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lieit am Ende des Quattrocento, ist gar nicht venezianisch, sondern sie
ist lombardisch. Doch scheint mir gerade darin das grosse Verdienst dieser
Publikation zu liegen, dass Colvin neben den Werken der grossen Meister
eine Reihe von Zeichnungen bringt, die zur Diskussion anregen und da-
durch fördernd wirken. Es wäre nur zu wünschen, dass er . alle. Blätter
dieser Art aus. dem 14. und 1 5. Jahrhundert brächte, an denen die Samm-
lung sö reich ist. Auch Blätter aus der Schule grosser Meister, wie den
Hercules nach Mantegna, den er sehr gut beobachtend mit einem Stiche
des Giovanni Antonio da Brescia in Verbindung bringt. Ein Jünglingkopf,
der von Sodoma sein soll (I 9.), scheint mir zu stark überarbeitet, als
dass noch ein bestimmtes Urteil über ihn erlaubt wäre1). Ganz weg-
bleiben hätten die beiden Blätter von Claude bleiben können, der in Eng-
land einmal für einen grossen Künstler gehalten wurde, diese Zeit ist aber
längst vorbei. Auch die Ansicht von Amsterdam Von Abraham Furnerius
ist nur eine Rarität ohne künstlerischen Wert. Hingegen sind zwei Blätter
von van Dyck und eines von Paul Patter ganz hervorragend. Das Aller-
beste sparte ich auf den Schluss, einen Kopf unserer lieben Frau in
schwarzer Kreide von dem zartesten Helldunkel und sinnigstem Ausdrucke,
Montagna zugeteilt. Er ist aber unzweifelhaft von Giorgione, gehört in
eine Reihe mit dem Christus in San Rocco, mit dem Knaben in Hampton-
Court und mit dem jüngst gereinigten David in Wien. Da der Kopf der
Venus in Dresden von Tizian vollendet wurde, der der Jungfrau in Castel-
franco durch Restauration verdorben und der auf dem Bilde bei Giovanelli
ganz klein ist, so ist diese Zeichnung das einzige Werk, das uns Gior-
giones weibliches Ideal vollkommen wiedergibt. Es ist eine Zeichnung,
die an Wert alle anderen übertrifft. Das war eine glückliche Wahl, für
die wir Colvin besonders Dank sagen wollen.
Bei Publikationen von Zeichnungen sowie von Gemälden ist die Mit-
teilung der alten Zuschreibungen in Inventaren und Katalogen wissen-
schaftlich unerlässlich. In England verbreitet sich seit einiger Zeit der
schlechte Brauch, solche Angaben wegzulassen und nichts als die Ver-
mutungen der Herausgeber zu bringen. Ich glaube, Berenson hat mit der
ersten Ausgabe seines Lotto das üble Beispiel gegeben, jedenfalls hat er
am meisten zur Verbreitung dieses anmasslichen Unfuges beigetragen.
Colvin ahmt ihm in dieser Publikation darin nach. Wir bitten Mr. Colvin
dringlich, in den nächsten Mappen die alten Bezeichnungen, Aufschriften
etc. der Zeichnungen mitzuteilen und sie für die beiden schon erschienenen
Lieferungen nachzutragen.
Venedig. FranzWickhoff.
*) Anch über ein Mal bei Levy, dem Costa zugeschrieben, erlaube ich mir,
wo mir alles Material zur Vergleichung fehlt kein besimmtes Urteil, jedenfalls
gehört es einem Bolognesen an, der um eine Generation jünger ist, vielleicht
Ainico Aspertini.
lieit am Ende des Quattrocento, ist gar nicht venezianisch, sondern sie
ist lombardisch. Doch scheint mir gerade darin das grosse Verdienst dieser
Publikation zu liegen, dass Colvin neben den Werken der grossen Meister
eine Reihe von Zeichnungen bringt, die zur Diskussion anregen und da-
durch fördernd wirken. Es wäre nur zu wünschen, dass er . alle. Blätter
dieser Art aus. dem 14. und 1 5. Jahrhundert brächte, an denen die Samm-
lung sö reich ist. Auch Blätter aus der Schule grosser Meister, wie den
Hercules nach Mantegna, den er sehr gut beobachtend mit einem Stiche
des Giovanni Antonio da Brescia in Verbindung bringt. Ein Jünglingkopf,
der von Sodoma sein soll (I 9.), scheint mir zu stark überarbeitet, als
dass noch ein bestimmtes Urteil über ihn erlaubt wäre1). Ganz weg-
bleiben hätten die beiden Blätter von Claude bleiben können, der in Eng-
land einmal für einen grossen Künstler gehalten wurde, diese Zeit ist aber
längst vorbei. Auch die Ansicht von Amsterdam Von Abraham Furnerius
ist nur eine Rarität ohne künstlerischen Wert. Hingegen sind zwei Blätter
von van Dyck und eines von Paul Patter ganz hervorragend. Das Aller-
beste sparte ich auf den Schluss, einen Kopf unserer lieben Frau in
schwarzer Kreide von dem zartesten Helldunkel und sinnigstem Ausdrucke,
Montagna zugeteilt. Er ist aber unzweifelhaft von Giorgione, gehört in
eine Reihe mit dem Christus in San Rocco, mit dem Knaben in Hampton-
Court und mit dem jüngst gereinigten David in Wien. Da der Kopf der
Venus in Dresden von Tizian vollendet wurde, der der Jungfrau in Castel-
franco durch Restauration verdorben und der auf dem Bilde bei Giovanelli
ganz klein ist, so ist diese Zeichnung das einzige Werk, das uns Gior-
giones weibliches Ideal vollkommen wiedergibt. Es ist eine Zeichnung,
die an Wert alle anderen übertrifft. Das war eine glückliche Wahl, für
die wir Colvin besonders Dank sagen wollen.
Bei Publikationen von Zeichnungen sowie von Gemälden ist die Mit-
teilung der alten Zuschreibungen in Inventaren und Katalogen wissen-
schaftlich unerlässlich. In England verbreitet sich seit einiger Zeit der
schlechte Brauch, solche Angaben wegzulassen und nichts als die Ver-
mutungen der Herausgeber zu bringen. Ich glaube, Berenson hat mit der
ersten Ausgabe seines Lotto das üble Beispiel gegeben, jedenfalls hat er
am meisten zur Verbreitung dieses anmasslichen Unfuges beigetragen.
Colvin ahmt ihm in dieser Publikation darin nach. Wir bitten Mr. Colvin
dringlich, in den nächsten Mappen die alten Bezeichnungen, Aufschriften
etc. der Zeichnungen mitzuteilen und sie für die beiden schon erschienenen
Lieferungen nachzutragen.
Venedig. FranzWickhoff.
*) Anch über ein Mal bei Levy, dem Costa zugeschrieben, erlaube ich mir,
wo mir alles Material zur Vergleichung fehlt kein besimmtes Urteil, jedenfalls
gehört es einem Bolognesen an, der um eine Generation jünger ist, vielleicht
Ainico Aspertini.