati! Als sich um
die Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die
Zentralleitung des Deutschen Archäologischen Institutes in
Berlin in einer »preußischen« Richtung entwickelte, die
dem unabhängigen, liebenswürdigen Sinne der beiden
römischen Leiter Henzen und Heibig nicht passen konnte,
nahmen beide ihren Abschied. Und seit dieser Zeit ist
Heibig eigentlich für die offizielle deutsche Archäologie
aus dem Vordergrunde gewichen. Bittere Worte findet er
in dem Katalog der italienisch-etruskischen Abteilung von
Ny Carlsberg Glyptothek, dem er eine Skizze seines wissen-
schaftlichen Bildungsganges vorausgeschickt hat, für die
Periode, in der er von der Leitung des römischen Instituts
zurückgetreten ist; vielleicht hier nicht an der richtigen
Stelle hat er dem deutschfeindlichen Carl Jacobsen Wasser
auf seine dänische Mühle geleitet. — Wir haben schon
zwei Publikationen erwähnt, die zu den hervorragendsten
des deutsch-römischen Gelehrten gehören. Von einschnei-
dender Wichtigkeit wurde auch seine Katalogisierung der
erhaltenen Wandgemälde aus Herculaneum und Pompeji,
den verschütteten Städten Campaniens, die zu den »Unter-
suchungen über die campanische Wandmalerei« führten.
Hier erkannte er, daß jene Gemälde, wenn auch in rö-
mischer Zeit gemalt, doch mit verschwindenden Ausnahmen
auf die hellenistische Malerei zurückgingen und deren Er-
zeugnisse in mehr oder minder abgeblaßten oder entstellten
Kopien wiedergeben. Mit diesen Arbeiten war für die
Kenntnis der spätgriechischen Kunst, zunächst für die Ma-
lerei, ein neuer Grund gewonnen. — Nicht minder wertvoll
— wenn auch viel bestritten — sind Helbigs etruskische For-
schungen; diese haben ihn zuerst (1887) in Verbindung mit
Carl Jacobsen geführt, und mit Recht hat der nordische Mä-
zen die Sammlung italienischer und etruskischer Antiquitäten
in der Kopenhagener Glyptothek »Heibig Museet« genannt.
— Intime Beziehungen zu dem römischen Baron Giovanni
Barracco, der schon am Ende der siebziger Jahre begonnen
hatte, eine Sammlung anzulegen, welche die Entwicklung
der antiken Plastik durch bezeichnende Typen vergegen-
wärtigen sollte, waren Anstoß zu der von Heibig publi-
zierten »La collection Barracco«, in derer die griechischen,
etruskischen und römischen Skulpturen des reizenden Baues
in der Nähe des Tiber beschrieb. — Helbigs Ansichten
über die italienische Kultur und Kunst wurden stark be-
kämpft. Sie sind hauptsächlich in dem Buch »Die Italiker
und Poebene«, welches den ersten Band von nicht weiter fort-
geführten »Beiträgen zur altitalienischen Kultur- und Kunst-
geschichte« bilden sollte, niedergelegt. — Die ausgezeichneten
Beziehungen zu französischen Gelehrten führten seine Auf-
nahme als auswärtiges Mitglied des »Institut de France«
herbei, in dessen Organ Heibig vielfach wichtige Einzel-
abhandlungen veröffentlicht hat: über die Attribute der Salier,
über die athenischen Hippeis, über die mykenische Frage,
über Dipylonvasen und die Naucrarien usw. Auch in den
Sitzungsberichten und Abhandlungen der Münchener und
Göttinger Akademie legte Heibig manche seiner interessanten
und stets in geistvoller Weise vorgetragenen Forschungen
vor: so über die homerischen Bestattungsgebräuche, über
die Einführungszeit der geschlossenen Phalanx, zur Ge-
schichte des römischen Equitatus, über die »hasta donatica«.
— Auf solche reiche Tätigkeit blickt der fünfundsiebzig-
jährige Gelehrte zurück, der noch lange am Arbeitstisch
und im Salon seines berühmt gastlichen Hauses auf dem
Janiculus, jenem stolzen Bau Giulio Romanos, von dem
aus man das ganze von dem Besitzer so vielseitig erforschte
Rom und die umliegende Campagna überschaut, wirken
und durch seinen Geist und seine Liebenswürdigkeit er-
freuen möge! m.
Curt Herrmann, der bekannte Berliner Maler, voll-
endete am 1. Februar sein 60. Lebensjahr. Die meisten
werden erstaunt sein, das zu hören, denn unwillkürlich
zählt man den Künstler noch immer zu den Jungen. Man
hat vergessen, daß auch er noch — wie Liebermann —
seinen Ausgang von Steffeck nahm, und man denkt nicht
daran, daß die französischen Vertreter des Neo-Impressio-
nismus, dessen konsequentester Vorkämpfer in Deutschland
Curt Herrmann ist, schon einer vergangenen Generation
angehören. Aber wie Signac in Paris noch heut mit den
Independants ausstellt, so fühlte sich Herrmann immer den
Jungen zugehörig, und seiner persönlichen Vermittlung war
oft ein Ausgleich der Gegensätze innerhalb der Sezession
zu danken. Eine Ausstellung wird demnächst Gelegenheit
geben, auf Herrmanns Kunst im näheren einzugehen.
O.
WETTBEWERBE
Architekturwettbewerbe. Das Resultat der letzten
Wettbewerbe auf architektonischem Gebiet hat eine Reihe
von Mißständen offenbart, die dringende Abhilfe fordern.
Die Hauptfrage ist, ob der Bauherr die Verpflichtung über-
nimmt, dem Spruch der Jury zu folgen und zu mindest einem
der Preisträger auch die Ausführung des Baues zu übergeben,
oder ob der Preis ganz unabhängig von der Ausführung
bleibt. Die Praxis der jüngsten Zeit huldigt offenkundig
diesem Grundsatz. Der Wettbewerb ist nicht mehr als
eine vorläufige Orientierung über die Möglichkeiten des
Bauprogramms. Auf Grund der eingereichten Skizzen wird
nun die Anlage in ihren Grundzügen festgestellt und einem
Architekten übertragen, der mit der Konkurrenz in gar
keinem Zusammenhange steht.
Das geht nicht an. Die Architekten müssen sich gegen
solche Handhabung öffentlich ausgeschriebener Wettbe-
werbe aufs entschiedenste verwahren. Die ausgesetzten
Preise können kein Äquivalent für die aufgewandte Arbeit
sein, wenn nicht die Aussicht auf die Bauausführung selbst
hinzukommt, und daß die zutage geförderten Ideen schließ-
lich von anderer Seite weiter benutzt werden, ist ein Un-
recht mehr. Der Fall Ihne und die Botschaft in Washington
ist noch in aller Erinnerung. Die große Protestbewegung
der Architektenschaft verlief zunächst allzu harmlos
im Sande. Nun soll zum Schluß doch noch so viel
erreicht sein, daß Ihnes Entwurf der Akademie des Bau-
wesens zur Begutachtung vorgelegt wurde. Auch sollen
von der gleichen Stelle die im Wettbewerb preisgekrönten
Wettbewerbe
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stände gerichtet. Aus dieser frühen Jugend, in der er
auch mineralogische Studien trieb, hat er seine für die
Archäologie so wichtigen Kenntnisse in der Unterscheidung
von Marmor- und Steinarten gewonnen. Heibig studierte
in Göttingen und in Bonn und trat dort in intime Be-
ziehung zu Otto Jahn, Friedrich Ritsehl und Welcker, die
alle drei mächtigen Einfluß auf seinen Bildungsgang aus-
übten. Er promovierte 1861 in Bonn mit einer Dissertation
über Bühnenfragen und traf am 11. Oktober 1862 in Rom
als Stipendiat des damals preußischen, jetzt deutschen
Archäologischen Institutes ein. Am 11. Oktober 1912 konnte
er das 50 jährige Jubiläum seines römischen Aufenthaltes
feiern. Wolfgang Heibig ist Römer geworden und ein
Deutscher geblieben; dazu trat er durch seine geistvolle Ge-
mahlin, eine russische Prinzessin, in die Kreise der inter-
nationalen römischen Aristokratie. Es war für das Deutsche
Archäologische Institut, in dessen Mitleitung Heibig 1865
berufen wurde, nichts Geringes, daß an seiner Spitze ein
Weltmann stand, der mit allen Nationen die freundschaft-
lichsten Beziehungen anknüpfen konnte und es verstand,
der sympathische Mittelpunkt eines internationalen Ge-
lehrtenkreises zu werden. Tempi passati! Als sich um
die Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die
Zentralleitung des Deutschen Archäologischen Institutes in
Berlin in einer »preußischen« Richtung entwickelte, die
dem unabhängigen, liebenswürdigen Sinne der beiden
römischen Leiter Henzen und Heibig nicht passen konnte,
nahmen beide ihren Abschied. Und seit dieser Zeit ist
Heibig eigentlich für die offizielle deutsche Archäologie
aus dem Vordergrunde gewichen. Bittere Worte findet er
in dem Katalog der italienisch-etruskischen Abteilung von
Ny Carlsberg Glyptothek, dem er eine Skizze seines wissen-
schaftlichen Bildungsganges vorausgeschickt hat, für die
Periode, in der er von der Leitung des römischen Instituts
zurückgetreten ist; vielleicht hier nicht an der richtigen
Stelle hat er dem deutschfeindlichen Carl Jacobsen Wasser
auf seine dänische Mühle geleitet. — Wir haben schon
zwei Publikationen erwähnt, die zu den hervorragendsten
des deutsch-römischen Gelehrten gehören. Von einschnei-
dender Wichtigkeit wurde auch seine Katalogisierung der
erhaltenen Wandgemälde aus Herculaneum und Pompeji,
den verschütteten Städten Campaniens, die zu den »Unter-
suchungen über die campanische Wandmalerei« führten.
Hier erkannte er, daß jene Gemälde, wenn auch in rö-
mischer Zeit gemalt, doch mit verschwindenden Ausnahmen
auf die hellenistische Malerei zurückgingen und deren Er-
zeugnisse in mehr oder minder abgeblaßten oder entstellten
Kopien wiedergeben. Mit diesen Arbeiten war für die
Kenntnis der spätgriechischen Kunst, zunächst für die Ma-
lerei, ein neuer Grund gewonnen. — Nicht minder wertvoll
— wenn auch viel bestritten — sind Helbigs etruskische For-
schungen; diese haben ihn zuerst (1887) in Verbindung mit
Carl Jacobsen geführt, und mit Recht hat der nordische Mä-
zen die Sammlung italienischer und etruskischer Antiquitäten
in der Kopenhagener Glyptothek »Heibig Museet« genannt.
— Intime Beziehungen zu dem römischen Baron Giovanni
Barracco, der schon am Ende der siebziger Jahre begonnen
hatte, eine Sammlung anzulegen, welche die Entwicklung
der antiken Plastik durch bezeichnende Typen vergegen-
wärtigen sollte, waren Anstoß zu der von Heibig publi-
zierten »La collection Barracco«, in derer die griechischen,
etruskischen und römischen Skulpturen des reizenden Baues
in der Nähe des Tiber beschrieb. — Helbigs Ansichten
über die italienische Kultur und Kunst wurden stark be-
kämpft. Sie sind hauptsächlich in dem Buch »Die Italiker
und Poebene«, welches den ersten Band von nicht weiter fort-
geführten »Beiträgen zur altitalienischen Kultur- und Kunst-
geschichte« bilden sollte, niedergelegt. — Die ausgezeichneten
Beziehungen zu französischen Gelehrten führten seine Auf-
nahme als auswärtiges Mitglied des »Institut de France«
herbei, in dessen Organ Heibig vielfach wichtige Einzel-
abhandlungen veröffentlicht hat: über die Attribute der Salier,
über die athenischen Hippeis, über die mykenische Frage,
über Dipylonvasen und die Naucrarien usw. Auch in den
Sitzungsberichten und Abhandlungen der Münchener und
Göttinger Akademie legte Heibig manche seiner interessanten
und stets in geistvoller Weise vorgetragenen Forschungen
vor: so über die homerischen Bestattungsgebräuche, über
die Einführungszeit der geschlossenen Phalanx, zur Ge-
schichte des römischen Equitatus, über die »hasta donatica«.
— Auf solche reiche Tätigkeit blickt der fünfundsiebzig-
jährige Gelehrte zurück, der noch lange am Arbeitstisch
und im Salon seines berühmt gastlichen Hauses auf dem
Janiculus, jenem stolzen Bau Giulio Romanos, von dem
aus man das ganze von dem Besitzer so vielseitig erforschte
Rom und die umliegende Campagna überschaut, wirken
und durch seinen Geist und seine Liebenswürdigkeit er-
freuen möge! m.
Curt Herrmann, der bekannte Berliner Maler, voll-
endete am 1. Februar sein 60. Lebensjahr. Die meisten
werden erstaunt sein, das zu hören, denn unwillkürlich
zählt man den Künstler noch immer zu den Jungen. Man
hat vergessen, daß auch er noch — wie Liebermann —
seinen Ausgang von Steffeck nahm, und man denkt nicht
daran, daß die französischen Vertreter des Neo-Impressio-
nismus, dessen konsequentester Vorkämpfer in Deutschland
Curt Herrmann ist, schon einer vergangenen Generation
angehören. Aber wie Signac in Paris noch heut mit den
Independants ausstellt, so fühlte sich Herrmann immer den
Jungen zugehörig, und seiner persönlichen Vermittlung war
oft ein Ausgleich der Gegensätze innerhalb der Sezession
zu danken. Eine Ausstellung wird demnächst Gelegenheit
geben, auf Herrmanns Kunst im näheren einzugehen.
O.
WETTBEWERBE
Architekturwettbewerbe. Das Resultat der letzten
Wettbewerbe auf architektonischem Gebiet hat eine Reihe
von Mißständen offenbart, die dringende Abhilfe fordern.
Die Hauptfrage ist, ob der Bauherr die Verpflichtung über-
nimmt, dem Spruch der Jury zu folgen und zu mindest einem
der Preisträger auch die Ausführung des Baues zu übergeben,
oder ob der Preis ganz unabhängig von der Ausführung
bleibt. Die Praxis der jüngsten Zeit huldigt offenkundig
diesem Grundsatz. Der Wettbewerb ist nicht mehr als
eine vorläufige Orientierung über die Möglichkeiten des
Bauprogramms. Auf Grund der eingereichten Skizzen wird
nun die Anlage in ihren Grundzügen festgestellt und einem
Architekten übertragen, der mit der Konkurrenz in gar
keinem Zusammenhange steht.
Das geht nicht an. Die Architekten müssen sich gegen
solche Handhabung öffentlich ausgeschriebener Wettbe-
werbe aufs entschiedenste verwahren. Die ausgesetzten
Preise können kein Äquivalent für die aufgewandte Arbeit
sein, wenn nicht die Aussicht auf die Bauausführung selbst
hinzukommt, und daß die zutage geförderten Ideen schließ-
lich von anderer Seite weiter benutzt werden, ist ein Un-
recht mehr. Der Fall Ihne und die Botschaft in Washington
ist noch in aller Erinnerung. Die große Protestbewegung
der Architektenschaft verlief zunächst allzu harmlos
im Sande. Nun soll zum Schluß doch noch so viel
erreicht sein, daß Ihnes Entwurf der Akademie des Bau-
wesens zur Begutachtung vorgelegt wurde. Auch sollen
von der gleichen Stelle die im Wettbewerb preisgekrönten