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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0078

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KLEINE MITTEILUNGEN.

71

ist jetzt auch der Druck auf
Wolle, besonders lichten Musse-
lin. Man könnte die Stoffe wohl
auch weben, aber das würde zu
schwierig sein. Die Seide war
bisher für den Druck zu kostbar,
jetzt bedruckt man jedoch die
billige indische Seide mit reizen-
den Mustern als Vorhänge und
auch als Kleiderstoff. Besonders
London hat jetzt diese Fabrika-
tion aufgenommen und über-
schüttet damit die ganze Welt.
Der Sammet mit seinem hoch-
stehenden Vließ entzog sich
früher dem Druckverfahren, da
die Schwierigkeiten, die durch
den Druck herabgedrückten Stel-
len wieder zu heben, zu groß
waren, jetzt arbeitet man in
England einen sehr dichten und
kurzen Baumwollensammet, der
den Druck annimmt und die
Krone der englischen gedruckten
Stoffe bildet. Mit Ausnahme
dieses letzten Fabrikats war die
technische Seite schon um 1840
völlig entwickelt und führte zu
einem gewaltigen Aufschwung.
Zunächst fertigte man billige
Massen wäre, mit der man alle
alte Handarbeit selbst aus den
entlegensten Provinzen des
Orients verdrängte. Man druckte
jedem Volk die Muster, die es
brauchte und an denen es seine
Ereude hat. In Europa aber, wo
man bessere Muster haben wollte,
suchte man den Zeugdruck künst-
lerisch dadurch zu veredeln,
dass man die Muster so reich wie
möglich machte, man schwelgt«
förmlich in der Sucht, etwas
recht Buntes herzustellen, ver-
griff sich dabei aber, indem man
wirkliche Malerei mit körper-
icher Wirkung nachzuahmen
suchte. Jeder Musterzeichner war
damals auch Blumenmaler. Je
mehr dies der immer mehr ent-
wickelten Technik gelang, um
desto weniger entsprechen die
bedruckten Kattune ihrer Be-
stimmung als Tapeten oder
Möbelstoffe. Nun trat etwas
Eigentümliches ein, wenn man
ae« großen Erfolg der englischen
Muster verstehen will. Gegen die
»» 1850 beliebten, mit Virtuo-
sität dargestellten, aber schweren
und aufdringlichen Blumenmuster
Und Eruchtstücke wendete sich
»i erster Linie die Reform im
Kunstgewerbe, welche um 1800

Ehmnpteil 8. K. H. des Großherzogs Friedrich von
Entwurf von Direktor H GÖTZ. Ausführung
A Mayer in Karlsruhe. (Chicago.)

einsetzte. Man verlangte stili-
sirte Muster, welche den Cha-
rakter der Fläche wahren, und
wies auf die Vorbilder hin, welche
in den Kunstwebereien des Mittel-
alters und der Renaissance er-
halten sind. Nunmehr begann
man, diese alten Seidenstoffe
nachzuahmen, und lebte geraume
Jahre von der Ausbeute der
Sammlungen. Aber auch dieser
Weg, welcher zu einer Verede-
lung der Formen führte, war
nicht der richtige. Man darf
nicht vergessen, dass der Druck
im Muster reicheres und anderes
zu leisten vermag, als die We-
berei. Der Druck ist nicht be-
nötigt, die Formen in zwei sym-
metrische Hälften aufzulösen oder
seine Farbenflecke für bestimmte
Breitenlagen aufzusparen; der
Druck kann sich frei entfalten,
kann jede Farbe in beliebigen
Flächen anlegen und durch Ober-
druck abtönen, der Druck wird
daher leicht verteilte Blumen-
muster mit großer Wirkung dar-
stellen können und auf dieses
Genre nicht verzichten. Hier hat
Frankreich zuerst eine Änderung
und Besserung bewirkt. Die mo-
dernen Elsässer Kattune erzielen
durch zarte Abtönung bei natu-
ralistischer Zeichnung schöne Er-
folge. Die Engländer hatten bei
der Wendung zu stilisirten Formen
nach 1860 zunächst eine streng
geometrische Teilung und inner-
halb derselben ganz flach ge-
legte schematische Blüten einge-
führt. In den letzten Jahren
haben sie sich freier bewegen
gelernt, sie zeichnen jetzt Blüten
und Blätter mit feiner Beobach-
tung der Natur in frei bewegten
Konturen, aber ohne körperliche
Wirkung. Hierdurch erzielen sie
vollkommene Flachmuster. Sie
haben vom Mittelalter, vom
Orient, besonders von Japan ge-
lernt, die Zweige und Ranken
gefällig über die Fläche zu ver-
teilen und die scheinbare Will-
kür in festen Rhythmus zu ban-
nen. Aber sie haben diese alten
Muster nicht einfach kopirt, son-
dern sie in moderne Muster um-
gearbeitet und dem modernen
Geschmack angepasst. Auf diese
Weise ist es ihnen gelungen, eim'
erstaunliche Fülle von Mustern
herzustellen. Hierzu kommt die
große Feinheit der Farbentöne

Baden

von Prof. Rud
 
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