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August Sc li mar sow. Die oberrheinische Malerei und ihre
Nachbarn um die Mitte des 15. Jahrhunderts (1430—1460) Abhand-
lungen der philologisch-historischen Klasse der königl. sächsischen
Gesellschaft der Wissenschaften Bd. XXII. Nr. II. Leipzig. 1903.
S. stellt in seinem Buche eine Theorie über die stilistische Entwicklung
der oberrheinischen Malerei und »ihrer Nachbarn« auf, die jedoch auch
für » das Gesamtgebiet dieseits der Alpen « gültig ist. Kurz zusammengefasst
lautet diese Theorie etwa folgender massen. Im Gegensätze zu der älteren
und gleichzeitigen Wandmalerei, die man »damals« als Flächenmalerei auf-
gefasst hatte und im Gegensätze zu den »gänzlich unplastischen« Miniaturen,
welchen die »malerische Bildwirkung« eigentümlich war, weise die älteste
deutsche Tafelmalerei eine plastische Grundanschauung auf. »Die Steinbild-
hauerei der Bauhütte stellt sich als gemeinsamer Ursprung der Bildkunst
heraus.« Dieser plastische Grundcharakter der deutschen Tafelmalerei sei
dann durch den Einfluss der neuen niederländischen Malerei Jan van Eycks
und seiner Nachfolger, die in den Miniaturen der Chor- und Gebetbücher
ihren Ursprung hat, zerstört und durch »spezifisch malerische Zutaten
aufgelöst worden«.
Auf dem Prokrustesbett dieser Theorie werden Werke einzelner ober-
deutscher Künstler der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts gestreckt, wo-
bei die Theorie einesteils als der Ausgangspunkt und Beweis für eine
neue lokale und chronologische Einordnung dieser Werke dienen muss,
andernteils gleichzeitig aus der auf diese Weise gewonnenen Entwicklungs-
reihe abgeleitet wir.l.
Das 1. Kapitel beschäftigt sich mit den Bildern des Konrad Witz von
Basel. Es werden darin neue und zwar ebenso unnütze als unrichtige Ver-
mutungen und Behauptungen über den Ursprung der Kunst des grossen
Basler Meisters aufgestellt. Sein »plastischer Stil« wird zunächst in eine
Parallele zu dem ebenso »plastischen Stile« des Flubert van Eyck gebracht.
Es wird nämlich eine neue Erklärung der Entstehung des Genter Al tares
gegeben, indem die Behauptung aufgestellt wird, dass von Hubert der Al-
tar nur als eine Nachahmung farbiger und farbloser Skulpturen gedacht
gewesen sei. Alles was über diesen Plan hinausgeht, müsse man Jan
-zuschreiben, so z. B. das »naturfarbene Bravourstück« des »fast verletzenden
Naturalismus« des ersten Menschenpaares. »Nur grau in grau als Statuen-
imitation behandelt wie die Reliefs darüber, würden die Figuren Adams
und Evas zu äusserst gewiss ruhiger wirken und zugleich die Farbenpracht
des Allerheiligsten glücklich einrahmen gegen den Kirchenraum «. Auch bei der
Verkündigung sei »mit der Abweichung in die Naturfarbe gewiss die Durch-
brechung der Rückwand mit ihren Ausblicken und Einblicken so kunstreicher
Art in einheitliche Rechnung zu setzen, ja sogar die perspektivische Durch-
führung der Decke, wie die täuschende Verbreitung des Fussbodens mit Hilfe
des zusammenfliessenden Quadratnetzes, die zusammen den Raum so be-
drückend niedriger erscheinen lassen,(!) nur eine spätere Zutat der zweiten
Redaktion, die der gewissenhafte Nachahmer irdischer Wirklichkeit mit
seiner unefbitterlichen Konsequenz verschuldet hat«.
Und hiemit könne auch kein Zweifel über den Ursprung des Stiles
des Hubert van Eyck mehr bestehen, nicht in der Buchmalerei wie bei
August Sc li mar sow. Die oberrheinische Malerei und ihre
Nachbarn um die Mitte des 15. Jahrhunderts (1430—1460) Abhand-
lungen der philologisch-historischen Klasse der königl. sächsischen
Gesellschaft der Wissenschaften Bd. XXII. Nr. II. Leipzig. 1903.
S. stellt in seinem Buche eine Theorie über die stilistische Entwicklung
der oberrheinischen Malerei und »ihrer Nachbarn« auf, die jedoch auch
für » das Gesamtgebiet dieseits der Alpen « gültig ist. Kurz zusammengefasst
lautet diese Theorie etwa folgender massen. Im Gegensätze zu der älteren
und gleichzeitigen Wandmalerei, die man »damals« als Flächenmalerei auf-
gefasst hatte und im Gegensätze zu den »gänzlich unplastischen« Miniaturen,
welchen die »malerische Bildwirkung« eigentümlich war, weise die älteste
deutsche Tafelmalerei eine plastische Grundanschauung auf. »Die Steinbild-
hauerei der Bauhütte stellt sich als gemeinsamer Ursprung der Bildkunst
heraus.« Dieser plastische Grundcharakter der deutschen Tafelmalerei sei
dann durch den Einfluss der neuen niederländischen Malerei Jan van Eycks
und seiner Nachfolger, die in den Miniaturen der Chor- und Gebetbücher
ihren Ursprung hat, zerstört und durch »spezifisch malerische Zutaten
aufgelöst worden«.
Auf dem Prokrustesbett dieser Theorie werden Werke einzelner ober-
deutscher Künstler der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts gestreckt, wo-
bei die Theorie einesteils als der Ausgangspunkt und Beweis für eine
neue lokale und chronologische Einordnung dieser Werke dienen muss,
andernteils gleichzeitig aus der auf diese Weise gewonnenen Entwicklungs-
reihe abgeleitet wir.l.
Das 1. Kapitel beschäftigt sich mit den Bildern des Konrad Witz von
Basel. Es werden darin neue und zwar ebenso unnütze als unrichtige Ver-
mutungen und Behauptungen über den Ursprung der Kunst des grossen
Basler Meisters aufgestellt. Sein »plastischer Stil« wird zunächst in eine
Parallele zu dem ebenso »plastischen Stile« des Flubert van Eyck gebracht.
Es wird nämlich eine neue Erklärung der Entstehung des Genter Al tares
gegeben, indem die Behauptung aufgestellt wird, dass von Hubert der Al-
tar nur als eine Nachahmung farbiger und farbloser Skulpturen gedacht
gewesen sei. Alles was über diesen Plan hinausgeht, müsse man Jan
-zuschreiben, so z. B. das »naturfarbene Bravourstück« des »fast verletzenden
Naturalismus« des ersten Menschenpaares. »Nur grau in grau als Statuen-
imitation behandelt wie die Reliefs darüber, würden die Figuren Adams
und Evas zu äusserst gewiss ruhiger wirken und zugleich die Farbenpracht
des Allerheiligsten glücklich einrahmen gegen den Kirchenraum «. Auch bei der
Verkündigung sei »mit der Abweichung in die Naturfarbe gewiss die Durch-
brechung der Rückwand mit ihren Ausblicken und Einblicken so kunstreicher
Art in einheitliche Rechnung zu setzen, ja sogar die perspektivische Durch-
führung der Decke, wie die täuschende Verbreitung des Fussbodens mit Hilfe
des zusammenfliessenden Quadratnetzes, die zusammen den Raum so be-
drückend niedriger erscheinen lassen,(!) nur eine spätere Zutat der zweiten
Redaktion, die der gewissenhafte Nachahmer irdischer Wirklichkeit mit
seiner unefbitterlichen Konsequenz verschuldet hat«.
Und hiemit könne auch kein Zweifel über den Ursprung des Stiles
des Hubert van Eyck mehr bestehen, nicht in der Buchmalerei wie bei