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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

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Bode, Wilhelm von: Moderne Kunst in den Vereinigten Staaten von Amerika, [2,1]: Eindrücke von einem Besuche der Weltausstellung zu Chicago - Die Architektur und das Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0127

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MODERNE KUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA.

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Staaten namentlich vor unserer deutschen Architektur voraus hat
Diese Anforderungen an bestimmte Verhältnisse, Einrichtungen
lind Komfort der Wohnung haben sich langsam aber stetig
herausgebildet; sie sind zunächst rein praktisch entwickelt und
haben ihre künstlerische Form erst erhalten, nachdem sie prak-
tisch in jeder Weise erprobt und technisch vollendet durchge-
bildet waren. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, den die
amerikanischen Architekten vor den unserigen voraus haben, sind
freilich auch die Mittel, welche ihnen vielfach zur Ausführung
ihrer Pläne zur Verfügung gestellt werden. Doch pflegt man
diesen Vorteil meist höher anzuschlagen als berechtigt ist.

Der Grundriss des amerikanischen Hauses lässt seine Her-
kunft- vom altenglischen Stadthaus noch immer herauserkennen,
wie ja auch die Gewöhnung, dass selbst in den größten Städten
jede Familie ihr eigenes Haus hat, auf altenglische Sitte zurück-
geht. Die Front ist daher schmal, aber hoch; die Treppe mit
dem Treppenhaus, die „hall", bildet den Mittelpunkt, von dem
alle Wohnräume direkt zugänglich zu sein pflegen. Die hall
wird daher jetzt meist so geräumig als möglich angelegt, wird
wohnlich eingerichtet und erhält durch die geschickt darin an-



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Welntühler; ausgeführt von der Gorhain Company
in Providence, R.I. (Chicago.)



• Itarkrenz; magefflhrt von der Gorliam Company
in I'rovid.-nce, IM. (Chicago.)

gebrachte Treppe (bequem, aber bescheiden in den Formen und
mit zierlichem Geländer) eine reizvolle malerische Wirkung. (Vgl.
N. F. Jahrg. III, S. 96.) Nach der hall und ihren Einbauten
öffnen sich die Wohnräume in weiten Schiebethüren, nahezu
von halber Wandbreite, die zumeist offen stehen, so dass man
vom Treppenhaus aus den Einblick in die verschiedenen Zim-
mer hat. Die Räume sind nicht besonders hoch, nach unseren
Begriffen eher niedrig, sind nicht überfüllt mit Möbeln und hell
in der Wand- und Deckenfarbe; auch die Ausstattung strebt
mehr eine behagliche und freundliche als prächtige Wirkung
an. Das Landhaus hat den Charakter der Sommerwohnung;
daher sind Grundriss und Einrichtung wesentlich verschieden
von denen des Stadthauses. Es liegt ringsum frei, ist leicht
und schlicht gebaut, meist aus Holz und mit Holzschindeln
belegt, und ist an verschiedenen Seiten von einer geräumigen
Veranda umgeben, die zu jeder Tageszeit frische Luft und
Schutz gegen die Sonne bietet.

Weder das Stadthaus noch das Landhaus pflegt in Amerika
palastartig gestaltet zu werden; selbst die Milliardenkönige.
ziehen eine behagliche bürgerliche Existenz dem fürstlichen
Auftreten vor. Um so kolossaler und prächtiger suchen sie
ihre Geschäftshäuser zu bauen; hier gilt es, Reklame zu
machen nicht nur durch Größe des Baues, sondern auch durch
Eigenartigkeit, vornehmes Material und künstlerische Durch-
bildung. Die großen Kaufhäuser, die Paläste der Zeituntren
und Zeitschriften, die Hotels, die Theater, Konzerthäuser,
Storehouses, selbst Missionshäuser fallen in den amerikanischen
Städten meist mehr ins Auge als die öffentlichen Bauten, die
bisher nur vereinzelt und in zweiter Linie im großen monumen-
talen Stile errichtet werden.

Fast alle diese Bauten haben ihren eigenen Charakter
 
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