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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

DOI Artikel:
Moser, F.: Die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule zu Magdeburg 1793-1893
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0015

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6 DIE KUNSTGEWERBE- UND HANDWERKERSCHULE ZU MAGDEBURG 1793 - 1893.

Zeichenschule auf, am sie mit aller Energie und —
dank seiner hohen Beamtenstellung — auch mit
Erfolg zur Durchführung zu bringen. Mit der Ge-
wissenhaftigkeit des preußischen Beamten ließ er
sich vor der definitiven Einrichtung der Schule um-
fassende Berichte aus anderen Städten über die be-
scheidenen Anfänge, welche dort mit solchen Schulen
gemacht worden waren, einsenden, und es ist inter-
essant, die oft treffenden Bemerkungen der Bericht-
erstatter in den Akten nachzulesen.

Es sei gestattet, hier aus einem Berichte über
die „Kunstschule" zu Breslau, woselbst „sogar auch
Adliche" den Unterricht besuchen, eine Kritik über
die damaligen „Zeichenmeister" zu citiren. „Unsere
gegenwärtige Generation von Zeich enmeistern ist
eine steife Ausgeburt von Albrecht Dürern, d. h.
.sie setzen das Wesen des Zeichnens in die Propor-
tionen des menschlichen Gesichts und überhaupt des
menschlichen Körpers, fangen mit den Augen an etc.
und es vergeht Jahr und Tag, ehe ein Schüler ein
erträgliches Gesicht zusammenstümpern kann. Von
eigener Komposition ist hiebei gar nicht die Rede,
sondern nur von ewigem Copiren." Es folgt nun
die Bemerkung, dass sich derartige Zeichenlehrer
sehr schlecht für Handwerksschulen eignen. Pro-
fessor Bach in Breslau beginne mit den geraden
und krummen Linien, aber über seine sonstige
Lehrmethode äußere er sich nicht, sondern ziehe
sich „in die Künstlerverschwiegenheit — bald hätte
ich gesagt — Verstocktheit" zurück. — „Wissen
Sie nun einen Zeichenmeister der Art aufzutreiben,
der, sowie er nur in eine Fayencefabrik tritt, sogleich
in allen einzelnen Stücken den Mangel der schönen
Form und diese mit Bleistift und Röthel stante pede
hincroquiren kann — der sich weit und breit in
der Handwerkswelt umgesehen und das schlechtere
inländische durch das bessere ausländische be-
schämen kann — der dabei zugleich so viel päda-
gogischen Geist besitzt, um Zöglinge mit einleuch-
tender Deutlichkeit zu instruiren, anderseits mit im-
ponirender Autorität zu gouverniren: dann, theuerster
Freund, sind Sie einer Kunstschule nahe; wo nicht,
so sind auch 1000 und mehr Thaler vergeblich an-
gewandt." — —

Wahrlich, ein Urteil, wie es heute nach 100
Jahren kaum richtiger abgegeben werden könnte!

Auf Grund der Berichte konnte bald an die
Vorarbeiten für die Errichtung der Magdeburger
Schule herangetreten werden. Am 6. Oktober 1793
wurde die Schule eröffnet.

Man scheint nun allerdings in dem ersten

„Zeichenmeister", Herrn Schmid, welcher für sechs
Groschen pro Stunde unterrichtete, nicht ganz das
gefunden zu haben, was der Breslauer Pädagoge
als unerlässliche Voraussetzung dekretirt hatte, denn
als ein Jahr nach der Eröffnung der Schule eine
staatliche Subvention bewilligt wurde, da hielt man
es für nötig, dem Herrn „Zeichenmeister" etwas auf
den Zahn zu fühlen, und schickte ihm vier leere,
von der Direktion der Akademie unterschriebene
Blätter mit dem Auftrage, auf dem einen eine
architektonische Zeichnung, auf dem anderen eine
Figur, auf dem dritten eine Landschaft, auf dem
vierten Zieraten nach einer guten Auswahl von
Vorbildern zu zeichnen und einzusenden. Doch
mochte sich wohl der nachträglich zum Prüfunsrs-
kandidaten Gepresste nicht so recht sicher fühlen,
denn er sandte die leeren Blätter mit der lakoni-
schen Randbemerkung zurück, dass er sich auf
solche Probearbeiten nicht einlassen könne und
wolle, weil er seine Zeit zum Verdienen benötige.
Übrigens fühlte man sich schon 1797 veranlasst,
der Schule einen künstlerisch ausgebildeten Mann
in dem fürstlichen Baukommissar Breysig aus
Ballenstedt als ersten Lehrer zu verschaffen, welcher
den Titel „Professor" und 300 Thaler Jahresgehalt
erhielt. Die Schule hob sich rasch und entwickelte
sich vorzüglich, bis durch den Tilsiter Frieden die
Stadt Magdeburg zum Eibdepartement des König-
reichs Westfalen kam, welche Veränderung selbst-
verständlich die Staatszuschüsse in Wegfall brachte.
Es folgte nun eine traurige Zeit, während welcher
die Schule nur mit Mühe und nur durch die Energie
Vangerows über Wasser gehalten werden konnte.
Das Kriegsjahr 1813 bewirkte zwar eine vorüber-
gehende Schließung der Schule, weil das Gebäude
für militärische Zwecke verwendet werden musste,
dagegen trat auch nach der Auflösung des König-
reichs Westfalen die Schule wieder in das alte
Verhältnis zum Staate Preußen ein und konnte einer
ruhigen Entwicklung entgegengehen. Im Jahre 1816
starb der hochverdiente Gründer und langjährige
Leiter der Anstalt, v. Vangerow, als Präsident des
Oberlandesgerichts in Magdeburg.

Mit wechselndem Erfolge durchlebte die Schule,
welche inzwischen die Bezeichnung „ Provinzial-
Kunst- und Baugewerksschule" erhielt, die nächsten
Jahrzehnte unter der Ägide der Kunst- und Bau-
akademie zu Berlin, zu deren Ausstellungen all-
jährlich die Schülerarbeiten eingesendet, und von
welcher die Auszeichnungen für die Schüler, Me-
daillen, lobende Erwähnungen u. s. w. verliehen wurden.
 
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