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Georg Gronau, Tizian, London: Duckworth and Co., New York:
Charles Scribner’s Sons, 1904. 8°. XV und 322 SS. und 50 Tafeln
mit Zinkos.
Tizian, des Meisters Gemälde in 200 Abbildungen. Mit einer
biographischen Einleitung von Dr. Oskar Fischei. Stuttgart und
Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt, 1904. (Dritter Band der Klassiker
der Kunst in Gesammtausgaben). 4°. XXX und 207 Seiten mit 228
Zinkos.
Georg Gronau hat seine Biographie Tizians in englischer Übersetzung
erscheinen lassen; sie ist bedeutend an Umfang gewachsen und wurde mit
guten Abbildungen versehen. Der Autor beklagt sich in der Vorrede mit
Recht, dass sein Werk als ein blosser Auszug aus Crowe und Cavalcaselles
Tizian bezeichnet wurde, denn, wenn er sich auch auf dieses bekannte
Werk stütze, beruhe sein Buch doch auf selbständiger Durcharbeitung des
Materiales. Für die englische Ausgabe wurde die inzwischen erschienene
Literatur benützt, sowie eigene selbständige archivalische Studien und Mit-
teilungen des allen Forschern hilfreich entgegenkommenden Dr. Ludwig.
Eine wertvolle Zugabe ist ein kritisches Verzeichnis der Werke Tizians
nach ihren Aufbewahrungsorten. Der Autor verspricht, es zu einem
Corpus Titiani Operum umzugestalten.
Die folgenden Bemerkungen mögen als nichts anderes betrachtet
werden, als als Vorschläge für Einzelnheiten in diesem Corpus, das eine
wichtige Bereicherung der Kunstwissenschaft zu werden verspricht. Um
den ruhigen Fluss seiner historischen Darstellung nicht unterbrechen zu
müssen, hat Gronau die Nachrichten über Tizians Privatleben und die Be-
sprechung seiner Technik in zwei gesonderten Kapiteln nicht zu seinem
Vorteile an den Schluss des Buches gestellt. Bei dem ersten davon ist
ihm ein sonderbarer Irrtum mituntergelaufen. Karl Justi hatte in seinem
Velasquez die Stimmung des kunstverständigen Publikums dem Naturalis-
mus gegenüber in Form eines Gespräches geschildert. Diesen geistvollen
Scherz des berühmten Schriftstellers hat Gronau missverstanden. Er be-
nützt dieses von Justi erfundene Gespräch als eine Quelle für das Leben
Tizians. Justi darf es freuen so wunderbar den Ton der Zeit getroffen
zu haben, dass er selbst einen Geschichtsforscher täuschte. Für eine künf-
tige Ausgabe des vortrefflichen Buches, die nicht ausbleiben kann, wird
es sich empfehlen, den Inhalt dieser beiden Kapitel in die geschichtliche
Darstellung aufzunehmen. Hätte der Autor an rechter Stelle die Technik
der Jugendwerke Tizians untersucht, so wäre es ihm nicht entgangen, dass
der Einschnitt in der Entwicklung der venezianischen Malerei nicht, wie
er annimmt, zwischen Gian Beilin und Giorgione liegt, sondern zwischen
Giorgione und Tizian. An wiederholten Stellen nennt er Tizian einen
Freund Giorgiones. Nichts berechtigt zu dieser Annahme. Am Fondaco
dei Tedeschi war dem Giorgione die Wand gegen den grossen Kanal in
Auftrag gegeben worden,- Tizian eine Wand der Landseite, von gemein-
samer Arbeit ist nirgends die Bede. Bei Giorgiones Tode fanden sich
mehrere unvollendete Bilder vor; wenn nun der eine Auftraggeber sein
Georg Gronau, Tizian, London: Duckworth and Co., New York:
Charles Scribner’s Sons, 1904. 8°. XV und 322 SS. und 50 Tafeln
mit Zinkos.
Tizian, des Meisters Gemälde in 200 Abbildungen. Mit einer
biographischen Einleitung von Dr. Oskar Fischei. Stuttgart und
Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt, 1904. (Dritter Band der Klassiker
der Kunst in Gesammtausgaben). 4°. XXX und 207 Seiten mit 228
Zinkos.
Georg Gronau hat seine Biographie Tizians in englischer Übersetzung
erscheinen lassen; sie ist bedeutend an Umfang gewachsen und wurde mit
guten Abbildungen versehen. Der Autor beklagt sich in der Vorrede mit
Recht, dass sein Werk als ein blosser Auszug aus Crowe und Cavalcaselles
Tizian bezeichnet wurde, denn, wenn er sich auch auf dieses bekannte
Werk stütze, beruhe sein Buch doch auf selbständiger Durcharbeitung des
Materiales. Für die englische Ausgabe wurde die inzwischen erschienene
Literatur benützt, sowie eigene selbständige archivalische Studien und Mit-
teilungen des allen Forschern hilfreich entgegenkommenden Dr. Ludwig.
Eine wertvolle Zugabe ist ein kritisches Verzeichnis der Werke Tizians
nach ihren Aufbewahrungsorten. Der Autor verspricht, es zu einem
Corpus Titiani Operum umzugestalten.
Die folgenden Bemerkungen mögen als nichts anderes betrachtet
werden, als als Vorschläge für Einzelnheiten in diesem Corpus, das eine
wichtige Bereicherung der Kunstwissenschaft zu werden verspricht. Um
den ruhigen Fluss seiner historischen Darstellung nicht unterbrechen zu
müssen, hat Gronau die Nachrichten über Tizians Privatleben und die Be-
sprechung seiner Technik in zwei gesonderten Kapiteln nicht zu seinem
Vorteile an den Schluss des Buches gestellt. Bei dem ersten davon ist
ihm ein sonderbarer Irrtum mituntergelaufen. Karl Justi hatte in seinem
Velasquez die Stimmung des kunstverständigen Publikums dem Naturalis-
mus gegenüber in Form eines Gespräches geschildert. Diesen geistvollen
Scherz des berühmten Schriftstellers hat Gronau missverstanden. Er be-
nützt dieses von Justi erfundene Gespräch als eine Quelle für das Leben
Tizians. Justi darf es freuen so wunderbar den Ton der Zeit getroffen
zu haben, dass er selbst einen Geschichtsforscher täuschte. Für eine künf-
tige Ausgabe des vortrefflichen Buches, die nicht ausbleiben kann, wird
es sich empfehlen, den Inhalt dieser beiden Kapitel in die geschichtliche
Darstellung aufzunehmen. Hätte der Autor an rechter Stelle die Technik
der Jugendwerke Tizians untersucht, so wäre es ihm nicht entgangen, dass
der Einschnitt in der Entwicklung der venezianischen Malerei nicht, wie
er annimmt, zwischen Gian Beilin und Giorgione liegt, sondern zwischen
Giorgione und Tizian. An wiederholten Stellen nennt er Tizian einen
Freund Giorgiones. Nichts berechtigt zu dieser Annahme. Am Fondaco
dei Tedeschi war dem Giorgione die Wand gegen den grossen Kanal in
Auftrag gegeben worden,- Tizian eine Wand der Landseite, von gemein-
samer Arbeit ist nirgends die Bede. Bei Giorgiones Tode fanden sich
mehrere unvollendete Bilder vor; wenn nun der eine Auftraggeber sein