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Universität Wien / Institut für Österreichische Geschichtsforschung [Hrsg.]
Kunstgeschichtliche Anzeigen — 1.1904

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Wickhoff, Franz: [Rezension von: Georg Gronau, Tizian; Tizian, des Meisters Gemälde in 200 Abbildungen. Mit einer biographischen Einleitung von Dr. Oskar Fischel]
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https://doi.org/10.11588/diglit.51382#0122

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Bild von Sebastian, der andere seines von Tizian vollenden liess, so han-
delt es sich wieder nicht um eine gemeinsame Arbeit. Wir besitzen eine
einzige zeitgenössische Angabe über das Verhältnis von Tizian zu Gior-
gione. Dolce erzählt von der Schadenfreude Tizians, wenn ein schlecht
unterrichteter Kunstfreund Giorgione wegen seiner Arbeiten am Fondaco
bekomplimentirte und dabei die Wand, die Tizian gemacht hatte, als das
vollkommenste pries. Das lässt auf alles eher, als auf Freundschaft
schliessen. Giorgione hat in nichts die Malweise Gian Beilins verlassen,
während Tizian schon in seinen ersten Werken, zumal bei den Gewändern
und der Leinenwäsche, die Farbtöne unverbunden nebeneinander stellte.
Von den Altersgenossen ahmte ihn darin nur Palma nach, während Seba-
stian sein ganzes Leben hindurch bei der alten Manier der rundenden
Abschattirung blieb. Hätte Gronau das beachtet, so würde er nicht das
glänzende Porträt aus Sebastians venezianischer Zeit, den sogenannten
Ariosto bei Lord Darnley, dem Tizian zugeschrieben haben. Freilich ist
er zu entschuldigen, weil Sebastian der am wenigsten bekannte der da-
maligen venezianischen Maler ist. Die Liste Berensons enthält als Jugend-
werke Sebastians eine Musterkarte von Arbeiten fremder Meister, die mit
Cima beginnt, während die echten Jugendarbeiten Sebastians darin fehlen.
In der Berliner Galerie hängt der schöne Sebastian aus der Sammlung
Giustiniani in Padua unter Giorgiones Namen. Wie lange ist es denn,
dass der Violinspieler und die Fornarina, zwei Hauptwerke Sebastians, all-
gemein für Arbeiten Raffaels gehalten wurden? Noch vor kurzem hat
Berenson in seinem Werke über die florentinischen Zeichnungen das un-
vollendete Porträt des Museums Czartoriski in Krakau, eine eigenhändige
Arbeit Raffaels, als ein Werk Sebastians bezeichnet. Ein anderer Irrtum
betreffs der Jugendzeit Tizians bezieht sich auf Paris Bordone. Der Herr
Senator Morelli hatte das reizende Bild in San Marcuolo zu Venedig mit
dem Jesukinde im Hemdehen, zwischen Katharina und Andreas, für eine
Arbeit Tizians erklärt. Es war damals von einer zersprungenen Fixniss-
schichte bedeckt, hinter der es, wie mit einem dichten weissen Schleier
verhüllt, hervorschimmerte. Das entschuldigt den Irrtum. Jetzt ist es
seit Jahren gereinigt und frisch gefirnisst und zeigt sich als eine Jugend-
arbeit Paridis. Jedermann, der den Kopf des Andreas mit den Köpfen
auf dem Abendmahle in San Giovanni in Bragora vergleicht, muss das
sogleich sehen, wenn ihn nicht schon vorher die zimmtbraune Färbung
darauf geführt hat. Noch weiter von Paris. Auf S. 139 schaltet Gronau
eine psychologische Erwägung ein, warum Paul III. auf dem stolzen Staats-
porträt der Galerie von Neapel ganz anders erscheint, als auf allen anderen
seiner Porträts von Tizian. Die Lösung ist einfacher als er denkt. Weil
dieses Porträt von anderer Hand ist, von der des Paris. Eine Atelier-
wiederholung im Palazzo Pitti trägt den richtigen Namen des Paris.
Gronau hat im florentinischen Archive die Dokumente, die sich auf die
Kunstpflege am Hofe von Urbino beziehen, aufgefunden und bearbeitet.
Wann diese Anzeige gedruckt wird, ist der Leser wahrscheinlich schon im
Besitze dieser wertvollen Veröffentlichung, wenigstens des ersten Teiles
über Tizian, der im preussischen Jahrbuche erscheinen soll. Gronau hatte
keinen guten Tag, als er eines der in diesen Aktenstücken erwähnten Bilder
im Palazzo Pitti zu finden glaubte. Das Bild, das er zur S. 99 abbildet,
 
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